POLITISCHE RECHTE: Der Nationalrat will 16-Jährigen weiterhin das aktive Stimm- und Wahlrecht geben. Er hat es am Mittwoch abgelehnt, eine entsprechende parlamentarische Initiative von Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne/BS) abzuschreiben. Die grosse Kammer fällte ihren Entscheid mit 99 zu 90 Stimmen bei drei Enthaltungen. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) wird nun einen Umsetzungsvorschlag erarbeiten. Bereits in der Herbstsession 2020 hatte der Nationalrat die parlamentarische Initiative ein erstes Mal gutgeheissen. In der Folge erklärte sich auch die Staatspolitische Kommission des Ständerats (SPK-S) einverstanden.
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Das Wichtigste in Kürze

  • UKRAINE: Der Krieg in der Ukraine ist weiterhin das Thema an der Frühjahrssession im Bundeshaus.

Während einer dringlichen Debatte haben die Fraktionen im Nationalrat skizziert, welche Lehren die Schweiz aus der Krise ziehen soll. So ging es unter anderem um eine Aufstockung der Mittel für die Armee, Änderungen bei der Sanktionspolitik und mehr Hilfe für Geflüchtete - Themen, die bereits in den vergangenen Tagen medial platziert worden waren. Der Bundesrat erhielt für die bisherige Krisenbewältigung mehrheitlich gute Noten. Zwar monierten einige, dass die Regierung zu Beginn des Krieges überrascht worden sei, zu zögerlich gehandelt und die EU-Sanktionen erst unter grossem Druck vollumfänglich übernommen habe. Insgesamt habe der Bundesrat aber angemessen reagiert.

STRAFRECHT: Der Nationalrat will die sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen im Internet und in sozialen Medien strafrechtlich anders erfassen. Insbesondere sollen solche Taten von Amts wegen verfolgt werden. Die grosse Kammer hat mit 93 zu 89 Stimmen bei drei Enthaltungen eine entsprechende Motion angenommen. Der Vorstoss geht an den Ständerat. Der Bundesrat sprach sich gegen die Motion aus. Das Sexualstrafrecht sei bereits in Überarbeitung, argumentierte er. Zudem werde es den Interessen der Opfer nicht unbedingt gerecht, wenn derartige Taten künftig Offizialdelikte seien.

AUSSENWIRTSCHAFT: Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat Kenntnis genommen vom Bericht des Bundesrats zur Aussenwirtschaftspolitik. Die Landesregierung sieht im Ende Januar verabschiedeten Papier die Ziele der Aussenwirtschaftspolitik für 2021 als weitgehend erreicht an. Als bedeutende Ausnahme nennt sie den Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU. Eine Minderheit im Nationalrat war der Auffassung, dass dieses Kapitel um einen Umsetzungs- und Verhandlungsplan für die Zukunftsfähigkeit des bilateralen Weges ergänzt werden sollte. Ein entsprechender Antrag wurde jedoch mit 101 zu 76 Stimmen bei drei Enthaltungen abgelehnt. Oppositionslos genehmigt hat das Parlament zusammen mit dem Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik eine Änderung im Handelsabkommen mit Grossbritannien sowie zolltarifarische Massnahmen.

MOBILFUNK: Das Bundesparlament ist gegen ein Moratorium hinsichtlich der 5G-Technologie in der Schweiz. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat drei entsprechende Standesinitiativen der Kantone Genf, Neuenburg und Jura abgelehnt. Oppositionslos folgte die grosse Kammer dem Antrag ihrer Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF-N). Der Ständerat hatte die Standesinitiativen schon in der Wintersession verworfen, sie sind damit vom Tisch. Genf, Neuenburg und der Jura forderten ein schweizweites Moratorium für den Einsatz von 5G-Millimeterwellen, bis eine schweizweite Übersicht über die Belastung der Bevölkerung vorliege.

LANDWIRTSCHAFT: Der Nationalrat hält an Massnahmen zur Steigerung der Wertschöpfung beim Käse fest. Er hat einen Antrag abgelehnt, eine entsprechende Motion zu versenken. Zudem will die grosse Kammer weiterhin, dass die Verkäsungszulage nach dem Fettgehalt abgestuft wird. Das Geschäft geht damit nochmals an den Ständerat. Die kleine Kammer hatte sich in der Wintersession zwar damit einverstanden erklärt, dass Milchverarbeitern die Zulage verweigert werden soll, die die Mindestpreise für Milch unterschreiten. Die Bestimmung zur Abstufung nach Fettgehalt hatte der Ständerat jedoch gestrichen.

