Online-Riese Temu musste beim Seco antraben wegen «Fake-Rabatten»
Das Wichtigste in Kürze
- Die chinesische Online-Plattform Temu wirbt mit unglaublichen Rabatten.
- Schweizer Unternehmen haben Beschwerden wegen unlauteren Wettbewerbs eingereicht.
- Nun mussten Temu-Vertreter beim Bund vorsprechen – die rechtliche Lage ist aber knifflig.
Das gab es noch nie: Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) lässt ein ausländisches Unternehmen antraben. Vertreter des chinesischen Online-Giganten Temu wurden nach Bern vorgeladen. Der Schritt erfolgte aufgrund von Beschwerden durch Schweizer Unternehmen wegen unlauteren Wettbewerbs und stellt in dieser Konstellation eine Premiere dar.
Temu: Vorwurf von Fake-Rabatten und irreführenden Aussagen
Die Vertreter von Temu, dessen Sitz sich in Irland befindet, wurden Anfang September ins Seco-Büro im Berner Weissenbühl-Quartier gebeten. Eine Sprecherin bestätigte dies auf Nachfrage gegenüber «CH Media».
«Das Seco hat während des Treffens die Vorgaben des Lauterkeitsrechts erläutert», so die Sprecherin. Sie fügte hinzu, dass man hoffe, «dass bei Rabattangeboten auf der Onlineplattform Temu tatsächliche Referenzpreise angegeben werden». Es sind genau diese vermeintlichen Fake-Rabatte und irreführende Aussagen wie «nur noch 5 Stück übrig!», welche von Schweizer Händlern kritisiert werden.
Klagen gegen unlauteren Wettbewerb
In den letzten Monaten haben verschiedene Verbände Klage gegen die Plattform eingereicht. Dies ist gemäss dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb möglich. Dafür zuständig ist das Seco.
Dagmar Jenni vom Verband Swiss Retail Federation erklärte ihre Klage wie folgt: «Es kann nicht sein, dass die Schweiz zusieht, wie solche Plattformen sich sozusagen im rechtsfreien Raum breitmachen, ohne sich an lokale Regeln zu halten.» Sie betonte, dass dies ein verheerendes Signal und eine völlig falsche Botschaft an andere Wettbewerber sende.
Hast du schonmal auf Temu eingekauft?
Die Untersuchung der Vorwürfe gegen Temu durch das Seco wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Vorladung der Temu-Vertreter war gemäss der Seco-Sprecherin nur der erste Schritt. «Wir warten zurzeit auf die Rückmeldung der Vertreter, welche bei ihrer Hierarchie in China Instruktionen erhalten und wieder auf uns zukommen werden».
Rechtliches Vorgehen unklar – aber Temu nimmt's ernst
Der Bund steht vor einer grossen Herausforderung bei dieser Klage. Theoretisch hat er das Recht, bei unlauterem Wettbewerb eine Zivilklage vor einem kantonalen Gericht einzureichen. Die andere Variante wäre, einen Strafantrag bei einer Staatsanwaltschaft zu stellen.
Allerdings ist unklar, wo genau diese rechtlichen Schritte eingeleitet werden sollten. Sollte dies in Basel geschehen, wo Temu eine Inkassogesellschaft namens Whaleco Switzerland AG gegründet hat? Oder sollte das Seco international aktiv werden und gegen Temu in Dublin vorgehen?
Dass Temu nun Vertreter nach Bern geschickt hat, zeigt deutlich: Die Anschuldigungen und die daraus resultierenden negativen Schlagzeilen lassen den Milliardenkonzern nicht unberührt. Er muss sich nun definitiv mit der Kritik aus der Schweiz auseinandersetzen.
Politische Reaktionen
Die Tatsache, dass ausländische Plattformen teilweise im rechtsfreien Raum operieren, hat die Politik alarmiert. Die Konsumentenschützerin und Nationalrätin Sophie Michaud Gigon (GPS/VD) hat dazu eine Motion eingereicht. Sie möchte Temu und ähnliche Unternehmen dazu verpflichten, eine Rechtsvertretung in der Schweiz einzurichten.
In seiner Antwort betont der Bundesrat, dass das Datenschutzgesetz ausländische Firmen verpflichte, in der Schweiz eine Anlaufstelle zu betreiben. Zudem arbeitet Albert Röstis Departement an einer Regulierung grosser Kommunikationsplattformen wie Meta.
Es ist jedoch unklar, ob die Einführung einer Pflicht zur Bestimmung eines Rechtsvertreters in der Schweiz tatsächlich durchsetzbar wäre. Eine «vertiefte Analyse» sei nun erforderlich, so der Bundesrat. Es ist davon auszugehen, dass Vertreter von Temu erneut nach Bern vorgeladen werden.