Politiker klagen: Bundesrat lässt Kleingewerbe im Stich
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat hat Pandemie-Massnahmen gelockert und gleichzeitig Soforthilfe gestrichen.
- Für Selbständige und Kleinbetriebe sei dies fatal, klagen Parlamentarier.
- Der Bundesrat will einen Entscheid erst im September ermöglichen.
Keine Aufträge, aber auch keine Kurzarbeit mehr: Für viele Kleinbetriebe und Selbständige war der Bundesrat zu schnell. Die Corona-Massnahmen wurden zwar gelockert, aber «richtig» arbeiten kann man trotzdem nicht. Zum Beispiel im Event-Bereich, wo Veranstaltungen längst auf Monate hinaus abgesagt wurden. Hilfe tut Not, doch der vertröstet auf den Herbst – zum Ärger des Parlaments, das gerne entscheiden würde.
«Bundesrat macht Arbeitsverweigerung»
Gerade die Veranstaltungs- und Kulturbranche sei hart getroffen, weiss SP-Nationalrätin Mattea Meyer. «Sommerfestivals sind abgesagt, Firmen verzichten auf Sommerausflüge, Hochzeiten wurden aufs nächste Jahr verschoben. Die Aufhebung der Soforthilfe auf Ende Mai 2020 ist ein harter Schlag ins Gesicht für die Betroffenen.» Für die Grünliberale Melanie Mettler ist klar, wo es hapert: «Ich hätte mir gewünscht, dass das Seco selbst auf die Idee kommt, dass man diese Instrumente weiterführen sollte.»
Der Bundesrat beharre auf starre Fristen, sagt FDP-Nationalrat Marcel Dobler zu Nau.ch. Fristen, die nota bene vom Parlament wegen der kurzfristigen Entscheide gar nicht eingehalten werden konnten. Das sei definitiv das falsche Signal an die Direktbetroffenen, so Dobler. «Für mich entsteht der Eindruck, dass der Bundesrat kein Interesse an einer Priorisierung hatte.»
Deutlicher wird Meyer: «Politik für das lokale Gewerbe ist nicht nur etwas für Sonntagspredigten, sondern zeigt sich in konkreten Taten in der Krise. Der Bundesrat macht Arbeitsverweigerung und lässt das Kleingewerbe im Stich!»
Tourneen längst abgesagt
Mettler, die auch Co-Präsidentin des Berner Kulturzentrums Dampfzentrale ist, verdeutlicht, wie kurzsichtig die Politik in diesem Fall agierte. «Die Dampfzentrale arbeitet aktiv mit Produktionen zusammen. Diese konnten gar nicht vorbereitet werden, ergo gibt es einen neuen Zeitplan auch für drei verpasste lokale Premieren.»
Auch in der Sparte Musik hiess es «einmal aussetzen und zurück zum Start». «Viele Bands haben ihre Tour abgesagt», betont Mettler. «Das Musikprogramm muss nun unter Erschwerten Bedingungen in gewohnter Qualität neu zusammengestellt werden.» Ob das fruchte, sei unmögliich vorausszusagen. Immerhin: «Die für alle neue Situation gibt aber auch Raum für Kreatives. Gerade die Dampfzentrale als progressives Kulturzentrum kann neue Konzepte entwickeln.»
Was weiss der Bundesrat?
Für Dobler ist klar: «Es wäre sicher richtig gewesen, noch in dieser Session darüber abzustimmen.» Auch mit dem Vorbehalt, den die Präsidentin der nationalrätlichen Sozialkommission, CVPlerin Ruth Humbel einbringt: Die Chancen waren gering. «Nachdem die ständerätliche Kommission gleichlautende Motionen abgelehnt hat, hat der Bundesrat entschieden, dass es für diese Session nicht mehr reicht.»
Insofern hat Humbel Verständnis für den Bundesrat. Mit dem Nein aus dem Ständerat wäre es so oder so wohl Herbst geworden bis zu einem definitiven Entscheid. Verständnis zeigt aber auch Dobler: «Vielleicht weiss der Bundesrat ja mehr oder hat schon einen Entscheid getroffen. Wenn in ein-zwei Wochen alles wieder aufgeht, macht es keinen Sinn, jetzt die ganzen Prozesse hochzufahren.»