ALTERSVORSORGE: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen nach dem Willen des Nationalrats künftig bis zu 15'000 Franken in die Säule 3a einzahlen können - und dafür einen Steuerabzug geltend machen dürfen. Die grosse Kammer hat eine entsprechende parlamentarische Initiative von Erich Hess (SVP/BE) mit 96 zu 85 Stimmen bei drei Enthaltungen angenommen. Für selbstständige Erwerbstätige ohne Pensionskasse will Hess den Maximalbetrag auf 45'000 Franken pro Jahr erhöhen. Als Nächstes muss sich die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats (SGK-S) mit der Sache befassen.

RAUMPLANUNG: Der Nationalrat will, dass die Sachpläne des Bundes künftig zwingend dem Parlament vorgelegt werden müssen. Er hat sich für eine entsprechende Änderung des Raumplanungsgesetzes ausgesprochen. Die grosse Kammer gab einer parlamentarischen Initiative von Philipp Matthias Bregy (Mitte/VS) Folge - mit 94 zu 86 Stimmen bei zwei Enthaltungen. Ist auch der Ständerat oder bereits vorher dessen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek-S) damit einverstanden, kann die Nationalratskommission einen Erlassentwurf ausarbeiten. Der Initiant machte geltend, dass Sachpläne die Kantone und Gemeinden mit einer Vielzahl von neuen Absichten konfrontierten. Diese behördenverbindlichen Vorgaben seien oft einschneidend, durchliefen aber heute keine parlamentarische Debatte. Deshalb komme der Bundesverwaltung zu viel Macht zu.

KANTONSVERFASSUNGEN: Das Bundesparlament ist einverstanden mit Verfassungsänderungen in den Kantonen Zürich, Graubünden und Neuenburg. Der Nationalrat hat dem Geschäft als Zweitrat zugestimmt. Im Kanton Zürich geht es um die Grenzwerte des Finanzreferendums und der Finanzbefugnisse des Kantons- und des Regierungsrats. In Graubünden betrifft die Änderung die Einführung des Verhältniswahlrechts bei Grossratswahlen. Im Kanton Neuenburg geht es um die Windenenergie, die Amtsenthebung von Mitgliedern der Exekutiv- und Gerichtsbehörden sowie um Transportinfrastrukturen.

DATENSCHUTZ: Der Nationalrat ist einverstanden mit neuen Anstellungsbedingungen für den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (Edöb). Er hat entsprechenden Gesetzesänderungen sowie einem Verordnungsentwurf seiner Staatspolitischen Kommission (SPK-N) zugestimmt. Die Vorlage geht an den Ständerat. Sie wurde nötig, weil nach der Revision des Datenschutzgesetzes der Edöb neu vom Parlament gewählt werden wird. Wie vom Bundesrat gewünscht und anders als von der SPK-N ursprünglich vorgesehen ist die grosse Kammer einverstanden, dass Abgangsentschädigungen möglich sein sollen.

REFERENDEN: Der Bundesrat soll verschiedene Fragen im Zusammenhang mit Referenden gegen dringliche Bundesgesetze klären. Diesen Auftrag hat er vom Nationalrat erhalten. Dieser nahm ein entsprechendes Postulat seiner Staatspolitischen Kommission (SPK-N) stillschweigend an. Konkret geht es um die Frage, was es für Folgen hat, wenn - wie bei der Referendumsabstimmung vom 13. Juni 2021 zum Covid-19-Gesetz - der Ansatz verfolgt wird, dass dringlich erklärte nachträgliche Änderungen an einem dringlich erklärten Grunderlass gleichzeitig wie dieser ausser Kraft treten, wenn dieser in der Referendumsabstimmung abgelehnt wird.

NOTARE: Der Bundesrat muss in einem Bericht darlegen, wie eine schweizweite Liberalisierung des Notariatswesens mit einem möglichst freien, interkantonalen Wettbewerb umgesetzt werden kann. Dabei soll aufgezeigt werden, welcher Nutzen für Volkswirtschaft und Konsumentinnen und Konsumenten daraus resultiert. Diesen Auftrag hat die Regierung vom Nationalrat erhalten. Dieser überwies ein entsprechendes Postulat von Kathrin Bertschy (GLP/BE) mit 108 zu 76 Stimmen bei 7 Enthaltungen. Der Bundesrat befürwortet die Wettbewerbsfreiheit und ist sich des akuten Bedarfs an wachstumsfördernden Reformen bewusst, wie er in seiner Antwort auf den Vorstoss schrieb.

