So soll es nach dem US-Zollhammer für die Schweiz weitergehen

Keystone-SDA
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Bern,

Die USA verhängen Zölle von 39 Prozent auf Importe aus der Schweiz. Was hat der Bundesrat vor, was fordern Parteien und Verbände? Die Antworten gibt es hier.

karin keller sutter
Karin Keller-Sutter informierte am Donnerstag über die Pläne des Bundesrates gegen den Zollhammer. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Seit Donnerstag sind US-Importe aus der Schweiz mit 39 Prozent Zöllen belegt.
  • Die Experten des Bundes rechnen mit unterdurchschnittlichem Wachstum für 2025 und 2026.
  • Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Zollhammer gibt es hier.

Seit Donnerstag gelten auf alle von der Schweiz in die USA ausgeführten Güter Zusatzzölle von 39 Prozent. Damit die Wirtschaft nicht zu fest und zu lange unter diesem Regime leidet, setzt der Bundesrat auf Dialog und bereitet parallel dazu Massnahmen vor. Ein Überblick:

Was gilt nun?

Die Schweiz hat noch keinen Deal mit US-Präsident Donald Trump. Deshalb bleibt es bei den vor Wochenfrist vonseiten der Vereinigten Staaten unilateral beschlossenen Zusatzzöllen auf Schweizer Güter in Höhe von 39 Prozent. Diese werden ab sofort angewendet.

Donald Trump
Donald Trump Hat Zölle in Höhe von 39 Prozent auf Importe aus der Schweiz verhängt. - keystone

Rund 18 Prozent der schweizerischen Warenexporte gehen in die USA, wovon etwa 60 Prozent von den US-Zusatzzöllen betroffen sind. Die USA verhängen deutlich höhere Zusatzzölle gegen die Schweiz als gegen vergleichbare Wirtschaftspartner. Für die EU gilt ein Zollsatz von 15 Prozent, für das Vereinigte Königreich einer von 10 Prozent.

Was bedeutet das für die Schweizer Wirtschaft?

Die Expertengruppe des Bundes rechnet wegen der US-Zusatzzölle und weiterer negativer globaler Faktoren mit einem deutlich unterdurchschnittlichen Wachstum für die Jahre 2025 und 2026. Einzelne Branchen und Unternehmen werden deutlich stärker betroffen sein als andere.

Insgesamt lässt sich der wirtschaftliche Dämpfer aber nicht mit der Corona-Krise vergleichen, als ganze Wirtschaftszweige zwischenzeitlich stillgelegt werden mussten. Bislang nicht betroffen von den US-Zusatzzöllen ist die Pharmaindustrie. Sollte auch sie mit Zöllen belegt werden, müsste mit einem schärferen Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP) gerechnet werden.

Was sagt der Bundesrat?

Die Landesregierung nimmt den Entscheid von Trump zur Kenntnis und bedauert die momentane Situation. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin versicherten am Donnerstag in Bern vor den Medien, der Bundesrat werde alles dafür tun, dass der Zollsatz tiefer zu liegen kommt.

keller sutter
Karin Keller-Sutter und Guy Parmelin trafen am Mittwoch US-Aussenminister Marco Rubio. - keystone

«Wir werden uns nicht ins Bockshorn jagen lassen», sagte Keller-Sutter. Man werde nun weiterhin mit Ruhe und Verstand an der schwierigen Situation arbeiten. Die aktuelle Lage sei für viele Unternehmen «äusserst unangenehm», sagte Parmelin. Für einige könne sie sogar «dramatisch» sein.

Gibt der Bundesrat Fehler zu?

Laut Wirtschaftsminister Parmelin gab es bis Ende Juli keine Anzeichen für eine Erhöhung der US-Zollsätze. Seine Gegenüber hätten die Absichtserklärung zwischen der Schweiz und den USA genehmigt. «Wir waren vielleicht zu zuversichtlich», räumte Parmelin ein.

Die Machtverhältnisse bei den Zollverhandlungen mit den USA seien klar, sagte Keller-Sutter. «Aber wir haben auch einige Trümpfe.» Die Schweiz biete Rechtssicherheit, agiere verlässlich und sei politisch stabil.

Welche Massnahmen sind geplant?

Auch nach den vorerst gescheiterten Zollverhandlungen strebt der Bundesrat ein «geregeltes Verhältnis» mit den USA an, wie Bundespräsidentin Keller-Sutter sagte – «aber nicht um jeden Preis».

Langfristiges Ziel sei es, die Zölle für Schweizer Exporte in die USA möglichst ganz abzuschaffen. Weil dies aber nicht absehbar ist, plant der Bundesrat mögliche Entlastungen für betroffene Unternehmen, um die Arbeitsplätze bei vorübergehenden und unvermeidbaren Arbeitsausfällen zu erhalten.

Was heisst das konkret?

Das bewährte Instrument der Kurzarbeitsentschädigungen soll ausgedehnt werden. Der Bundesrat unterstützt die von beiden zuständigen Parlamentskommissionen vorgeschlagene Verlängerung der Höchstbezugsdauer von heute 18 Monate auf 24 Monate. Zudem plant die Landesregierung administrative Erleichterungen für Unternehmen bei den Abwicklungen und Auszahlungen der Kurzarbeitsentschädigungen.

