Wenn fast niemand eine hat, kommt man sich beim Maskentragen auch in Zeiten des Coronavirus komisch vor. Nau sprach mit Prof. Katrin Fischer über Maskenscham.
Coronavirus
Links: Prof. Dr. Katrin Fischer von der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW. Rechts: Pendler steigen auch in Zeiten des Coronavirus ohne Schutzmaske in die S-Bahn ein. - ZVG, Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Masken, wenn sie richtig verwendet werden, helfen gegen das Coronavirus.
  • Weil sie wenig verbreitet sind, kommen sich Menschen komisch vor, wenn sie eine tragen.
  • Nau.ch fragte Psychologie-Professorin Katrin Fischer, ob eine Maskenpflicht helfen könnte.

Herr und Frau Schweizer zögern, wenn es darum geht, Schutzmasken gegen das Coronavirus zu tragen. Klar: wenn die Mehrheit keine trägt, kann man sich dabei schon etwas merkwürdig vorkommen. Die Akzeptanz, für eine Maskenpflicht wäre gross, wie Umfragen zeigen. Wäre es unter diesen Vorzeichen sinnvoll, das Maskentragen in der Öffentlichkeit obligatorisch zu machen?

Nau.ch sprach mit Katrin Fischer, Professorin am Institut Mensch in komplexen Systemen an der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW.

Nau.ch: Frau Professor Dr. Fischer, tragen Sie momentan eine Schutzmaske in der Öffentlichkeit?

Katrin Fischer: Nein. Ich würde sie tragen, wenn es verpflichtend wäre, oder dann, wenn ich selbst erkältet wäre.

Nau.ch: Warum schämen sich so viele Menschen, eine Maske zu tragen? Ist das nur der Gruppenzwang?

Katrin Fischer: Wenn alle eine Maske tragen würden, dann würde man sich wegen des Gruppendrucks eher schlecht fühlen, wenn man keine aufhat. Aber wenn eher wenige eine tragen, kann Scham schon eine Rolle spielen.

Coronavirus Maskenpflicht
Ab Montag, 6. Juli gilt in der ganzen Schweiz und in allen Verkehrsmitteln eine Maskenpflicht.
Coronavirus Schutzmasken
Die SBB, hier ein Plakat fotografiert in Bern, empfiehlt das Tragen einer Maske, wenn der Abstand nicht eingehalten werden kann.
Coronavirus Maskenpflicht
Pendler in Lausanne: Nur wenige tragen eine Hygienemaske.

Vielleicht denken andere, ich sei besonders ängstlich, oder andere vermuten, dass ich vielleicht sogar erkrankt bin. Das ist mir unangenehm. Noch dazu, wo die meisten Masken ja auch nicht besonders kleidsam sind.

Gruppendruck in die eine oder andere Richtung kann hier schon wirken. Herauszufallen aus der Norm kann Angst oder Scham auslösen. Und wenn die Norm ist, keine Maske zu tragen, dann fühle ich mich eher schlecht damit. Genau wie anders herum, wenn das Tragen Pflicht ist und alle es tun.

Nau.ch: Was müsste passieren, damit das abnimmt? Braucht die Schweiz eine Maskenpflicht?

Katrin Fischer: Ich halte Masken – die Art der Masken und die Art und Weise, wie sie im Moment genutzt werden, nicht für sinnvoll im Sinne des Infektionsschutzes. Ich erlebe, dass Leute die Masken in der Hosen- oder Handtasche verstauen, sie zu oft und zu lange nutzen, sich auf die Masken und dann ins Gesicht fassen. Das verhindert den effektiven Schutz meiner Meinung nach.

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Auch über eine regionale Maskenpflicht zur Bekämpfung des Coronavirus können die Kantone ohne den Bundesrat entscheiden. - Keystone

Nau.ch: In unseren Nachbarländern gibt es die Maskenpflicht bereits. Grenzgänger in der Schweiz wundern sich über das Zögern des Bundesrates. Muss hier bald Klarheit geschaffen werden?

Katrin Fischer: Ich finde, dass der Bundesrat da klar genug ist: Es gibt eine Empfehlung zum Tragen der Masken da, wo die Distanzregeln nicht eingehalten werden können. Zum Beispiel zu bestimmten Zeiten im ÖV. Das finde ich sinnvoll und klar.

Nau.ch: Wo und unter welchen Bedingungen wäre eine Maskenpflicht sinnvoll?

Katrin Fischer: Für Personal im Gesundheitswesen zum Beispiel. In Pflegeeinrichtungen und dann, wenn sich Personen infiziert haben und dennoch das Haus verlassen müssen, weil sie zum Beispiel zum Arzt müssen.

Nau.ch: Zum Thema Sicherheitsgefühl: Was macht das mit der Psyche eines Menschen, wenn er eine Schutzmaske trägt?

Katrin Fischer: Es kann beispielsweise zu risikoreicherem Verhalten führen. In der Psychologie gibt es ein sehr bekanntes Modell, das wir das Risiko-Homöostase-Modell nennen. Das besagt, dass immer dann, wenn wir mehr Schutzvorkehrungen treffen, gleichzeitig unser Verhalten risikoreicher wird.

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In Lausanne werden Masken gegen das Coronavirus verteilt. - Keystone

Zum Beispiel fahren Skifahrer mit Helm schneller und risikoreicher als Skifahrer ohne. Hier kann das dazu führen, dass wir beispielsweise die Distanzregeln ignorieren und uns näher kommen als wir sollten. Weil wir glauben, durch die Masken geschützt zu sein.

Nau.ch: Abschliessend: Ist das Maskentragen für die nächsten Monate unsere neue Realität? Wie wird sich das psychisch auf uns auswirken?

Katrin Fischer: Schwer zu sagen. Ich kann mir zwei Entwicklungen vorstellen: entweder werden wir uns – ähnlich wie im asiatischen Raum – an die Masken gewöhnen und sie werden Teil unserer sozialen Realität, oder aber die Pandemie flaut weiter ab.

Vielleicht bleibt uns auch die befürchtete zweite Welle erspart. Dann kann ich mir auch vorstellen, dass die Masken wieder aus unserem Alltag verschwinden oder nur noch sehr vereinzelt getragen werden. Es wird interessant werden, wenn es einen heissen Sommer gibt und die Masken dann zunehmend als unkomfortabel erlebt werden. Meine Vermutung ist eher – sie werden wieder verschwinden.

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