Einwohnerrat Orun Palit nimmt in Wettingen kein Blatt vor den Mund. Mit Nau.ch spricht er über Steuern, Transparenz und Rassismus.
Orun Palit
GLP-Politiker und Einwohnerrat Orun Palit. - Nau.ch
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Nau.ch: Sie kämpften mit der «IG attraktives Wettingen» erfolgreich gegen höhere Steuern in Wettingen. Was treibt Sie an?

Orun Palit: Wettingen wird oft als reiche Gemeinde wahrgenommen. Ich studiere jedoch regelmässig die Einkommensstatistik. Das ist jeweils ein Weckruf: Fast 60 % der Einwohner von Wettingen versteuern unter 60'000 Franken im Jahr.

Mein Fazit: Es gibt sehr viele Familien, die knapp überleben. Ich will nicht, dass diese Familien immer mehr bezahlen müssen.

Nau.ch: Was ist Ihrer Meinung nach das Grundproblem?

Orun Palit: Die Frage lautet: Braucht es immer die Luxusversion? Die Sanierung vom Tägi ist das perfekte Beispiel. Die «Luxusvariante» für 85 Millionen wurde vom Volk abgelehnt. Auch beim Bau von Schulgebäuden oder der Strassensanierung könnte man günstigere Vorschläge machen.

Die Gemeinde ist als Dienstleister dazu da, das Nötigste für die Bevölkerung zu offerieren. Die Bauten müssen funktional und umweltschonend sein.

Nau.ch: Letztes Jahr haben Sie sich für mehr Transparenz in der Gemeinde eingesetzt.

Orun Palit: Ich bin in der GLP, die ja eine relativ neue Partei ist. Ich finde, es gehört dazu, die etablierten Parteien zu hinterfragen. Wettingen ist traditionell eine CVP-Hochburg, vieles ist sehr festgefahren.

Orun Palit
Orun Palit ist Einwohnerrat in Wettingen. - Nau.ch

Wenn ich mich da kritisch äussere, wird das nicht gerne gehört. Aber wenn man einmal aufzeigen würde, wo unsere Politiker überall mitmischen, wäre man wohl ziemlich erstaunt.

Nau.ch: Ist es nicht normal, dass die Politiker in einer Gemeinde gut vernetzt sind?

Orun Palit: Ich setze mich lediglich dafür ein, dass die Vernetzung transparent gemacht und kommuniziert wird. Ich will schliesslich auch, dass das lokale Gewerbe bei Aufträgen der öffentlichen Hand unterstützt wird.

Nau.ch: Sie machen mit Ihren direkten Forderungen in der Gemeinde nicht allen Freude.

Orun Palit: Leider sind die Fronten zwischen Gemeinderat und Einwohnerrat, aber auch im Einwohnerrat teilweise verhärtet. Das finde ich schade. Schliesslich geht es am Ende um die Sache, um das Wohl der Bevölkerung und nicht darum, jemanden persönlich anzugreifen.

Inzwischen muss ich regelmässig Kommentare auf den sozialen Netzwerken löschen und sogar lokale Politiker blockieren. Viele greifen mich auf einer persönlichen Ebene an.

Das trifft mich teilweise schon. Aber ich lasse mich nicht bremsen.

Wettingen aus der Vogelperspektive.
Wettingen aus der Vogelperspektive. - Nau.ch / jpix.ch

Nau.ch: Sie kandidieren dieses Jahr für den Grossrat.

Orun Palit: Die Politik ist für mich ein leidenschaftliches Hobby. Ich habe mich mit den Themen Finanzen, Steuern und Wirtschaft etablieren können und bin in Wettingen gut gewählt. Doch die Wahl zum Grossrat hat bisher noch nicht geklappt.

Ich muss es wohl ansprechen: Ich habe einen indischen Namen und indische Wurzeln.

Obwohl ich in der Schweiz geboren bin, einen guten Leistungsausweis habe und mich sehr engagiere, werde ich in den Gebieten, wo die Bürgerinnen und Bürger mich nicht kennen, auf der Liste eher gestrichen und mit Politikern mit Schweizer Namen und Aussehen ersetzt.

Nau.ch: Gibt es Rassismus in der Politik?

Orun Palit: Zuerst möchte ich klarstellen, dass es Rassismus überall auf der Welt gibt. Persönlich oder im Beruf musste ich zum Glück in der Schweiz fast nie Rassismus erfahren.

Aber in der Politik erlebe ich die meisten rassistische Beschimpfungen, vor allem in den sozialen Medien kriegt man einiges ab. Eines der harmloseren Beispiele war: «Du bisch kei Eidgenoss, also hesch ir Politik nüt verlore!»

Ich habe mich damit abgefunden, dass ich definitiv mehr Wahlkampfaufwand als andere betreiben muss. Es dauert wohl einfach länger, bis man mich akzeptiert. Man muss mich und meine Arbeit kennen!

Stadt Wettingen.
Stadt Wettingen. - Nau.ch / jpix.ch

Nau.ch: Warum machen Sie «Diversity» nicht zum Wahlkampfthema?

Orun Palit: Vielleicht sollte ich das. Ich wäre sehr gerne ein Vorbild für andere engagierte Menschen mit Migrationshintergrund.

Vor allem möchte ich ein Vorbild für unsere Tochter sein, ihr zeigen, dass man als «Person of Colour» in der Schweiz mit viel Fleiss und Arbeit einiges erreichen kann.

Aber eigentlich will ich bei meinen Themen bleiben und mich nicht verstellen. Meine Kompetenzen als Ökonom liegen bei den Wirtschaftsthemen.

Gerade jetzt nach der Corona-Pandemie brauchen wir doch Politiker, die sich mit Finanzen auskennen.

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