Die SVP will Ausländer konsequenter ausschaffen. Ein Rechtsprofessor erklärt, was es dazu braucht und weshalb die Justiz nicht unter Druck gebracht werden darf.
Ausschaffung Ausländer SVP
Mit der Annahme der Ausschaffungsinitiative vor zehn Jahren hat die SVP einen ihrer grössten Siege feiern können. - Keystone
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Die SVP ist über die Ausschaffungsquote krimineller Ausländer entsetzt.
  • Die Justiz könne dafür nicht verantwortlich gemacht werden, mahnt ein Rechtsprofessor.
  • Wenn mehr Ausländer ausgeschafft werden sollen, brauche es eine neue Volksinitiative.

Die SVP tobt. Trotz Ausschaffungsinitiative dürfen vier von zehn kriminellen Ausländern in der Schweiz bleiben. Damit werde der Volkswille nicht mal ansatzweise umgesetzt, kritisierte Fraktionschef Thomas Aeschi am Mittwoch an einer Pressekonferenz.

Die Bevölkerung sei «pfefferscharf» angelogen worden, ärgerte sich alt Nationalrat Adrian Amstutz im Nau.ch-Interview. Staatsanwälte und Richter hätten die Härtefallklausel zur «Täterschutzklausel» gemacht. Diese soll nun abgeschafft werden, fordert die SVP.

SVP Kriminelle Ausländer
Die SVP, auf dem Bild Thomas Aeschi und Adrian Amstutz, will kriminelle Ausländer konsequenter ausschaffen. - Keystone

Doch so einfach dürfte das gar nicht sein. Laut Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel, ist dazu eine neue Volksinitiative notwendig. Im Interview spricht er über die Härtefallklausel, falsche Versprechungen und die Pflichten des Bundes.

Nau.ch: Herr Schefer, die SVP ist empört über die tiefe Ausschaffungsquote krimineller Ausländer in der Schweiz. Der Volkswille sei nicht mehr gewährleistet. Wie schätzen Sie diese Zahlen ein?

Markus Schefer: Zuerst einmal ist es wichtig, dass wir die verschiedenen Delikte differenzieren. Nicht jeder kriminelle Ausländer ist gleich ein Schwerverbrecher. Es ist doch ein grosser Unterschied, ob jemand zu schnell mit dem Auto gefahren ist oder ob ein Mord begangen wurde.

Markus Schefer
Markus Schefer ist Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel. - zvg

Nau.ch: Also wird die Härtefallklausel aus Ihrer Sicht nicht zu häufig angewendet?

Markus Schefer: Die Härtefallklausel kommt bei den besonderen Delikten, die zu einer Ausschaffung führen, immer zur Anwendung! In jedem einzelnen Fall muss nämlich abgewogen werden, ob eine Ausschaffung eines Ausländers tatsächlich Sinn macht. Die Beurteilung und Umsetzung der Verhältnismässigkeit ist dann Sache der Justiz und nicht des Gesetzgebers.

Nau.ch: Die Politik sollte sich also gar nicht in die Diskussion einmischen?

Markus Schefer: Die Einzelfallanwendung ist tatsächlich nicht Sache des Gesetzgebers. Es wäre falsch, nun Druck auf die Justiz auszuüben, damit künftig mehr Ausländer ausgeschafft werden. Wenn jemand mit dem Schlussergebnis nicht zufrieden ist, muss das Gesetz angepasst werden.

Gesetzgebung
Die Gesetzgebung habe sich nicht in die Umsetzung der Härtefallklausel einzumischen, findet Markus Schefer. - sda - KEYSTONE/URS FLUEELER

Nau.ch: Also wäre eine neue Volksinitiative der richtige Weg?

Markus Schefer: Genau. Die Politik kann die Härtefallklausel durchaus in Frage stellen und über deren Abschaffung debattieren. Die Umsetzung des Gesetzes ist und bleibt hingegen Sache der Justiz.

Nau.ch: War eine «pfefferscharfe Umsetzung», die bekanntlich von Politikern versprochen wurde, überhaupt realistisch?

Markus Schefer: Nein, da wurden falsche Versprechungen gemacht. Mit der Härtefallklausel war immer klar, dass Rücksicht auf besondere Situationen genommen wird und nicht jeder kriminelle Ausländer ausgeschafft wird.

Bundesamt für Statistik
Das Bundesamt für Statistik gibt noch immer keine Angaben zu den tatsächlichen Ausschaffungen krimineller Ausländer bekannt. - Keystone

Nau.ch: Sehen Sie den Bund in der Pflicht, die Bevölkerung über die Zahl der tatsächlichen Ausschaffungen aufzuklären? Bisher gibt es darüber keine Auskunft.

Markus Schefer: Wenn ein Bedürfnis zu detaillierten Angaben besteht, sollten diese auch bekannt gegeben werden. Allerdings wäre es mindestens so wichtig, die unterschiedlichen Straftaten aufzuführen und zu differenzieren.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Thomas AeschiAdrian AmstutzNationalratMordGesetzSVPVolksinitiative