Bauern: Darum sind sie in der Politik eine Macht
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bauern-Lobby kann sich politisch sehr gut durchsetzen.
- Dabei machen Bauern nur einen kleinen Teil der Bevölkerung aus.
- Doch «die Bauern» gebe es gar nicht – dafür sehr viele im Parlament.
Woran liegt’s? Einmal mehr haben sich am Sonntag die Bauernlobby und ihre Mitstreiter politisch durchgesetzt. Die Biodiversitätsinitiative erhielt am Ende noch weniger Ja-Stimmen, als ihr eh schon prognostiziert worden waren. Andere Berufe und Branchen könnten da neidisch werden.
Glaubwürdiger Bauernstand
Die Bauern scheinen einflussreicher, aber auch glaubwürdiger zu sein als andere. Für Kilian Baumann fast eine Selbstverständlichkeit: «Ich glaube auch den Bauern!» Baumann ist nicht nur Nationalrat der Grünen, sondern auch selbst Bio-Bauer und Präsident der Kleinbauern-Vereinigung.
Bist du enttäuscht über das Nein zur Biodiversitätsinitiative?
Dass aber nicht nur Bauer Baumann, sondern auch Hinz und Kunz den Landwirten Glauben schenken, erklärt er so: «Das ist die Schollen-Verbundenheit, die man in der Schweiz noch hat.» Landwirtschaft sei etwas Wichtiges, mit dem Herstellen von Nahrung für die Bevölkerung.
Das sei ganz zuoberst bei den Prioritäten der Leute und darum habe man auch grosses Vertrauen in die Landwirtschaft. «Und das ist auch gut so!», will Baumann noch festgehalten haben.
Bauern als politische Schwungmasse gegen «extreme» Volksinitiativen
Dass ein Anliegen zur Folge haben könnte, dass Lebensmittel importiert werden müssten, das will die Mehrheit des Stimmvolks offenbar nicht. Auch wenn sonst das ökologische Gewissen nicht immer im gleichen Mass zum Tragen kommt. Längst nicht nur die Biodiversitätsinitiative wird im Abstimmungskampf jeweils als «extrem» betitelt. Und wenn es die Bauern sagen, muss es ja stimmen.
«Dort sind wir dann beim Punkt, wo die Bauern als politische Schwungmasse genutzt werden», sagt Kilian Baumann. «Weil es eben so gut funktioniert, wenn man etwas als Interesse der Bauern verkauft.» Dann sei man mehrheitsfähig.
Die SVP mache das sehr erfolgreich: «Sie setzen häufig einen Bauer an die Parteispitze und versuchen, so gleich auch die ländliche Bevölkerung zu erreichen.» Früher den Toggenburger Bauern Toni Brunner, jetzt den Kälbermäster Marcel Dettling aus Oberiberg SZ. Dazwischen Albert Rösti – dieser ist «nur» Agraringenieur. So verkaufe man etwas als bäuerliches Anliegen, auch wenn es eigentlich ein Interesse von Grossindustriellen, Liberalen oder Agrarkonzernen sei.
Machtvoller Bauernpräsident Ritter
Diese Macht der Bauern ist vielen in der Bundeshaus-Wandelhalle auch etwas unheimlich. Denn sie sind überall: Je nach Definition – manche wechwelten den Beruf oder sind «bauern-nah» – gibt es 30 bis 50 Bauern im Parlament. Obwohl sie weniger als drei Prozent der berufstätigen Bevölkerung ausmachen. Allein in der SVP-Fraktion stellen sie etwa einen Drittel des Personals.
Man will auch lieber nicht namentlich zitiert werden, wenn man über den gewieften Präsidenten des Bauernverbands, Mitte-Nationalrat Markus Ritter spricht. Viel von dessen Macht komme von der «Geld und Gülle» genannten Allianz: Economiesuisse, Gewerbe-, Arbeitgeber- und Bauernverband, die abgemacht haben, am gleichen Strick zu ziehen.
Dreh- und Angelpunkt scheint hier tatsächlich Markus Ritter zu sein. Dass er, wie Kilian Baumann ein Bio-Bauer, sich fast immer durchsetzen kann, macht Baumann an einem wichtigen Punkt fest: «Dass man einfach von ‹den Bauern› spricht.»
«Die Bauern» gibt es gar nicht
Das sei aber nicht korrekt, moniert Baumann. So vertrete seine Kleinbauern-Vereinigung oft eine andere Meinung als der Bauernverband. Doch spreche man von «den Bauern» und meine einfach die Mehrheitsmeinung in der Landwirtschaft.
Bei Juristen oder Journalisten gehe das schliesslich auch nicht: «Man geht ja nicht beim Weltwoche-Journalisten davon aus, dass dann alle Journalisten dessen Meinung hätten.» Auch bei der Landwirtschaft gebe es vielfältige Meinungen. «Solange sich die Mehrheitsposition als Vertretung der Gesamtlandwirtschaft einsetzen kann, haben sie natürlich auch eine Macht.»
Dagegen ist offenbar noch kein Kraut gewachsen: «Denn es will niemand in diesem Land gegen die Bauern sein», so Baumann. Er stellt aber infrage, wer sich denn hier nun wirklich für die Bauern einsetze. Schliesslich habe man immer noch ein grosses «Hofsterben», immer weniger Bauernbetriebe.
«Gleichzeitig nehmen die Gewinne der Agrarkonzerne zu», stellt Baumann fest. So kommt er zur Schlussfolgerung: «Die Vertretung der Bauern hier im Parlament, das sind eigentlich nicht wirklich Bauernvertreter, sondern Vertreter der Agrarindustrie.»