Die Schweizer Rüstungsexporte im ersten Halbjahr 2022 deuten auf ein Rekordergebnis hin. Der grösste Posten: Flugabwehrkanonen für die Fussball-WM in Katar.
Lusail Stadion WM Katar
Bauarbeiter gehen zum im Bau befindlichen «Lusail Iconic Stadium» in Katar, am 20. Dezember 2019. Tausende Gastarbeiter sollen in den letzten 10 Jahren gestorben sein. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Schweizer Kriegsmaterialexporte sind im ersten Halbjahr 2022 auf Rekordkurs.
  • Massgeblich dazu beigetragen hat auch der Schutz der Fussball-WM in Katar.
  • Flugabwehrkanonen aus der Schweiz sollen rund um die Stadien für Sicherheit sorgen.

Die Kriegsmaterialexporte aus der neutralen Schweiz stehen immer wieder im Fokus. Einerseits in Volksinitiativen wie der «Korrektur-Initiatve», die den Export in Länder mit Menschenrechtsverletzungen verbieten wollte. Andererseits auch im Kontext des Ukraine-Kriegs, weil Käufer ihre in der Schweiz erworbenen Waffensysteme nicht in Kriegsgebiete weitergeben dürfen.

Kanonen für die Fussball-WM

Nun zeigen die neusten Zahlen des Seco: Die oft jammernde Schweizer Rüstungsindustrie steuert 2022 wohl auf ein Rekordjahr zu. Für 516 Millionen Franken wurden bereits Waffen exportiert. Das ist mehr als in den meisten Jahren seit 1983 sonst in einem ganzen Jahr eingenommen wird.

Skyshield Flugabwehrsystem Flugabwehrkanonen
Das Flugabwehrsystem «Skyshield» von Rheinmetall Air Defence AG (ehemals Oerlikon Contraves). - rheinmetall-defence.com

«Mitschuldig» daran sind zwei Faktoren, die eigentlich nichts mit Schweizer Kriegsmaterialexporten zu tun haben dürften: Die Fussball-WM und Katar, ein Land mit «systematischen und schwerwiegenden» Menschenrechtsverletzungen (Zitat Aussenminister Ignazio Cassis).

Denn mit 117,5 Millionen Franken machen Kriegsmaterialexporte nach Katar heuer den grössten Posten aus. Dabei handle es sich hauptsächlich um Flugabwehrsysteme zum Schutz der WM-Stadien, teilt das für Exportbewilligungen zuständige Seco mit.

Bei Jahresmitte auf Rekordkurs

Zwar schwanken die Zahlen bei den Kriegsmaterialexporten jeweils stark: Ein, zwei Grossaufträge können Jahresergebnisse der Rüstungsindustrie emporschnellen – und dann auch wieder zurücksinken – lassen. «Somit können wir aus den Halbjahreszahlen keine Tendenz für das gesamte Jahr ableiten», erklärt Seco-Sprecher Fabian Maienfisch. Katar ist bestes Beispiel dafür: Üblicherweise sind Deutschland oder Dänemark unter den Top-Bestellern, Katar dagegen unter «ferner liefen».

Kriegsmaterialexporte Schweiz 1983 2022
Kriegsmaterialexporte der Schweiz von 1983 bis zum noch unvollständigen Jahr 2022. - Nau.ch / Seco

Nichtsdestotrotz ist es nicht abwegig zu vermuten, dass Ende Jahr das bisherige Rekordjahr 2020 (rund 900 Millionen Franken) übertroffen wird. Denn Katar hat eigentlich für rund 200 Millionen Schweizer Waffen bestellt. Das erste Semester war bereits das zweit-lukrativste aller Zeiten, viel braucht es also nicht mehr.

Flugabwehrkanonen für Katar wären verboten

Kaum Auswirkungen haben auf die Export-Bilanz dürfte hingegen der Ukraine-Krieg. Zwar rechnen sowohl der Hersteller der Flugabwehrkanonen, Rheinmetall, aber auch die Ruag, mit mehr Aufträgen zum Beispiel von Nato-Staaten. Doch diese werden sich wohl erst in den Folgejahren in der Statistik niederschlagen. Gleiches gelte für allfällige Zurückhaltung bei Bestellungen, weil Schweizer Waffen nicht an die Ukraine weitergegeben werden dürfen, bestätigt Seco-Sprecher Maienfisch.

Lusail Stadion WM Katar
Das «Lusail Iconic Stadium», wo am 18. Dezember 2022 der WM-Final ausgetragen werden soll, von der Unterkunft der Schweizer Nati im Hotel «Le Royal Meridien» her gesehen, Anfang April in Doha, Katar. - Keystone

Genauso wie der Auftrag aus Katar schon bewilligt wurde, bevor das Parlament das Kriegsmaterialgesetz doch noch geändert hat. Damals durfte noch in Staaten exportiert werden, die die Menschenrechte verletzten. Einfach, solange diese Waffen nicht direkt für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden.

Seit Jahresbeginn ist die Gesetzesänderung aber in Kraft. Diese geht sogar noch weiter, als dies die «Korrektur-Initiative» gefordert hatte. Entsprechend zogen die Initianten ihr Volksbegehren letzten Herbst zurück.

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