Longchamp: Nein zur Abschaffung des Eigenmietwerts wird plausibel

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

In den letzten Umfragen gibt es Zustimmung zu den beiden Vorlagen vom 28. September. Die Trends zeichnen ein anderes Bild, sagt Politologe Claude Longchamp.

E-ID Eigenmietwert Claude Longchamp
Politologe Claude Longchamp analysiert die neusten Umfrage-Ergebnisse zur Abschaffung des Eigenmietwerts und der Einführung der E-ID. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In den Umfragen sagt das Stimmvolk weiterhin Ja zu Eigenmietwert-Abschaffung und E-ID.
  • Beim Eigenmietwert hat das Nein-Lager aber deutlich zugelegt.
  • Ein Nein am 28. September sei das plausibelste Szenario, sagt Politologe Claude Longchamp.

Die letzten Umfragen vor dem der Volksabstimmung vom 28. September zeigen alle in die gleiche Richtung. Bei der Abschaffung des Eigenmietwerts legt das Nein-Lager klar zu.

Bei SRG/GFS und Tamedia liegen die Befürworter der Abschaffung zwar immer noch vorne. Bei der YouGov-Umfrage ergibt sich aber gar eine 51-Prozent-Nein-Mehrheit.

Ruhiger zu und her geht es bei der E-ID: Hier zeichnet sich eine stabile Zustimmung ab. Von den grossen Parteien ist einzige die SVP-Anhängerschaft mehrheitlich ablehnend. Im Nau.ch-Interview analysiert Politologe Claude Longchamp die Umfrage-Ergebnisse und sagt, wie die wahrscheinlichen Szenarien in zehn Tagen aussehen.

Volksabstimmung
Am 28. September wird in der Schweiz über zwei Vorlagen abgestimmt. - keystone

Nau.ch: Beim Eigenmietwert hat das Contra-Lager stark aufgeholt. Nachdem bei der letzten Umfrage-Runde das Thema noch nicht so im Stimmvolk angekommen war: Liegt es an der gut erklärenden Kampagne oder gibt es mehr Nein-Stimmen, weil es nach wie vor zu kompliziert ist?

Longchamp: Richtig, die Meinungsbildung hat namentlich auf der Nein-Seite spät eingesetzt. Nun haben gemäss GFS Bern 73 Prozent aller Teilnahmewilligen eine feste Meinung, und der Trend geht klar Richtung Nein.

Den Hauptgrund orte ich in der neuen Rahmung der Vorlage. Am Anfang ging es einzig um die Steuer auf fiktivem Einkommen für Hausbesitzende. Nun dreht sich vieles auch um Steuerausfälle und die Folgen für Mietende.

Mit Folgen: Mietende wollen nun zu 62 Prozent die Vorlage ablehnen. Das sind satte 16 Prozentpunkt mehr als bei der ersten SRG-Umfrage. Und Mietende machen eine potenzielle Mehrheit aus.

Eigenmietwert Allianz
V.l.n.r.: SP-Co-Präsident Cédric Wermuth, Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone, Ständerat Pascal Broulis (FDP/VD), Christoph Schär, Co-Präsident Aeesuisse und Direktor Suissetec, Cristina Schaffner, Direktorin Bauenschweiz und Simon Banholzer, aeesuisse von der Allianz «NEIN zum Sanierungsstopp», die gegen die Abschaffung des Eigenmietwerts ist. - keystone

Nau.ch: Die Ja-Seite liegt nach wie vor vorne. Aber geht nun die Aufholjagd der Nein-Seite ungebremst weiter und überrollt die 50-Prozent-Marke locker bis zum Abstimmungssonntag am 28. September?

Longchamp: Das ist das plausibelste Szenario. Denn ein Trend von der ersten zur zweiten Welle setzt sich in aller Regel fort. Diesmal ist er zudem stark, alle drei Umfragen sagen hierzu das Gleiche.

Ganz sicher ist ein knappes Nein aber nicht, denn die Ja-Werte in den drei Umfragen sind noch unterschiedlich stark über 50 Prozent. Es kann auch ein knappes Volks-Ja geben. Dann entscheidet das Ständemehr. Dazu liegen noch keine gesicherten Auswertungen vor, diese sollen aber noch folgen.

Erinnert sei aber auch daran, dass es bei einem knappen Volks-Ja und auch das Stände-Ja braucht, damit die Vorlage angenommen ist.

«Arena»
Bundesrat Beat Jans betonte in der «Arena», dass eine E-ID freiwillig bleiben wird. - SRF/Screenshot

Nau.ch: Bei der E-ID scheinen die Kleingruppierungen, die das Referendum ergriffen haben, auf verlorenem Posten zu sein. Ausser bei der SVP: Spricht ausgerechnet die Basis der grössten Partei auf staatskritische Argumente am besten an? Oder verfangen die technischen Argumente besser?

Longchamp: Die Kampagne der Gegnerschaft baut ein tiefes Misstrauen gegen den Bundesrat auf. Bundesrat Jans wurde mit der «Arena» zur unbeliebtesten Figur des Nein-Lagers stilisiert.

Doch gibt es einen «Missing Link»: Ein eindeutiger Beleg für ein Hintertürchen beim Datenschutz blieb bis jetzt aus. Nur das hätte eine Ausdehnung der Nein-Stimmen ins politische Zentrum erlaubt.

Denn Regierungsmisstrauen ist nur bei der SVP/EDU-Wählerschaft eine tragfähige Basis für eine Kampagne. Bei FDP und Mitte kommt man damit nicht über Minderheiten hinaus. GFS analysiert, dass es darüber hinaus nur im nahe SVP-Umfeld mehr Nein-Stimmen gibt. Doch selbst auf dem Land beliebt es bisher bei einem knappen Ja.

E-ID-Referendum Mass-Voll Junge SVP
Personen der Bewegung Mass-Voll und anderer Gruppierungen reichten am 22. April 2025 über 15’000 Unterschriften für das E-ID-Referendum ein (links). Bereits am 17. April wurden über 40’000 U - keystone

Nau.ch: Weshalb sind die Frauen in der Tendenz eher gegen die E-ID als die Männer? Werden da Geschlechter-Klischees zementiert?

Longchamp: Technik-Affinität ist bei Männern höher und damit gewichten sie Einwände zur E-ID tiefer. Übertreiben sollte man den Unterschied aber nicht. Denn auch bei Frauen gibt es keine Mehrheit dagegen.

Die zentralen Konfliktlinien sind Regierungsvertrauen, Parteibindung und Schicht. Nur da gibt es an den Polen abweichende Mehrheiten vom Mainstream.

Kommentare

User #9930 (nicht angemeldet)

Es ging doch nicht um die Abschaffung des Eigenmietwerts sondern um die Besteuerung von Zweitliegenschaften. So zumindest der Titel in der Wegleitung. Das Stimmvolk wurde getäuscht.

User #5982 (nicht angemeldet)

Sollte der Eigenmietwert nicht abgeschafft werden, verpulfere ich solange ich noch kann mein Erspartes und wenn dann alles verbraucht ist, zahlt dann die Allgemeinheit das teure Heim, Krankenkasse etc.

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