Manfred Breitschmid, SVP Wohlen: Österliche Offenbarung
Ein wichtiges Instrument für die Staatsführung ist die Gesetzgebung. Sie regelt das Zusammenleben in der Gemeinschaft und das Verhältnis zum Staat. Wer Gesetze nicht einhält, wird bestraft.
Das Verhältnis zum Staat und damit zur Gemeinschaft ist dauernden Veränderungen unterzogen. Das geschieht durch den Willen der Menschen, aber auch aufgezwungen durch äussere Einflüsse wie Naturkatastrophen. Oder wie wir es gerade erleben, durch das Coronavirus.
Die in Teilen der Bevölkerung herrschende Meinung ist: Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Ebenso das Ausnützen von Gesetzeslücken oder die volkstümliche Aussage «Lass dich nicht erwischen». Diese Haltung führt zur Entfremdung in der Gemeinschaft, fördert das «I am first» und die Gleichgültigkeit gegenüber der Gemeinschaft.
Ein Staat mit dieser Haltung hat keine Zukunft. Wenn der Staat zum Lieferanten reduziert wird, wir nur noch Leistungen erwarten, ohne Verantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen, dann hat der Staat ausgedient.
Moralisches Handeln ist die Voraussetzung für einen funktionierenden Staat. Solidarität, Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme und die Bereitschaft, den Schwächeren zu stützen, kann die Gesetzgebung nur unzureichend abdecken. Die Haltung muss sein «Was nicht verboten ist, ist nicht zwangsläufig auch erlaubt».
Kirche muss sich verändern
Wir stehen heute an der Schwelle, wo Parteien moralisierende Politik betreiben. Sie füllen die Lücke der schwächelnden Kirche. Die Kirche hatte in der Vergangenheit im Bereich der Moral eine starke Stellung mit Vorbildfunktion.
Ich erwarte Veränderungen von der römisch-katholischen Kirche, damit sie wieder mit anderen christlichen Kirchen zur Moralinstanz wird: Auf Gemeindestufe kein Zölibat. Frauen, die das Priesteramt ausüben können – ohne die Frauen geht in der Kirche so oder so nichts. Eine offenere Haltung gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen und nicht zuletzt eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen christlichen Kirchen.
Diese Erwartung umzusetzen braucht Zeit. Die Menschen müssen auf den Weg mitgenommen werden. Aber irgendeinmal müssen sich auch die Verantwortlichen in der Kirche bewegen.
Keine moralisierenden politische Parteien als Ersatzreligion. Sondern eine starke und vorbildliche Kirche, die sich in der Wertediskussion einbringt. Der Staat braucht eine Moralinstanz, die in der Gesellschaft anerkannt und respektiert wird.
Zur Person
Manfred Breitschmid war zwölf Jahre Präsident der römisch-katholischen Kirchenpflege Niederwil und Mitglied der Synode des Kantons Aargau. Zudem war er während zehn Jahren Mitglied des Grossen Rates im Kanton Aargau. Bis heute ist er in folgenden Organisationen tätig: Vorstand der SVP Wohlen, Kommission für Gesellschaftsfragen der Gemeinde Wohlen, Stiftungsversammlung der Pro Senectute Aargau.