Bei Abstimmungen: Haben Junge überhaupt eine Chance gegen Boomer?
Die Abstimmungen vom Sonntag zeigen: Neben Sprach- und Stadt-Land-Gräben prägt auch ein Generationenkonflikt die Schweizer Politik.

Das Wichtigste in Kürze
- Junge stimmen linker, doch ihre Mobilisierung bleibt entscheidend.
- Stadt-Land- und Sprachregionen-Gräben sind oft stärker als Altersunterschiede.
- Ältere Generationen haben mehr Gewicht wegen höherer Stimmbeteiligung.
Die Abstimmungen am Wochenende haben die Gräben in der Schweizer Politlandschaft einmal mehr deutlich offenbart.
Beim Eigenmietwert zeigte sich der klassische Röstigraben.
Die Westschweizer Kantone haben geschlossen gegen das Anliegen gestimmt. In der Deutschschweiz gab es Zustimmung von bis zu 80 Prozent.
Bei der knappen Entscheidung der E-ID-Vorlage zeigten sich gleich zwei Gräben: Frauen haben das Gesetz abgelehnt, die Leute auf dem Land ebenfalls.
Doch es gibt einen weiteren Aspekt, der sich in der Schweizer Politik immer wieder zeigt: der Generationenkonflikt.
Zwar hat auch die Gruppe der 18- bis 34-Jährigen die Vorlage zum Eigenmietwert angenommen. Allerdings fiel die Zustimmung mit 54 Prozent wesentlich tiefer aus als bei den über 65-Jährigen (63 Prozent).
Hälfte der Stimmberechtigten ist unter 52 Jahre alt
Mit Blick auf die Demografie und die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer-Generation stellen sich verschiedene Fragen:
Können die Jungen ihre Anliegen gegen die ältere Bevölkerung überhaupt noch durchsetzen? Und bei welchen Themen gibt es die klassischen Generationenkonflikte?

Politologe Michael Hermann vom Forschungsinstitut Sotomo hat exklusiv für Nau.ch berechnet, wie die Zahlen konkret aussehen.
Hermann: «Die Hälfte der Stimmberechtigten in der Schweiz ist unter 52 Jahre alt. In der Regel liegt der Schnitt der tatsächlich Abstimmenden bei 56 Jahren.»
Mobilisierung vor Abstimmungen muss funktionieren
Heisst: Grundsätzlich hätte der jüngere Teil der Bevölkerung durchaus Chancen, Abstimmungen zu gewinnen. Aber nur, wenn die Mobilisierung innerhalb dieser Altersgruppe funktioniert.
Generationenforscher François Höpflinger sagt dazu: «Dass sich ältere Stimmbürger politisch interessierter zeigen und auch häufiger an Abstimmungen teilnehmen, verstärkt das politische Gewicht der älteren Generationen.»
Höpflinger relativiert allerdings: «Grundsätzlich wird das politische Engagement stärker vom Bildungshintergrund als vom Lebensalter mitbestimmt.»
Was bräuchte es dann, um die Jungen regelmässiger an die Urne zu bringen?
Höpflinger: «Ob eine Herabsetzung des Stimmrechts von 18 auf 16 Jahren zu einer grösseren Mobilisierung beiträgt, ist offen.»
Politische Schulung verstärken
Fakt ist zudem, dass ein beträchtlicher Teil der jüngeren Frauen und Männer als Ausländer und Ausländerinnen nicht stimmberechtigt ist.
Die Einführung eines Ausländerstimmrechts dürfte nach bisheriger Erfahrung allerdings keine allzu grosse Auswirkung haben. «Erfolgreicher sind Ausbau der politischen Schulung und eine Stärkung der Jungparteien.»
Beim Eigenmietwert zeigte sich ein zumindest leichter Generationenunterschied. Bei welchen weiteren politischen Themen zeigen sich Unterschiede zwischen den Altersgruppen?
Michael Hermann nennt den Klimaschutz als Beispiel: «Die Jüngeren sind davon auch länger betroffen.»
Unterschiede bei Klimaschutz und Altersvorsorge
Und: Bei der Altersvorsorge übernehmen die Älteren öfter die Rolle der Bezüger. «Bei dieser Frage sind die Unterschiede aber geringer, als man vermuten könnte.»
Grundsätzlich lasse sich festhalten, dass die jüngere Generation ein Stückchen linker ticke. Dem pflichtet auch Höpflinger bei: «Ältere Personen stufen sich signifikant weniger häufig links ein.»
Grosse Unterschiede zwischen den Altersklassen ortet Höpflinger aber nicht. «In der Schweiz sind die Wertunterschiede zwischen den Generationen vergleichsweise moderat.»

Weder junge Menschen noch ältere Personen würden einheitliche Stimmenblöcke bilden.
Höpflinger: «Für das Abstimmungsverhalten sind Stadt-Land-Unterschiede, sprachregionale Differenzen sowie Bildungsniveau oft wichtiger als das Alter.»
Das zeigte sich exemplarisch an den Abstimmungen vom Wochenende.
Stadt-Land- und Röstigraben entscheidender als Altersunterschiede
Der Generationen-Gap ist zwar vorhanden. Wirklich entscheidend sind aber die Gräben zwischen Stadt und Land sowie zwischen den Sprachregionen.
Haben die Jungen bei Abstimmungen also eine Chance gegen die Generation der Babyboomer?
Ja, wenn die Mobilisierung stimmt. Und wenn sie beim Röstigraben oder dem Stadt-Land-Graben auf der Gewinnerseite steht.