Ausländer vom politischen Leben auszuschliessen ist riskant, es birgt ein Demokratiedefizit. Dies meint Simon Rageth (GLP). Ein Gastbeitrag.
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Simon Rageth sitzt für die GLP im Grossen Rat des Kantons Graubünden. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Als Ausländer muss man zehn Jahre warten, bis man mit dem Pass das Wahlrecht bekommt.
  • Einige Kantone und Gemeinden gestehen ebendieses auf entsprechender Ebene bereits zu.
  • Der Rest des Landes sollte da mitziehen, meint Grossrat Simon Rageth von den GLP.
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In der Schweiz haben Ausländer heute das Recht, frühestens nach zehn Jahren in der Schweiz eine Einbürgerung zu beantragen. Für die Schweizer Gesellschaft ist es sehr wichtig, dass diese Personen gut in die Gesellschaft integriert werden. Die Zahl der Einbürgerungen in der Schweiz ist seit 2017 zurückgegangen, der Anteil Ausländer ist in den vergangenen Jahren entsprechend kontinuierlich gestiegen und beträgt heute gut 25 Prozent.

In Graubünden liegt der Anteil mit rund 19 Prozent bei gut 201'000 Einwohner etwas tiefer, davon stammen gut 65 Prozent aus den Nationen Portugal, Deutschland, Italien und Österreich. 18'076 Personen (neun Prozent der Bevölkerung) haben eine Niederlassungsbewilligung C.

Die Rechnung ist einfach: Prozentual immer weniger Menschen, welche in der Schweiz und in Graubünden leben, arbeiten und Steuern zahlen, dürfen bei Wahlen und Abstimmungen teilnehmen. Dies schafft eine Schere, welche ich als gefährlich betrachte. Denn wer nicht mitbestimmen darf, kann sich ausgeschlossen fühlen und es entstehen Gräben, welche auch in anderen Ländern Europas bereits bestehen.

Kurz gesagt: Es besteht ein Demokratiedefizit, wenn das Volk nicht mitbestimmen kann. Dieses Defizit kann reduziert werden, wenn Ausländer am politischen Leben teilnehmen dürfen. Diese Möglichkeit gibt es in der Schweiz.

Abstimmungs- und Wahlrecht existiert bereits auf kantonaler und kommunaler Ebene

In zwei Kantonen (Neuenburg und Jura) dürfen Ausländer auf kantonaler Ebene abstimmen und wählen (aktives Wahlrecht). Sie können sich jedoch nicht selbst zur Wahl stellen (kein passives Wahlrecht). Volle Stimm- und Wahlrechte auf kommunaler Ebene haben Ausländer in vier Kantonen (Neuenburg, Jura, Waadt, Freiburg). Der Kanton Genf hat auf kommunaler Ebene ein Stimm- und aktives Wahlrecht.

Der Kanton Graubünden ist einer von drei Kantonen (mit Appenzell Ausserrhoden und Basel-Stadt), welcher ein fakultatives Stimm- und Wahlrecht auf kommunaler Ebene hat. Das heisst, dass Gemeinden dieses Recht für Ausländer selbstständig einführen können. Aktuell haben bereits 32 Gemeinden in Graubünden von diesem kommunalen Wahl- und Stimmrecht Gebrauch gemacht. Ausländer haben in Graubünden bis heute jedoch nicht die Möglichkeit, an kantonalen Abstimmungen und Wahlen teilzunehmen.

Wählen
Wählen. (Symbolbild) - pexels

Dieser Mosaikstein fehlt noch, um diese für Wirtschaft und Gesellschaft wichtige Bevölkerungsgruppe auch politisch in Graubünden zu integrieren.

Jeder fünfte Mensch in Graubünden gehört nicht zu der exklusiven Gruppe mit Schweizer Pass, welche mitbestimmen darf. Doch auch diese rund 20 Prozent der Bevölkerung sind ein äusserst wichtiger Bestandteil unserer demokratischen Gesellschaft. Es sind Menschen, die hier arbeiten und damit unsere Wirtschaft stützen, es sind Menschen, welche in unseren Sport- und Kulturorganisationen Freiwilligenarbeit leisten, es sind Menschen, die hier Steuer zahlen und damit zu unserem Wohlstand beitragen, es sind Menschen wie du und ich, einfach ohne Schweizer Pass.

Schweizer Pass soll hohe Bedeutung beibehalten

Der Schweizer Pass ist ein hohes Gut, welches er auch bleiben soll. Die Frage, die sich stellt, ist, ob ein Wahl- und Stimmrecht im Integrationsprozess eines Menschen vor oder nach diesem Schweizer Pass steht. Aus meiner Sicht kann dieses Recht ohne weiteres zeitlich vor dem Schweizer Pass kommen.

Reisepass
Schweizer Pässe. (Symbolbild) - keystone

Dies kann uns dazu helfen, dass jene Menschen, welche wir dann später zu «Schweizern» küren bereits gut in unser gesellschaftliches und unser politisches Leben und Denken integriert sind.

Teilen Sie die Auffassung, dass es Ausländern erleichtert werden soll, abzustimmen und zu wählen?

Die Schweiz ist ein Einwanderungsland, wir haben eine internationalisierte Wirtschaft und eine hohe Mobilität innerhalb des Landes. In einer freien und selbstbestimmten Schweiz sollen diejenigen mitentscheiden dürfen, die von politischen Entscheidungen betroffen sind. Und zwar insbesondere dann, wenn diese Menschen unsere Werte vertreten und leben.

Denn unser Ziel sollte sein, die Mitbestimmung mit möglichst vielen Menschen in der Schweiz zu teilen, wenn diese in unsere Gesellschaft passen. So leben wir Demokratie.

Zum Autor: Simon Rageth lebt in Zizers GR und sitzt für die Grünliberalen im Grossen Rat des Kantons Graubünden. An der Universität Zürich hat er Publizistik- und Kommunikationswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre und Internationale Politik studiert.

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