Im Oscar-gekrönten Drama «Die Fälscher» blickte Regisseur Stefan Ruzowitzky in die Nazi-Zeit. Sein neuer Thriller schaut noch weiter zurück, nach Wien, 1920. Er bietet einige Überraschungen.
Murathan Muslu (l-r) als Peter Perg, Marc Limpach als Victor Renner und Max von der Groeben als Paul Severin in einer Szene des Films «Hinterland». Foto: SquareOne Entertainment/dpa
Murathan Muslu (l-r) als Peter Perg, Marc Limpach als Victor Renner und Max von der Groeben als Paul Severin in einer Szene des Films «Hinterland». Foto: SquareOne Entertainment/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Fans von Matthias Schweighöfer müssen sich gedulden: Der vor allem durch Komödien wie «Keinohrhasen», «Zweiohrküken» und «100 Dinge» bekannte deutsche Filmstar hat erst kurz vor Ende des Thrillers «Hinterland» einen Gast-Auftritt.

Der hat es allerdings in sich. Schweighöfer packt das Publikum in wenigen Minuten mit einer facettenreichen, tiefgehenden Charakterstudie.

Er verkörpert einen der Gegenspieler der Hauptfigur des effektvollen Films. Das ist Ex-Kriminalinspektor Peter Perg (Murathan Muslu). 1920 kehrt er aus russischer Kriegsgefangenschaft heim. Nichts ist in seiner Heimatstadt Wien, wie es vor dem Ersten Weltkrieg war. Seine Frau ist mit dem Kind aufs Land gezogen. Der Kaiser, für den er einst jubelnd in den Kampf gezogen war, ist nicht mehr. Die Republik Österreich schiebt gebrochene Männer wie ihn ins soziale Aus der Obdachlosenheime ab. Er fühlt sich verloren, nutzlos, ausgelaugt.

Als ein Serienkiller ehemalige Kameraden Peters bestialisch ermordet, gerät er in Verdacht. Zunächst glaubt nur die Gerichtsmedizinerin Theresa Körner (Liv Lisa Fries) an seine Unschuld. Verzweifelt macht er sich auf die Suche nach dem wahren Täter. Dabei steigt er auf immer gefährlicheren Wegen in die Untiefen seines eigenen verwundeten Inneren hinab.

Raffinierte Erzählweise

Dank ausgeklügelter Computertechnik verblüfft der atmosphärisch dichte Film schon allein optisch ungemein. Es ist, als würden alte Postkarten lebendig. Entscheidender für die enorme Spannung ist jedoch die raffinierte Erzählweise. Regisseur Stefan Ruzowitzky, der 2008 mit dem Anti-Nazi-Drama «Die Fälscher» einen Oscar für den besten fremdsprachigen Film gewann, setzt auf eine effektvolle Erzählweise nach klassischem Krimimuster.

Psychologisch genau gezeichnete Figuren führen in eine Gesellschaft, die den Wert der Menschen allein an Äusserlichkeiten misst. Was dem Film eine überraschende Gegenwärtigkeit verleiht.

Die grösste Überraschung ist jedoch der Gast-Auftritt von Matthias Schweighöfer im Finale. Er begeistert damit, wie er in kürzester Zeit einen Menschen porträtiert, der von den sozialen Ungerechtigkeiten ins Abseits getrieben wurde. Die gesellschaftskritische Komponente des Dramas wird damit kraftvoll unterstrichen. Beim diesjährigen Filmfestival in Locarno bekam der Film den begehrten Publikumspreis.

Hinterland, Österreich, Luxemburg u.a. 2021, 99 Min., FSK ab 16, von Stefan Ruzowitzky, mit Murathan Muslu, Liv Lisa Fries, Max von der Groeben

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