Der Nationalrat will über eine Ausbildungsoffensive und mehr Kompetenzen für Pflegefachleute diskutieren. Er ist am Dienstag auf ein Gesetzesprojekt seiner Gesundheitskommission (SGK) eingetreten, gegen den Willen der SVP.
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Bundesrat Alain Berset empfahl im Nationalrat ein Nein zur Pflegeinitiative, wollte aber über den Gegenvorschlag diskutieren. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/ANTHONY ANEX
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Rat will über die Gesetzgebung mehr Pflegefachleute ausbilden und im Beruf halten.

Mit 142 zu 50 Stimmen bei vier Enthaltungen trat er auf den von der Gesundheitskommission ausgearbeiteten Entwurf für ein Gesetz über die Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege ein.

Dieses ist ein indirekter Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative des Berufsverbands der Pflegefachfrauen und -männer. Die bürgerliche Mehrheit im Rat lehnt die Initiative trotz Sympathien ab, die Linke unterstützt sie.

Der Gegenvorschlag enthält zum einen erhöhte Kompetenzen für Pflegepersonal. Pflegefachleute sollen neu auf Grund einer Vereinbarung mit den Versicherern auch Leistungen abrechnen können, wenn kein Arzt oder keine Ärztin diese anordnet. Welche Leistungen das sind, muss der Bundesrat festlegen. Der Vorschlag ist umstritten.

Zweiter Teil der Vorlage ist eine Ausbildungsoffensive. Kantone sollen Spitälern, Pflegeheimen und Spitex-Organisationen verbindliche Vorgaben machen zur Zahl der Ausbildungsplätze. Im Gegenzug sollen Bund und Kantone sich an Kosten der Schulen und Ausbildungslöhnen beteiligen.

Die Kommission beantragt für die Ausbildungsoffensive einen Verpflichtungskredit von maximal 469 Millionen Franken für die nächsten acht Jahre. Die Höhe dieses Betrages ist allerdings umstritten.

Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) plädierte für den indirekten Gegenvorschlag als Weg, das Anliegen der Initiative umzusetzen und die Initianten dazu zu bringen, ihr Begehren zurückzuziehen.

Auch für Beat Flach (GLP/AG) ist der Gegenvorschlag der Weg, um innerhalb der kurzen Zeit, die noch verfügbar sei, etwas zu erwirken. «Ich möchte einmal nicht von einem japanisch sprechenden kleinen Roboter gepflegt werden, sondern von einem Menschen.»

Der Gegenvorschlag genüge nicht, es brauche die Initiative, hielt Irène Kälin (Grüne/AG) dagegen. Sie argumentierte mit dem Personalnotstand und der Zeitnot der Pflegenden, die ihre Arbeit unter unwürdigen Umständen tun müssten. Dies treffe heute den Grossvater oder eine Tante, aber «irgendwann einmal auch uns selber».

«Offensichtlich stimmt das Jobangebot nicht», konstatierte Claudia Friedl (SP/SG). Der Pflegeberuf sei mit tiefen Löhnen, schlechten Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten, die sich mit dem Familienleben schlecht vereinbaren liessen, einfach nicht attraktiv. «Oft unmenschlich» nannte Fabian Molina (SP/ZH) die Arbeitsbedingungen.

Aus der Pflege liefen viele Berufsleute davon, stellte Stefan Müller-Altermatt (CVP/SO) fest. Vielleicht noch wichtiger als der Lohn sei, dass Ruhezeiten nicht eingehalten und Überzeit nicht abgebaut werden könnten. «Je weniger Personal man hat, desto mehr verschärft sich das Problem.» Aber die Verfassung sei der falsche Ort um zu legiferieren.

Monika Rüegger (SVP/OW) fehlten in der Initiative und auch im Gegenvorschlag alltagstaugliche Vorschläge. Nötig sei nicht die geforderte Akademisierung, sondern Wege für Wieder- und Quereinsteigerinnen und -einsteiger zum Pflegeberuf. Therese Schläpfer (SVP/ZH) warnte vor Kosten zu Lasten der Prämienzahler.

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