Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf hinkt die Schweiz massiv hinterher. Darum braucht es ein Ja zu einer Elternzeit im Kanton Bern. Ein Gastbeitrag.
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David Stampfli ist SP-Grossrat im Kanton Bern. - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Am 18. Juni wird im Kanton Bern über eine Elternzeit abgestimmt.
  • Die Schweiz hinkt bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie massiv hinterher.
  • Deshalb braucht es ein klares Ja, findet SP-Grossrat David Stampfli in seinem Gastbeitrag.

Die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind in der Schweiz ungenügend. Gerade Familien mit kleinen Kindern sind im heutigen System extrem gefordert und bringen Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit kaum unter einen Hut. Um dies zu ändern, müssen wir ganz am Anfang ansetzen – nämlich mit einer Elternzeit nach der Geburt des Kindes.

Viele andere europäische Länder kennen die Möglichkeit einer solchen bezahlten Auszeit von der Erwerbsarbeit nach der Geburt. Die Erfahrungen aus diesen Ländern zeigen, dass eine genügend lange Elternzeit die Beziehung zwischen Eltern und Kind stärkt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert und die Gleichstellung von Frau und Mann fördert. Es ist Zeit, dass auch wir diesen Schritt machen und eine Elternzeit einführen.

24 Wochen Elternzeit im Kanton Bern

Aus diesem Grund wurde die Initiative für eine kantonale Elternzeit lanciert und im Frühling 2021 mit rund 20'000 Unterschriften erfolgreich eingereicht. Mit der Elternzeitinitiative soll im Kanton Bern zusätzlich zum eidgenössischen Mutter- und Vaterschaftsurlaub eine bezahlte Elternzeit von 24 Wochen eingeführt werden. Im internationalen Vergleich ist dies moderat. Die OECD-Länder gewähren eine durchschnittliche Elternzeitdauer von 51 Wochen.

Sind Sie für eine Elternzeit im Kanton Bern?

Zwar gibt es auch auf nationaler Ebene Ideen für eine Elternzeitinitiative. Dieses Projekt ist aber blockiert und kommt seit Jahren nicht vorwärts. Deshalb müssen progressive Kantone vorangehen, wie sie es auch schon bei der AHV oder dem Frauenstimmrecht getan haben.

So haben neben Bern auch Zürich, beide Basel, das Tessin und mehrere Westschweizer Kantone das Thema Elternzeit angepackt. Finanziert werden soll die Elternzeit ähnlich wie die Mutterschaftsversicherung. Modellrechnungen zeigen, dass gerade Frauen dank der Elternzeit mehr arbeiten gehen und dadurch auch mehr Steuern bezahlen, was die Kosten der Elternzeit wieder deckt.

Kanton Bern muss für Familien attraktiver werden

Eine aktuelle Studie des Büro Bass bestätigt, dass ein grosser Teil der Berner Bevölkerung Handlungsbedarf bei den Themen Elternzeit und Kinderbetreuung sieht. Demnach befürworten 77 Prozent der Teilnehmenden die Einführung einer Elternzeit. Das meistgenannte Argument für eine Elternzeit ist wenig überraschend der Fachkräftemangel.

Diesem kann mit einer höheren Erwerbsquote der Frauen begegnet werden. Weil dank der Elternzeit die Familienarbeit besser aufgeteilt wird, steigen Frauen nach der Geburt früher und in einem deutlichen höheren Prozentbereich wieder ins Erwerbsleben ein. Auch im Kanton Bern gibt es einen wachsenden Fachkräftemangel. Will der Kanton Bern nicht ins Hintertreffen geraten, muss er für Familien attraktiver werden und mit einer Elternzeit in die Zukunft investieren.

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David Stampfli ist Mitglied im Komitee der Elternzeitinitiative. - zVg

Selber kinderlos profitiere ich auf den ersten Blick nicht von einer Elternzeit. Dennoch setze ich mich mit Überzeugung für die Einführung einer Elternzeit ein.

Denn es ist im Interesse der ganzen Gesellschaft und der Wirtschaft, dass junge Paare Kinder haben und beide Elternteile am Erwerbsleben teilnehmen können. Am 18. Juni haben wir die historische Chance, im Kanton Bern eine Elternzeit einzuführen und so die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.

Zum Autor: David Stampfli ist SP-Grossrat im Kanton Bern und Mitglied im Komitee der Elternzeitinitiative.

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