Mitten in der Pandemie entführt ein Musical-Film in ein schillerndes New Yorker Latino-Viertel. «In The Heights» platzt vor Charme - und steht in einer langen Reihe erfolgreicher Sommerfilme.
Sie sind sich sehr nahe: Benny (Corey Hawkins) und Nina (Leslie Grace). Foto: -/Warner Bros/dpa
Sie sind sich sehr nahe: Benny (Corey Hawkins) und Nina (Leslie Grace). Foto: -/Warner Bros/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Bei kaum einem Filmgenre gehen die Geschmäcker weiter auseinander als bei Musicals.

Die einen finden, dass die scheinbar grundlosen Ausbrüche von Musik und Choreographie die Handlung stören.

Die anderen sagen, genau das sei ein besonderer Ausdruck von Emotion, denn die Figuren folgten einfachen Genre-Konventionen: Rede über das, was dich beschäftigt - und wenn du nicht reden kannst, dann sing! Und wenn du nicht singen kannst: Tanz!

Das Konzept geht auf, Musikfilme und Musicals finden seit Jahrzehnten glühende Fans. Filme wie der Oscar-Gewinner «La La Land» (2016) lassen das Genre aufleben. Nun versucht «In The Heights», an solche Erfolge anzuknüpfen und seine Zuschauer in eine schillernde Sehnsuchtswelt in New York zu entführen.

Im Mittelpunkt steht Usnavi, der Besitzer eines kleinen Bodega-Krämerlädchens im Latinoviertel Washington Heights am Nordende Manhattans. Liebevoll hält die alte Kubanerin Abuela Claudia die Nachbarschaft rund um Usnavis Kunden zusammen, darunter auch das tratschende Team eines nahegelegenen Beauty Salons der überkandidelten Daniela und das strauchelnde Taxi-Unternehmen vom warmherzigen Kevin Rosario.

Usnavi aber träumt davon, mit einem Lottogewinn zurück in seine Heimat in der Dominikanischen Republik zu ziehen, als plötzlich seine Jugendfreundin Nina nach einem Jahr am College zurückkehrt und ihrer Familie eröffnet, das Studium abzubrechen.

Vom Broadway ins Kino

Erstmals kam dieser Stoff über Zusammenhalt und die Suche nach Heimat im Jahr 2005 auf die Musical-Bühne, schon damals durchzogen von leichter Sozialkritik an den für die Arbeiterklasse kaum noch leistbaren Lebensverhältnissen in Manhattan. 2008 gelang der Sprung an den Broadway und das Stück wurde mit vier Tony Awards (unter anderem für das beste Musical) und einem Grammy zum grossen Erfolg.

Autor Lin-Manuel Miranda gelang danach mit dem noch dichteren Hip-Hop-Musical «Hamilton» eines der grössten US-Popkultur-Phänomene der letzten Jahrzehnte. Zusammen mit seinem kongenialen Musikdirektor Alex Lacamoire hatte Miranda schon bei «In The Heights» ähnliche Motive und Instrumentierungen eingesetzt, auch viele Schauspieler haben beide Projekte über Jahre begleitet.

Zu ihnen gehört Anthony Ramos, der mit «Hamilton» berühmt wurde und nun als Usnavi mit umwerfendem Charme beweist, dass er auch in der Hauptrolle einen Film tragen kann. Er trägt genauso zur luftig-leichten Grundstimmung von «In The Heights» bei wie die von Regisseur Jon M. Chu («Crazy Rich») toll inszenierten überbordenden Tanznummern in den Freibädern und vor Hitze glühenden Strassen New Yorks - sie wirken nach Monaten des Eingesperrtseins daheim wie eine Befreiung.

All das hat so viel Lebensfreude, dass andere etwas holzschnittartige Figuren genauso wenig ins Gewicht fallen wie die hauchdünne Handlung zwischen den Musikszenen. Bis zum Start von Steven Spielbergs «West Side Story»-Remake an Weihnachten reiht sich «In The Heights» somit in die Reihe leichter Sommer-Musikstoffe im Stil von «Grease», «Dirty Dancing» und «Mamma Mia» ein - ein Film wie gemacht fürs Open-Air-Kino.

, USA 2021, FSK 6, 143 Minuten, von Jon M. Chu, mit Anthony Ramos, Melissa Barrera, Jimmy Smits, Daphne Rubin-Vega, Lin-Manuel Miranda

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