Unser Halleluja-Kolumnist ist heute ungewohnt bissig unterwegs. Ein Artikel in einem deutschen Magazin gab dazu den Anlass.
Sam Urech besucht die Freikirche FEG Wetzikon.
Sam Urech besucht die Freikirche FEG Wetzikon. - Nau.ch
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Das Wichtigste in Kürze

  • Sam Urech aus dem Zürcher Oberland ist Halleluja-Kolumnist auf Nau.ch.
  • Hat er recht oder irrt er sich? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar.
  • Den Autor erreichen Sie per E-Mail unter sam@hiSam.ch

Was würden Sie tun, wenn Sie Journalist wären und gerne sogenannte Evangelikale und Freikirchler in die Pfanne hauen möchten?

Ganz einfach: Sie suchen sich Menschen in der Freikirchen-Szene aus, die in Ihre Story passen und konfrontieren daraufhin deren politischen Vertreter damit.

Ach, kommt gut an, wenn Sie dem zuvor noch sagen: «Ich strebe eine solide Recherche an, gerade auch um die einseitige Berichterstattung über Evangelikale differenzierter zu gestalten.»

Mehrheit oder Splittergruppe?

Genau so passiert in Deutschland: Der politische Beauftragte der «Evangelischen Allianz» heisst Uwe Heimowski. In einem 90-minutigen Gespräch will der Journalist unter anderem von ihm wissen, was er denn über «Christen im Widerstand» denke. Eine kleine Gruppierung aus Berlin, die sich gegen Corona-Massnahmen wehrt.

Heimowski erklärt dem Reporter, dass diese Gruppe nicht zur «Evangelischen Allianz» gehöre und den Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden verlassen hätte.

Mit anderen Worten: Eine kleine Splittergruppe, die sich mit keiner freikirchlichen Gemeinschaft verbindet, also ihr eigenes Ding dreht.

Einmal Teufelsaustreibung und zurück

Oh nein, was tun Sie jetzt? Nur über eine kleine Gruppierung berichten? Pustekuchen: Spülen Sie einfach das 90 minütige Gespräch mit Heimowski und kneten Sie die Story so, wie sie Ihnen passt.

Prompt erscheint Ihr Artikel in der aktuellen «Spiegel»-Ausgabe:

Spiegel Titel und Lead
Titel und Einstieg deuten an, in welche Richtung der Artikel geht. - Printscreen «Der Spiegel»

Ein Artikel, der sämtliche Vorurteile und Klischees bedient. Es geht da nicht nur um Covid-19, sondern auch um Homosexualität, Teufelsaustreibung und die Ablehnung der Evolutionstheorie.

Damit nicht genug, natürlich müssen auch «kein Sex vor der Ehe», Spenden, Abtreibung zur Sprache kommen und, dass Evangelikale Donald Trump mögen würden.

Fantastisch dann noch dieser Satz: «Politisch finden viele Evangelikale in der AfD eine Heimat.» Dass Heimowski dem Reporter erklärt hat, dass kein führender AfD-Politiker evangelikal ist oder zu einer Freikirche gehört – egal. Passt nicht in die Story.

Ja, auch Freikirchler machen Fehler

Ich gebe zu, mein Ton ist gehässig, vielleicht zu emotional. Und ja, es stimmt, dass es Freikirchen gibt, die zu Corona-Hotspots wurden. Durch Unachtsamkeit, durch die Enge der oft gut gefüllten Hallen, durch den Gesang.

Und ja, es gibt Freikirchler, die die Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie kritisch hinterfragen. Es gibt diese Stimmen aber auch beim EHC Wetzikon, bestimmt auch beim SC Bern.

By the way: Man darf, ja man soll, kritisch hinterfragen. Wer sein scharfsinniges Denken einstellt und nur nachrennt, wird zum Spielball ohne Kompass.

Hat Sam recht, darf man Corona-Massnahmen wirklich hinterfragen?

Sicherheitskonzept der FEG Wetzikon

Ich erzähle Ihnen nun mal, wie das in meiner Freikirche abläuft. Wenn Sie sich dem Gebäude nähern, ist eine Maske zu tragen. Jeder Gottesdienstbesucher schreibt auf, wo er sitzt. Enge Räume oder Durchgänge wurden gesperrt.

Unser Sicherheitskonzept treibt BAG-Koch Freudentränen in die Augen.

Kein (!) aktuelles Bild.
Kein (!) aktuelles Bild: Derzeit gibts Freikirche nur mit Abstand und Maske. - AdobeStock

Warum wird mit so harten Bandagen gekämpft?

Aber nun zu meiner eigentlichen Frage: Was bringt es unserer Gesellschaft, wenn eine Menschengruppe verleumdet und gedemütigt wird?

Diffamierung ist spätestens in diesem Jahr salonfähig geworden. Menschen pauschal aburteilen, in die Ecke stellen, sich über sie lustig machen, Unwahrheiten verbreiten. Ist das eine Gesellschaft, wie Sie sie sich wünschen?

Dieser besagte Artikel hat zur Folge, dass Leute Freikirchler verachten und, dass Freikirchler, die begreifen, wie haarsträubend schlecht recherchiert wurde, den Journalisten oder die Medien verachten.

Die Spaltung der Gesellschaft

Verachtung bezwecken zu wollen, ist immer falsch. Natürlich können Sie mir nun vorwerfen, dass ich mit meiner heutigen Kolumne ja einen Journalisten mitten auf die Zwölf angreife und Verachtung provoziere.

Sie haben recht. Und genau da liegt das Problem: Wer diffamiert wird, setzt sich zur Wehr und schlägt zurück. Das Ende einer friedlichen Gesellschaft.

Zum Autor:

Sam Urech ist 36-jährig, verheiratet und Vater von zwei Buben. Mit seiner Familie besucht er die Freikirche FEG Wetzikon. Sam hat viele Jahre beim Blick als Sportjournalist gearbeitet und ist heute Inhaber der Marketing Agentur «ratsam».

Er liebt seine Familie, seine Kirche, Guinness, Fussball, Darts, den EHC Wetzikon, Preston North End und vor allem Jesus Christus. Sam schreibt wöchentlich auf Nau.ch über seine unverschämt altmodischen Ansichten. Hier finden Sie alle seine Halleluja-Kolumnen.

Fragen oder Anregungen? Schreiben Sie Sam ein Email: sam@hiSam.ch

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