Uhrenindustrie
Für von den Zöllen betroffene Unternehmen ist Kurzarbeit möglich. - Keystone

Der Bundesrat will ausserdem bei anstehenden Vorlagen und bestehenden Regulierungen «seinen Handlungsspielraum konsequent nutzen, um die Unternehmen zu entlasten», hiess es.

Welche Massnahmen sind geplant?

Nicht infrage kommen für den Bundesrat derzeit Gegenzölle. Die Landesregierung sei nach wie vor der Ansicht, dass ein Handelskonflikt nicht im Interesse der Schweiz liege, hiess es in einer Mitteilung.

Gegenzölle würden zu Mehrkosten für die Schweizer Wirtschaft führen, insbesondere durch eine Verteuerung von Importen aus den USA, lautet die Argumentation. Den Kauf von neuen F-35-Kampfjets des US-Herstellers Lockheed Martin stellt der Bundesrat weiterhin nicht infrage.

Wie geht es weiter?

Der Bundesrat hofft, dass es so rasch wie möglich doch noch zu einem Deal mit der Administration Trump kommt. Zu diesem Zweck setzt er die Gespräche mit den US-amerikanischen Behörden fort.

donald Trump
Der Bundesrat hofft weiter auf einen Deal mit Donald Trump. - keystone

Ziel ist eine Senkung des Zollsatzes – auf wie viel Prozent, lässt die Landesregierung offen. Bundespräsidentin Keller-Sutter plädiert dafür, in den weiteren Verhandlungen mit den USA die Schweizer Werte zu verteidigen. «Wir können den USA nicht Sachen versprechen, die wir nicht einhalten.»

Wie geht der Bundesrat vor?

Derzeit sind Schweizer Chefunterhändler mit den US-amerikanischen Behörden und den betroffenen Wirtschaftsbranchen in Kontakt. Eine Delegation ist in der US-Hauptstadt Washington, um dort für die «verbesserte Offerte» der Schweiz zu werben. Konkrete Angaben zum Angebot macht der Bundesrat nicht. Der Ausgang ist offen.

Selbst wenn es zum Durchbruch komme, sei der Deal mit Trump nicht garantiert, so Keller-Sutter. «Er behält sich am Schluss immer vor, das selbst zu entscheiden.» Und selbst wenn eine Lösung gefunden würde, wisse niemand, wie lange diese standhalte.

Hat der Bundesrat einen Plan B?

Längerfristig soll die Schweizer Wirtschaft weniger von den USA abhängig sein. Er werde sich weiterhin für eine Diversifizierung der Handelsbeziehungen mit möglichst vielen internationalen Partnern einsetzen, schrieb der Bundesrat.

Wer viel investiere und trotzdem mit hohen Zöllen abgestraft werde, müsse sich fragen, ob es das wert sei, sagte Keller-Sutter zur derzeitigen Situation. «Es ist offensichtlich, dass die USA den Handlungsdruck nun massiv erhöhen und den Preis nach oben treiben wollen.»

Was fordern die Parteien?

Konsens herrscht darüber, dass der Bundesrat mit der Trump-Administration weiter verhandeln soll. Die SVP kritisierte den Bundesrat für seine «vernachlässigte Wirtschaftspolitik» gegenüber den USA. Um Schaden abzuwenden, brauche es den Abschluss weiterer Freihandelsabkommen.

Laut der FDP soll die Schweiz neue Absatzmärkte erschliessen und Freihandelsabkommen abschliessen. Zudem solle die OECD-Mindeststeuer ausgesetzt werden. Das fordert auch die Mitte-Partei. Auch eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation WTO listet sie auf.

Die Grünen fordern den Bundesrat auf, verstärkt auf Europa zu setzen. Auch für die GLP ist ein Ja zu den EU-Verträgen ein Muss. Die Schweiz brauche mehr denn je geregelte Beziehungen zu ihrem wichtigsten Handelspartner.

Was fordern die Wirtschaftsverbände?

Economiesuisse, der Dachverband der Schweizer Wirtschaft, drängt insbesondere auf das Inkrafttreten neuer Freihandelsabkommen sowie eine Aktualisierung bestehender Verträge mit China und Mexiko.

Auch der Verband der Schweizer Tech-Industrie, Swissmem, fordert dringende Massnahmen zur Stärkung der Exportwirtschaft, darunter die Verlängerung der Kurzarbeit, tiefere Strompreise, ein Festhalten am Stromabkommen mit der EU sowie den zügigen Abschluss neuer Freihandelsverträge.

Der Schweizerische Gewerbeverband plädiert für «ein umfassendes Revitalisierungspaket für KMU», unter anderem über eine Verschlankung der staatlichen Verwaltung. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) fordert zudem ein Treffen der Sozialpartner mit dem Bund. Bei diesem sollen Massnahmen entwickelt werden, wie die Zukunft der Industriearbeitsplätze gesichert werden könnte.

Kommentare

User #3456 (nicht angemeldet)

JC liebt DT wie seinen Bruder. Amen.

User #3108 (nicht angemeldet)

Die EU ist noch lange nicht über dem Berg! Soll mir mal einer sagen woher die EU die 750 Milliarden für Oel und Gas die nächsten 3 Jahre und die 600 Milliarden zur FREIEN VERFÜGUNG der USA hernimmt?

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