Schweiz hätte als EU-Mitglied wohl auch 15 Prozent, aber ...
Ein Journalist des deutschen «Spiegel» sieht die Schweizer Bündnispolitik angesichts des Zollstreits mit den USA als gescheitert. Ökonomen ordnen ein.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Zollstreit zeige die Verletzlichkeit der Schweiz, sagt ein «Spiegel»-Journalist.
- Der Eidgenossenschaft sei ein Kleinstaat ohne Bündnis im Rücken.
- Ökonomen ordnen ein, ob die Schweiz als EU-Mitglied tatsächlich besser dastehen würde.
Die Schweiz steht bei den von Donald Trump verhängten Zöllen schlechter da als die EU. Statt nur 15 Prozent erhielt man 39 Prozent aufgebrummt. Auch für EWR-Staaten, die nicht EU-Mitglied sind, wie beispielsweise Liechtenstein gelten die 15 Prozent.
Mathieu von Rohr, Leiter des Auslandsressorts des deutschen Magazins «Spiegel», betrachtet die Schweizer Bündnispolitik als gescheitert. In einer Welt, in der wieder das Recht des Stärkeren gelte, sei man als Kleinstaat verletzlich.
«Der Platz der Schweiz ist in Europa», schliesst von Rohr seinen Text ab.

Die Beziehung zur EU ist in der Schweiz derzeit ein umstrittenes Thema. Unter anderem steht die Abstimmung zu den neuen EU-Verträgen an.
Schweizer Ökonomen zweifeln jedoch daran, ob wir als EU-Mitglied tatsächlich besser dastehen würden.
«Werbeartikel für ein Abkommen mit der EU»
«Mathieu von Rohr hat einen Werbeartikel für ein Abkommen mit der EU geschrieben», sagt Mathias Binswanger von der FHNW. Von Rohrs Fazit sei, dass man «mit weniger Souveränität und mehr Abhängigkeit von starken Bündnispartnern» besser fahre.
«Damit stellt er das Erfolgsmodell Schweiz infrage», so der Experte weiter. Diese sei immer ein verletzlicher, aber erfolgreicher Kleinstaat gewesen. «Aber das ist besser als ein gegängeltes Mitglied einer mässig erfolgreichen Gemeinschaft wie der EU zu sein.»
Dass die Schweiz ohne Bündnis dastehe, sei im Zollstreit zwar schon ein Faktor. «Trump kann anhand der Schweiz gefahrlos ein Exempel statuieren, ohne dass er irgendwelche Gegenmassnahmen befürchten muss.» Langfristig geht Binswanger aber nicht davon aus, dass es bei den 39 Prozent bleiben wird.
«In einer Welt, wo Verträge nicht lange gelten, muss die Schweiz nach allen Seiten offen bleiben», sagt Reto Föllmi von der Universität St. Gallen. Wenn man sich an eine Partei kette, riskiere man, aufs falsche Pferd zu setzen. Konkret habe Trump der EU ja auch bereits höhere Zölle angedroht.
Laut Föllmi sei die Schweiz gar nicht so schlecht aufgestellt aktuell. «Wir haben eine gut diversifizierte Industrie mit vielen Top-Produkten und gut ausgebildete Arbeitskräfte.» Man sei agil und setze nicht alles auf eine Karte – das mache die Schweiz weniger erpressbar.
EU-Mitgliedschaft hätte wohl 15-Prozent-Zölle gebracht, aber ...
Rein von den Prozentsätzen her würde die Schweiz wahrscheinlich als Teil der EU derzeit schon besser dastehen. Sowohl Binswanger als auch Föllmi gehen davon aus, dass für die Schweiz ebenfalls diese 15 Prozent gelten würden.

«Die Frage ist aber, was diese 15 Prozent Wert sind», gibt Binswanger zu bedenken. Auch den Zolldeal mit der EU habe Trump immer wieder infrage gestellt. «Sollen wir uns also in die Arme der EU werfen, um eventuell etwas schneller geringere Zölle mit den USA zu erhalten?»
Föllmi betont derweil nochmals, dass die Zölle für die EU nicht in Stein gemeisselt seien. Auch im Falle Brüssels könnte es sich Donald Trump dereinst anders überlegen.
«Gute Erfahrungen» mit den Bilateralen
Wenn man in die Zukunft blickt, ist die Beziehung zur EU natürlich weiterhin wichtig. «Die EU ist unser Haupthandelspartner und wird es nur schon geografisch weiterhin bleiben», sagt Föllmi.
«Eine gute Handelsbeziehung mit der EU ist daher wichtig. Die Schweiz hat mit den bilateralen Verträgen, die den Austausch bei einzelnen Sektoren regeln, gute Erfahrungen gemacht.»

Es lohne sich nicht, jetzt die ganze aussenwirtschaftliche Strategie auf den Kopf zu stellen. Beispielsweise sei es auch nicht sicher, dass man den EU-Zollsatz erhalten hätte, wenn man im EWR wäre. Liechtenstein hat als EWR-Mitglied, das nicht in der EU ist, zwar die 15 Prozent erhalten.
Föllmis These: «Die Ausnahme für Liechtenstein, das mit der Schweiz in einer Zollunion ist, mag wohl auch der Kleinheit des Landes geschuldet sein.»
EWR-Beitritt als Lösung im Zollstreit? «Ich vermute nicht»
Auch Binswanger hält einen EWR-Beitritt im Zollstreit nicht für entscheidend. «Für Liechtenstein als superkleines Land trifft das sicher zu. Die Frage ist aber, ob der EWR die Schweiz vor höheren Zöllen mit den USA schützen würde? Ich vermute nicht.»

Trump schaue nur aufs Handelsdefizit, sagt Binswanger. «Da könnte die Schweiz auch als EWR-Mitglied nicht mit besseren Bedingungen rechnen.»
Deshalb ist für den Experten klar: «Mit den bilateralen Abkommen hat die Schweiz mehr Flexibilität bei Verhandlungen mit der EU als mit einer umfassenden Integration, wie sie innerhalb des EWR besteht.»