In seiner zweiten Kolumne erklärt SVP-Nationalratskandidat Hans-Ulrich Bigler, weshalb Forderungen nach einer 38-Stunden-Woche den Fachkräftemangel verschärfen.
Kolumne Hans-Ulrich Bigler
In seiner zweiten Nau.ch-Kolumne zeigt SVP-Nationalratskandidat Hans-Ulrich Bigler Forderungen nach einer 38-Stunden-Woche die rote Karte. - Nau.ch / Simone Imhof
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Das Wichtigste in Kürze

  • Hans-Ulrich Bigler ist SVP-Nationalratskandidat und neuer Nau.ch-Kolumnist.
  • Der Ökonom zeigt der 38-Stunden-Woche die rote Karte: Die Forderung sei problematisch.
  • Es könne nicht angehen, dass Politiker das Geld von anderen mit grossen Händen verteilten.

Vor einiger Zeit traf ich an einem Anlass im Glarnerland auf einen Caterer, der die für Events typischen «Apéro riche» organisiert. Er klagte darüber, dass er keine Fachkräfte mehr finde. Auf meine Frage nach Lösungen kam die lapidare Antwort: Meine Leute und ich machen Überzeit, um unsere Kunden zufriedenstellen zu können.

Szenenwechsel in eine Zürcher Landgemeinde. Die Stadt Affoltern am Albis leidet unter dem Fachkräftemangel. Laut Medienmitteilung sei insbesondere in der Pflege und in der Verwaltung die Stellenbesetzung zunehmend schwieriger. Das erstaunt nicht, Fachkräftemangel steht ganz oben auf dem Sorgenbarometer der Wirtschaft.

Reduzierte Arbeitszeit gegen Fachkräftemangel? Problematisch!

Erstaunlich ist allerdings der Vorschlag des Stadtrates. Man gibt sich fortschrittlich und reduziert die Arbeitszeit von 42 auf 38 Stunden pro Woche. Selbstverständlich bei gleichem Lohn. Man will attraktiv sein und damit die fehlenden Fachleute anziehen. Selbstverständlich fehlt dabei der Hinweis auf eine «bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf» und «die Attraktivität auch bei der jungen Generation» ebenso wenig.

38-Stunden-Woche
Die 38-Stunden-Woche in Affoltern am Albis hätte eine Zunahme des Personalaufwands um fast zehn Prozent zur Folge. Die jährlichen Kosten werden auf 2,3 Millionen geschätzt. (Symbolbild)
38-Stunden-Woche
Diese Kosten müsste der Steuerzahler berappen – obwohl die Massnahme den Fachkräftemangel keineswegs lindern könnte, wie SVP-Nationalratskandidat Hans-Ulrich Bigler erklärt. (Symbolbild)
38-Stunden-Woche
In der Privatwirtschaft hingegen müssten diese zusätzlichen Kosten von den Unternehmen selbst gestemmt werden: Das Resultat sind gravierende Arbeitsmarktverzerrungen. (Symbolbild)
38-Stunden-Woche
Durch die Vorreiterrolle der Verwaltung mit ihren feudalen Arbeitsbedingungen kommen Unternehmen unfair unter Druck, gutes Personal zu rekrutieren. (Symbolbild)
38-Stunden-Woche
SVP-Nationalratskandidat Hans-Ulrich Bigler ist überzeugt: «Politikern, die in erster Linie das Geld der anderen verteilen wollen, gehört die rote Karte verteilt.» (Symbolbild)

Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zunächst führt das zu einer Zunahme des Personalaufwandes von 9,5 Prozent. Die jährlich wiederkehrenden Kosten werden auf 2,3 Millionen Franken geschätzt. Dies laut Schätzung des Stadtrates. Wie fundiert diese ist, bleibt offen.

Ebenso störend ist die Tatsache, dass diese massiven Kosten vom Steuerzahler zu berappen sind. Dies notabene in einer Gemeinde, die im Kanton Zürich einen der höchsten Steuerfüsse hat. Eine Strategie zur Steuersenkung sieht anders aus, als die Bevölkerung mit Zusatzlasten zu beglücken.

Arbeitszeitreduktion durch zusätzliche Arbeitnehmer kompensieren

Offen bleibt der Erfolg. 350 Angestellte laut Stadtrat «von der Pflege bis zur Feuerwehr» werden sich ob des unerwarteten Reibachs die Hände reiben. Weniger arbeiten, bei gleichem Lohn, wer will das nicht. Allerdings verschärft der Stadtrat damit den eigenen Fachkräftemangel noch mehr.

38-Stunden-Woche
Hans-Ulrich Bigler ist überzeugt: Jeder würde gerne bei gleichem Lohn weniger arbeiten – doch dem Fachkräftemangel könne man auf diese Weise nicht begegnen. (Symbolbild) - keystone

Eine Arbeitszeitreduktion muss durch zusätzliche Arbeitnehmende kompensiert werden. Ein Widerspruch per se, angesichts des beklagten Fachkräftemangels. Und im krassen Gegensatz zum einleitend geschilderten KMU.

Auch Unternehmungen reduzieren ihre Arbeitszeit, mag man einwenden. Das ist in Einzelfällen richtig, von einem generellen Trend zu sprechen, ist hingegen weit verfehlt. Kommt noch hinzu, dass die daraus resultierenden Mehrkosten von den Unternehmungen selber zu verdienen sind. Sie können nicht einfach auf die Steuerzahler verschoben werden. Und nur schon da zeigt sich, wie einfach sich der Stadtrat die Sache macht.

Rote Karte für Politiker, die Steuergelder verschleudern!

Noch gravierender ist die Arbeitsmarktverzerrung, die die KMU in der Region ganz direkt und unmittelbar trifft. Durch die Vorreiterrolle der Stadt mit ihren feudalen Arbeitsbedingungen kommen Unternehmungen unfair unter Druck, gutes Personal zu rekrutieren. Es sind aber genau diese KMU, die die Kosten der Verwaltung weitgehend mit ihren Steuergeldern finanzieren.

Da vermag es nicht zu erstaunen, dass der Gewerbeverein beim Stadtrat geharnischt interveniert und mächtig Druck gemacht hat, auf diese Massnahme zu verzichten. Es bleibt zu hoffen, dass es sich schliesslich um eine Anekdote für das mediale Sommerloch handelt. Politikern, die in erster Linie das Geld der anderen verteilen wollen, gehört die rote Karte verteilt.

Zeigen Sie Politikern, die in erster Linie das Geld der anderen verteilen wollen, auch die rote Karte?

Es kann nicht angehen, dass man auf dem Buckel der Steuerzahler Probleme der Verwaltung lösen will und gleichzeitig die KMU durch unfaire Arbeitsmarktkonkurrenz massiv unter Druck setzt. Der Stadtrat hat unter dem politischen Druck in der Zwischenzeit eine Abstimmung anberaumt. Gelegenheit zur Korrektur durch die Stimmbürger.

Zur Person: Hans-Ulrich Bigler ist Ökonom und war von 2008 bis 2023 Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Er ist im Vorstand mehrerer Verbände und sass von 2015 bis 2019 für die FDP im Nationalrat. Nach seinem Wechsel zur SVP ist Hans-Ulrich Bigler erneut Kandidat bei den Wahlen 2023.

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