Zürcher verlangt 165‘000 Fr. für Rückzug von Baurekurs
Ein Nachbarschaftsstreit eskaliert: Weil ein Zürcher für den Rückzug eines Baurekurses 165'000 Franken verlangte, wurde er wegen Erpressung verurteilt.

Das Wichtigste in Kürze
- Ein Mann verlangte 165’000 Franken, um einen Baurekurs zurückzuziehen.
- Er wurde deswegen wegen Erpressung zu zwölf Monaten bedingt verurteilt.
- Er muss das Geld samt Zinsen zurückzahlen sowie eine Busse & Verfahrenskosten übernehmen.
Seit über fünf Jahrzehnten lebt eine Seniorin in einem Einfamilienhaus am linken Zürichseeufer. Als auf dem Nachbargrundstück ein Neubau geplant wurde, wuchs ihre Sorge: Bald könnte die freie Seesicht verbaut sein. Die Mutter mochte den Eingriff nicht hinnehmen – und ihr Sohn reagierte.
Er liess das Bauprojekt juristisch prüfen. Als die Gemeinde die Baubewilligung erteilte, legte er Rekurs ein. Beanstandet wurde unter anderem eine angeblich zu hohe Ausnützung. Damit blockierte er das Bauvorhaben.
Die Bauherrin – eine Immobilienfirma – wollte den Konflikt lösen und bot der Nachbarin 20’000 Franken für den Rückzug des Rekurses an. Dazu sollte sie dem Unternehmen ein Vorkaufsrecht auf ihr Haus gewähren.
Für den Sohn der Seniorin war das keine Option. Stattdessen forderte er 165’000 Franken.
Er habe damit nur den erwarteten Wertverlust ihres Hauses ausgleichen wollen, erklärte er später vor Gericht. Die verbaute Aussicht mindere den Wert um rund zehn Prozent – das wären bis zu 300'000 Franken.
Die Baufirma lenkte ein und überwies das Geld. Der Rekurs wurde zurückgezogen.
«Es war nichts anderes als ein Lösegeld»
Doch die Geschichte war damit nicht zu Ende. Zwei Jahre nach dem Deal zeigte die Immobilienfirma den Mann an. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen Erpressung.
Der Fall wurde in der Folge diese Woche vor dem Bezirksgericht Horgen verhandelt. Darüber berichten unter anderem die «Tamedia»-Zeitungen.
Der Staatsanwalt sprach in der Verhandlung demnach von einem gefährlichen Signal: Immer häufiger würden Nachbarn Rekurse nutzen, um Vorteile herauszuschlagen – ohne echten Anspruch.
Der Beschuldigte habe gehofft, dass der Druck so hoch werde, dass die Immobilienfirma zahle, um einen noch grösseren Schaden oder sogar den Konkurs abzuwenden. «Es war nichts anderes als ein Lösegeld.»
Die Verteidigerin des Angeklagten sah das anders. Die Gegenseite habe selbst eine Zahlung für einen Rückzug des Rekurses ins Spiel gebracht. «Sie drängte den Beschuldigten geradezu.»
Geld zurück – plus Busse
Das Bezirksgericht Horgen folgte dieser Argumentation nicht. Der Mann wurde wegen Erpressung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Zwei Jahre beträgt die Probezeit.
«Sie haben skrupellos und dreist gehandelt», sagte der Gerichtspräsident bei der Urteilsverkündung. Zwar habe der Mann kooperiert – Einsicht oder Reue habe er aber nicht gezeigt.
Der Kern des Urteils: Wer Geld verlangt, ohne rechtlichen Anspruch und nur, um Druck auszuüben, begeht Erpressung. Selbst dann, wenn die Forderung vermeintlich «verhandelt» wurde. In diesem Fall habe es keinerlei echten Gegenwert gegeben.
Neben der bedingten Strafe muss der Verurteilte die 165’000 Franken plus 5 Prozent Zinsen an die Immobilienfirma zurückzahlen. Hinzu kommen 3000 Franken Busse und eine Entschädigung an die Firma für die Verfahrenskosten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Neubau ist mittlerweile fertig – und die neuen Bewohner sind bereits eingezogen.