KRANKENKASSEN I: Nach dem Ständerat hat der Nationalrat fünf Standesinitiativen der Kantone Genf, Jura, Neuenburg, Freiburg und Tessin keine Folge gegeben, die Krankenkassen gesetzlich dazu zwingen wollten, zu hohe Reserven zu reduzieren. Laut der grossen Kammer erübrigten sich die Initiativen, da deren Anliegen bereits in verschiedenen vom Parlament überwiesenen Vorstössen aufgenommen wurden. Heute bestehen Verordnungsbestimmungen, die die Kassen dazu bringen sollen, Reserven freiwillig abzubauen und zu viel erhobene Prämien auszugleichen. Mit dem Nein beider Räte sind die Standesinitiativen vom Tisch.

KRANKENKASSEN II: Der Nationalrat hat fünf Standesinitiativen der Kantone Genf, Jura, Neuenburg, Freiburg und Tessin keine Folge gegeben, die den Kantonen bei den Tarifen der Krankenkassenprämien mehr Mitsprache geben wollen. Konkret sollen die Kantone vor der Genehmigung der Prämientarife gegenüber den Versicherern und der Aufsichtsbehörde nicht nur zu den für ihren Kanton geschätzten Kosten, sondern auch zu den für ihren Kanton vorgesehenen Tarifen Stellung nehmen können. Laut der grossen Kammer wurde das Anliegen der Initiativen bereits in verschiedenen vom Parlament überwiesenen Vorstössen aufgenommen. Über die Standesinitiativen befindet nun noch einmal der Ständerat, der diesen vor einem Jahr hauchdünn Folge gegeben hatte.

KRANKENKASSEN III: Krankenkassen sollen zahnmedizinische Behandlungen, die sich wegen der Einnahme von Medikamenten aufdrängen, nicht in jedem Fall bezahlen müssen. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Standesinitiative des Kantons Genf abgelehnt. Nach Ansicht der Gesundheitskommission (SGK-N) ist das Anliegen weitgehend erfüllt. Denn das Krankenversicherungsgesetz regelt bereits, dass die Grundversicherung Zahnarztkosten übernimmt, wenn diese durch eine schwere Allgemeinerkrankung bedingt respektive durch deren Behandlung nötig sind. Die verlangte Gesetzesänderung sei deshalb nicht nötig. Die Standesinitiative ist mit dem Nein beider Räte erledigt.

KRANKENKASSEN IV: Das Parlament will nicht, dass Kantone per Gesetz eine kantonale, regionale oder interkantonale Einrichtung schaffen können, welche die Prämien festlegt und erhebt. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat einer entsprechenden Standesinitiative des Kantons Neuenburg keine Folge gegeben. Das Geschäft ist damit vom Tisch. Die Parlamentsmehrheit befürchtete, dass die Umsetzung das Krankenversicherungsgesetz grundlegend ändern würde. Zur Bekämpfung des Prämienanstiegs würden im Parlament bereits mehrere Massnahmen geprüft. Die Ratslinke warb vergeblich für das Anliegen. Es bestehe weiterhin Handlungsbedarf, dem stetigen Anstieg der Krankenkassenprämien entgegenzuwirken.

GERICHTE: Die Vereinigte Bundesversammlung hat am Mittwoch Brigitte Stump Wendt (SP) mit 173 von 173 gültigen Stimmen als zusätzliche vierte deutschsprachige Richterin für den Rest der Amtsperiode 2022 bis 2027 in die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts gewählt. Mangels geeigneter Bewerbungen noch nicht besetzt werden konnte die zusätzliche französischsprachige Stelle. Weiter hat die Bundesversammlung Catherine Reiter (Grüne) für den Rest der Amtsperiode 2020 bis 2023 mit 180 von 181 gültigen Stimmen als Richterin an das Militärkassationsgericht gewählt.

Die Traktanden des Nationalrats für Donnerstag, 17. März (08:00 bis 13:00 und 15:00 bis 19:00):

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