Mit Reform will Bundesrat mehr Gesundheitsdossiers digitalisieren
Bund plant E-Gesundheitsdossier: Jede Person soll automatisch eine digitale Gesundheitsakte erhalten, Zugriff bleibt freiwillig und selbstbestimmt.

Nur rund 125'000 Personen in der Schweiz haben aktuell ein elektronisches Patientendossier. Mit einem neuen Gesetz will der Bundesrat die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben. Wichtige Fragen und Antworten zur Reform in der Übersicht:
WESHALB BRAUCHT ES ELEKTRONISCHE DOSSIERS?
Mit digitalen Gesundheitsdaten sollen nach den Plänen des Bundes die Qualität der medizinischen Behandlung gestärkt, die Behandlungsprozesse verbessert, die Patientensicherheit erhöht, die Effizienz des Gesundheitssystems gesteigert und die Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten gefördert werden. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hatte gezeigt, dass zu viel im Gesundheitswesen noch analog erledigt wird. Nicht nur arbeiten etliche Arztpraxen noch mit Papier, sondern es sind obendrein unterschiedliche Systeme im Einsatz.
WAS GESCHAH BISHER?
Seit mehreren Jahren können Bürgerinnen und Bürger ein elektronisches Patientendossier eröffnen. Bisher machten nur wenige davon Gebrauch – nur rund 125'000 Personen haben aktuell ein digitales Dossier, was weit unter den Erwartungen liegt. Auch sind heute nicht alle Gesundheitseinrichtungen am System angeschlossen, weshalb der Nutzen überschaubar ist. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) kritisierte jüngst das Projekt. Die technische Umsetzung sei mangelhaft. «Die heutige Situation ist sehr unbefriedigend und für den Bundesrat nicht akzeptabel», sagte Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider am Mittwoch in Bern vor den Medien. Weiter zu machen wie bisher, sei keine Option. «Es braucht einen Paradigmenwechsel.»
WAS IST GEPLANT?
Die Reform geht weit über eine Namensänderung – aus dem elektronischen Patientendossier (EPD) wird das elektronische Gesundheitsdossier (E-GD) – hinaus. Deshalb soll künftig jede in der Schweiz wohnhafte Person automatisch und kostenlos eine elektronische Gesundheitsakte erhalten. Damit soll der heute aufwendige Eröffnungsprozess passé sein. Wer kein E-Dossier will, kann der Eröffnung widersprechen oder die Daten jederzeit löschen lassen. Auch über die Zugriffsrechte sollen alle selbst entscheiden können. Das Modell orientiert sich an Ländern wie Österreich. Dort legen laut Angaben des Bundes nur etwa drei Prozent der Bevölkerung Widerspruch ein.
WAS ÄNDERT SICH FÜR DIE LEISTUNGSERBRINGER?
Bereits heute sind Spitäler, Pflegeheime und neu zugelassene Praxen verpflichtet, sich dem elektronischen Patientendossier anzuschliessen. Künftig soll dies für alle medizinischen Einrichtungen – also beispielsweise Apotheken und Physiotherapiepraxen – gelten. Neu sollen auch sie verpflichtet werden, das E-GD zu nutzen und alle behandlungsrelevanten Gesundheitsdaten einzutragen. Halten sie sich nicht daran, drohen Bussen in Höhe von bis zu 100'000 Franken im Wiederholungsfall.
WIE SIND DIE ROLLEN VERTEILT?
Der Bund soll für eine einheitliche technische Lösung verantwortlich sein. Er trägt die Kosten für den Aufbau und die Weiterentwicklung der Infrastruktur. Baume-Schneider sprach von «mehreren Dutzend Millionen Franken». Der genaue Betrag könne erst genannt werden, wenn klar sei, wie die Vorlage konkret ausgestaltet werde. Die Kantone wiederum sollen den laufenden Betrieb finanzieren. Diese Kosten werden auf rund 37 Millionen Franken pro Jahr geschätzt. Unter dem Strich soll die Reform mehr nützen als kosten, indem der administrative Aufwand im Gesundheitswesen gesenkt werde. Bestehende IT-Systeme der Spitäler und Arztpraxen sollen über Schnittstellen nahtlos ans E-GD angeschlossen werden.
WANN SOLL DIE REFORM GREIFEN?
Die Vorlage geht nun ins Parlament. Die gesetzlichen Neuerungen sollen ab 2030 in Kraft treten. Wer vorher ein E-Dossier will, kann weiterhin eines eröffnen. Die Kampagne des Bundes, die Bevölkerung davon zu überzeugen, wird laut Baume-Schneider jedoch nicht weitergeführt. Es gilt das Credo: Wer sich die mühsame Eröffnung sparen will, wartet ab. Wer nicht warten möchte, verliert nichts. Die bereits eröffneten E-Dossiers werden nach Inkrafttreten der Reform auf das neue System migriert.
WIE SOLL DIE BEVÖLKERUNG ÜBERZEUGT WERDEN?
Das nur knappe Ja zur E-ID an der Urne zeigte, dass viele Menschen der Digitalisierung skeptisch entgegensehen. Laut Anne Lévy, Direktorin des Bundesamts für Gesundheit (BAG), hat die Datensicherheit deshalb oberste Priorität. Es gälten die «höchstmöglichen Anforderungen an den Datenschutz». Es müsse allen klargemacht werden, dass jeder und jede den Zugang zu den eigenen, teilweise sensiblen Gesundheitsdaten selber regeln könne. «Ich bestimme, welche Informationen darin abgelegt werden und wer Zugang bekommt», sagte sie. Zudem bleibe das elektronische Dossier freiwillig und kostenlos.
WIE SIND DIE ERSTEN REAKTIONEN DARAUF?
Laut dem Bundesrat stiess die Gesetzesreform in der Vernehmlassung auf breite Zustimmung. Jedoch kritisierte eine Mehrheit der Kantone und Parteien die bestehende dezentrale Struktur und wünschte sich eine stärkere Zentralisierung. Diesem Wunsch ist der Bundesrat in der Botschaft nachgekommen. Trotzdem bleiben Vorbehalte: Die Kantone forderten eine zentral durch den Bund gesteuerte und finanzierte Lösung. Dem wurde nicht entsprochen. Die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) wird die verabschiedete Gesetzesvorlage nun im Detail beurteilen und ihre Position danach in die Parlamentsdebatten einbringen, wie es hiess.










