Filmemacher Fabrice Aragno mit malerischem Werk «Le Lac» in Locarno
Im ersten Langfilm des Westschweizer Regisseurs Fabrice Aragno geht ein Paar auf ein mehrtägiges und nächtliches Segelrennen auf dem Genfersee.

Der stimmungsvolle Film «Le Lac» läuft am Locarno Film Festival im Internationalen Wettbewerb und hat Chancen auf den Goldenen Leoparden.
Der erste Spielfilm des Neuenburger Regisseurs Fabrice Aragno, «Le Lac», ist mutig. Die audiovisuelle Erzählung funktioniert ganz ohne Dialoge. «Das war keine Wahl meinerseits, das ist ganz natürlich», sagte Aragno der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Für ihn sei das Kino vor allem eine Kunst des Bildes und des Tons – ähnlich wie die Musik oder die Malerei.
Inspiriert von einer fünftägigen Segelregatta auf dem Genfersee verfolgt der Film das Aufeinanderprallen eines Paares mit der Natur. Und er zeigt die Erschöpfung, die diese Konfrontation mit sich bringt: «Man wird zum Tier. Man schläft nicht mehr. Man empfindet alles intensiver», sagte der Regisseur.
«Le Lac» ist mehr eine sinnliche Erfahrung als eine simple Erzählung. «Ich wollte ausdrücken, was man nicht sagen kann. Das Geschehen ist zwischen den Worten, zwischen den Pausen des Schweigens», sagte Aragno. Und so wird hier die Stille zur Sprache und die Kamera zum Pinsel.
Diese intime Filmerfahrung hat etwas wörtlich Malerisches. «Alle Maler sind am Ufer geblieben», sagte Aragno. Inspiriert haben ihn etwa Caspar David Friedrich, Edvard Munch, William Turner oder Hergé. «Ich will in das Bild hineingehen.»
Literatur gibt Aragno Impulse
Auch die Literatur gibt dem Filmschaffenden Aragno Impulse. Er nannte etwa Marguerite Duras, Gustave Flaubert oder Heinrich von Kleist. Und so hat Fabrice Aragno die traditionelle Drehbuchstruktur hinter sich gelassen. Er baute seinen Film aus Notizen, Bildern und markanten Sätzen.
Das ursprüngliche Drehbuch wurde «verbrannt». Aufgrund dieses Vorgehens wurde der Film 2021, kurz nach der Pandemie, für das Atelier de la Cinéfondation am Filmfestival in Cannes ausgewählt. Zu diesem Förderprogramm werden Macherinnen und Macher vielversprechender Filmprojekte eingeladen.
Acht Jahre dauerte die Schaffensphase. Zum einen kam die Covid-19-Pandemie dazwischen. Zum anderen verstarb der renommierte französisch-schweizerische Regisseur und Drehbuchautor Jean-Luc Godard (1939–2022), mit dem Aragno über Jahre hinweg eng zusammengearbeitet hatte.
Für «Le Lac» suchte Fabrice Aragno einen Schweizer Darsteller, konnte sich aber schlecht zwei Schauspielende auf einem Segelboot vorstellen. Es war Bernard Stamm, ein Schweizer Segler, den er zufällig entdeckte und kontaktierte.
«Ich rief ihn an, weil ich dachte, er sei auf hoher See, aber er war in einem Einkaufszentrum», erinnerte sich Aragno. Mit ihm und der Darstellerin Clothilde Courau fuhr er nach Brest und machte Probeaufnahmen. «Es war perfekt.»
Im Film nimmt der Ton den zentralen Raum ein – ohne illustrative Musik, sondern als auditive Landschaft: Winde, Atemzüge und Atmung sorgen für die Stimmung.