Finanzen Bern: Wieso lockt das goldene Vreneli ewig?
Seit über 100 Jahren bricht das Goldvreneli Tabus. Für den Jahrgang 2025 muss man fast obszöne Preise hinblättern. Gut, sind auch noch Silbermünzen unter uns.

Das Wichtigste in Kürze
- Bis 1967 waren Münzen ab 50 Rappen aus Silber.
- Die Münzstätte in Bern setzt auf limitierte Sondermünzen.
- Das Vreneli sorgt seit über 100 Jahren für Überraschungen.
Mein kleiner Tick: Ich achte bei Schweizer Münzen aufs Prägejahr. Denn manche 10-Räppler sind gelebte Geschichte – sie sind die ältesten unveränderten Umlaufmünzen der Welt. Und wer weiss, vielleicht steckt zwischen all den grauen Stücken noch ein Silberschatz?
Bis 1967 prägte die Eidgenössische Münzstätte Swissmint nämlich alle Münzen ab 50 Rappen in Silber. Die Chance noch einen silbernen Fünfliber zu ergattern, ist immerhin grösser als die, den Jackpot im Lotto zu knacken!
Jedes Vreneli ist «made in Bern»
Eine ähnliche Glückssträhne brauchte, wer das neue 100-Franken-Goldvreneli zum offiziellen Preis von 3500 Franken erwerben wollte. Swissmint fertigte nur 2500 Vreneli an, gab einige davon an vertraute Händler weiter – und verkaufte die restlichen am 1. Juli online. Diese gingen in Windeseile weg.
Heerscharen von Sammlerinnen und Sammlern grollten mit zornroten Köpfen vor dem Bildschirm. Wer jetzt ein Exemplar des mondänen Vrenelis will, muss bei Versteigerungen über 10’000 Franken hinblättern, etwa auf Ricardo.ch.
Jedes Vreneli, jeder Franken, jeder Rappen in Münzform ist «made in Bern». 1906 nahm die Münzstätte im Berner Kirchenfeld ihren Betrieb auf. Sie gehört zum Eidgenössischen Finanzdepartement.
Im Gegensatz zu Steuerämtern kämpft sie mit einem schrumpfenden Markt. Der Bedarf an Bargeld sinkt. Um die Bundeskasse zu füllen, sind die 17 Mitarbeitenden darum erfinderisch in der Kreation von Sondermünzen.
Franken verlor an Kaufkraft
Mit dem neuen Goldvreneli wollte Swissmint das 100-jährige Jubiläum der legendären 100-Franken-Goldmünze feiern. Dabei verärgerte sie aber gerade viele Hardcore-Fans. Dabei hätten die Münzschmiede mehr und kleinere Brötchen backen können: Schliesslich kursierten früher auch 10- und 20-Franken-Goldmünzen.
Damit bezahlte man damals fast so locker wie heute mit Twint. Aktuell kosten die Stücke über 200 respektive 500 Franken. Diese Wertentwicklung spiegelt, dass selbst der «starke» Franken massiv an Kaufkraft verloren hat – nicht aber Gold.

Für Skandale hatte das Vreneli allerdings schon in seinen Anfängen gesorgt. «Zu jung, zu sexy», befand die Jury als das adrette Münz-Mädchen den Schönheitswettbewerb des Eidgenössischen Finanzdepartements anno 1895 gewann. Obendrein wetterten die Berner Beamten gegen Klischees: «Bitte keine Bergkulisse. Wir Schweizer sind doch mehr als Hirten und Hoteliers!»
Locke ab!
Rasch bändigte der Neuenburger Künstler Fritz Ulisse Landry Vrenelis Haare mit einem Zopf – bürgerlich heisst sie Helvetia – und hängte ihr Edelweisse an. Doch der Leidensweg setzte sich fort. Als 1897 ein Magistrat die Münzen prüfte, zeigte er sich hochbesorgt: Die Stirnlocke verleihe «ein frivoles Aussehen». Das sei unwürdig für die Schweiz. Kurzerhand schnitt Landry auch diese Locke ab.
Die Münze brach dennoch alle Tabus in der internationalen Geldszene – und eroberte die Herzen der Schweizerinnen und Schweizer im Nu. Heute ist sie weltweit heiss begehrt.
Schade, hat sich das Gremium von Swissmint den Online-Verkauf nicht so pingelig angeschaut wie das Sujet auf Gold. Weil man bei Sammlermünzen ohnehin zu einem Grossteil den Liebhaberwert bezahlt, ist die Jagd nach Silbermünzen auf jeden Fall risikoärmer als jene nach dem neuen Vreneli.
Zum Autor
Stephan Lehmann-Maldonado hat schon als Kind Münzen gesammelt (Bitcoins gab es damals noch nicht) und sich während seines Wirtschaftsstudiums an der Universität Zürich auf Banking und Finance spezialisiert. Parallel dazu, schrieb er bereits für Wirtschaftsmedien, unterrichtete als Handelslehrer und vertiefte sein Wissen in der Bankpraxis. Heute führt er eine Agentur für klare Kommunikation – und freut sich, wenn sich auch die Finanzbranche damit anfreunden kann.