Laut Studie begaben sich dieses Jahr deutlich weniger Schlaganfall-Patienten in Behandlung. Das sei fatal. Ein Gastbeitrag von Martin D. Rosenfeld.
Martin D. Rosenfeld.
Martin D. Rosenfeld, der Geschäftsleiter von FRAGILE Suisse, schreibt auf Nau.ch einen Gastbeitrag. - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Martin D. Rosenfeld ist Geschäftsleiter von FRAGILE Suisse.
  • FRAGILE Suisse setzt sich seit über 30 Jahren für Menschen mit Hirnverletzung ein.
  • Viele Hirnschlag-Anzeichen werden aufgrund von Covid-19 nicht sofort behandelt.
  • Betroffene stehen nach einer Hirnverletzung oft vor einem Neuanfang.

Laut einer Studie begaben sich dieses Jahr deutlich weniger Schlaganfall-Patienten in Behandlung.

Es wird vermutet, dass einige Betroffene die Anzeichen nicht erkannt haben oder sich aus Angst, sich mit dem Coronavirus anzustecken, nicht in ärztliche Behandlung begaben.

FRAGILE Suisse möchte aufzeigen, wie wichtig es ist, allfällige Anzeichen zu erkennen und sich umgehend in notfallmedizinische Behandlung zu begeben.

Hirnschlag-Anzeichen werden von Covid-19 verdrängt

Die Berichterstattung über die Covid-19-Pandemie verdrängt zurzeit den Blick auf andere schwerwiegende Erkrankungen. Der Hirnschlag (auch Schlaganfall) ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen. In der Schweiz erleiden jährlich ca. 16'000 Menschen einen Hirnschlag.

Ein Fünftel der Betroffenen stirbt innert kurzer Zeit. Von den Überlebenden erleidet ein Drittel schwerwiegende bleibende Behinderungen, die zur Invalidität führen. Leichtere Folgeschäden kommen darüber hinaus häufig vor.

Ambulanz.
Es muss unverzüglich der Notruf (144) alarmiert werden. - keystone

Heimtückisch beim Hirnschlag ist: Nur in wenigen Fällen gibt es Anzeichen. Er entsteht sozusagen aus dem Nichts, von einer Minute auf die andere.

Hier ist rasches Handeln entscheidend. Es muss unverzüglich der Notruf (144) alarmiert werden, damit die betroffene Person sofort in ein spezialisiertes Spital eingewiesen werden kann.

Rasches Handeln ist nötig

Time is brain: Jede Minute zählt. Nur eine rasche Behandlung kann verhindern, dass weitere Hirnzellen absterben und dadurch wichtige Hirnfunktionen dauerhaft geschädigt werden.

Rasches Handeln ist nötig, auch in Zeiten mit dem Coronavirus. Die Intensivstationen in den Spitälern sind zurzeit überlastet. Dennoch gibt es in den sogenannten Stroke Units und Stroke Centers der Spitäler ausreichend Aufnahmekapazität für Hirnschlag-Patienten.

Es wäre fatal, aus Angst vor Ansteckung oder Zurückhaltung wegen dem aktuellen Pflegeplatznotstand auf eine Spitaleinweisung zu verzichten.

Röntgenbild.
Nur eine rasche Behandlung kann verhindern, dass weitere Hirnzellen absterben. - zVg

Wie erkennt man einen Schlaganfall? Es gibt verschiedene Symptome, welche je nach Schwere des Hirnschlags auftreten. Es sind dies:

- Lähmungserscheinungen. Es ist nicht mehr möglich den Arm oder das Bein zu heben oder eine Gesichtshälfte ist gelähmt

- Plötzlich auftretende sehr starke Kopfschmerzen

- Sprach- und Sprechstörungen

- Sehverluste

- Starkes Schwindelgefühl und Einschränkung der Beweglichkeit

Vielfach sind es Dritte, die sofort realisieren, dass bei einer Person etwas nicht stimmt. Daher ist es wichtig, die Symptome zu kennen.

Betroffene stehen vor einem Neuanfang

Nach einer Hirnverletzung ist häufig nichts mehr wie es vorher war. Betroffene stehen oft vor einem Neuanfang. Sie müssen unter Umständen wieder lernen zu reden, zu laufen und andere wichtige Fähigkeiten neu erwerben. Das ist nicht nur für die Patienten selber schwierig, sondern auch für die Angehörigen und ihr Umfeld.

Frau mit Hand vor Gesicht.
Nach einer Hirnverletzung ist häufig nichts mehr wie es vorher war. - zVg

Das alles hört sich nicht nur dramatisch an, es ist dramatisch. Deshalb unser dringlicher Appell.

Denn ein Schlaganfall stellt das Leben von einer Minute auf die andere auf den Kopf. Die Folgen eines Hirnschlags oder einer anderen Hirnverletzung (zum Beispiel Schädel-Hirn-Trauma oder Hirntumor) sind individuell und können sehr unterschiedlich sein.

Sie reichen von körperlichen Folgen, insbesondere Halbseitenlähmung, Aphasie (Sprechstörungen) bis hin zu kognitiven und emotionalen Einschränkungen, die von aussen nicht immer erkennbar sind.

Die Not und der Leidensweg der Betroffenen und ihrer Angehörigen sind oftmals sehr gross, wie unsere Mitarbeitenden in ihrer Arbeit mit Menschen mit Hirnverletzung täglich erfahren.

Trotzdem gibt es zwei gute Nachrichten:

Erstens: Prävention

Auch wenn man einen Schlaganfall nicht verhindern kann, ist es möglich, die Risiken für einen Hirnschlag zu minimieren. Entscheidend sind ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung, gesunder ausgewogener, besonders fettarmer Ernährung, Verzicht aufs Rauchen und übermässigen Alkoholkonsum. Als Risikofaktoren gelten zudem Übergewicht, Stress, Herz-Kreislauf-Probleme und Diabetes.

Zweitens: Therapiemöglichkeiten

Das Gehirn ist lernfähig. Dank intensiven Trainings bilden sich neue Nervenverbindungen und verlorene Fähigkeiten können neu erlernt werden. So sind mit gezielter Therapie Verbesserungen und Fortschritte auch lange Zeit nach dem Hirnschlag noch möglich.

Das menschliche Gehirn ist das Steuerzentrum für Wahrnehmung, Bewegung, Denken, Erinnerung, Emotionen sowie Verhalten und Sitz des menschlichen Bewusstseins. Die Gesundheit des Gehirns ist daher von zentraler Bedeutung.

Infobox zu FRAGILE Suisse

FRAGILE Suisse setzt sich seit über 30 Jahren für Menschen mit Hirnverletzung und deren Angehörige ein. Als Fach- und Selbsthilfeorganisation bietet sie vielfältige Dienstleistungen in der ganzen Schweiz. Neben der Beratung, begleitetem Wohnen und Selbsthilfe wird das Angebot durch ein umfangreiches Kursprogramm für Betroffene und Angehörige sowie Weiterbildungen für Fachpersonen ergänzt.

So erhalten Menschen mit einer Hirnverletzung und ihr Umfeld die Möglichkeit, sich sowohl mit Fachpersonen als auch untereinander auszutauschen und die nötige Unterstützung auf ihrem Weg zurück in einen möglichst selbstständigen Alltag.

Weitere Informationen zum Thema Hirnverletzung und zu den Dienstleistungen von FRAGILE Suisse finden Sie unter fragile.ch.

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