Nach dem Ukraine-Krieg beginnen für sie die Herausforderungen in der Schweiz: Bei Nau.ch erklären fünf ukrainische Kinder, wie sie Deutsch lernen.
«So schwierig!» Ukrainische Schülerinnen und Schüler in Burgdorf BE erzählen von ihren Erfahrungen vom Deutschlernen. - Nau.ch/Riccardo Schmidlin

Das Wichtigste in Kürze

  • Fast alle ukrainischen Kinder und Jugendlichen in der Schweiz haben Zugang zu Bildung.
  • In Burgdorf BE werden sie separiert, ehe sie in die Regelschule integriert werden können.
  • Bei Nau.ch berichten fünf Kinder, der Schulleiter und eine Lehrerin von ihren Erfahrungen.
  • Die Willkommensklassen stossen dabei an die Grenzen. Auch wegen des Schutzstatus S.
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Der Ukraine-Krieg stellt das Schweizer Schulsystem vor enorme Herausforderungen. Mit rund 65'000 ukrainischen Geflüchteten, darunter vor allem Frauen und schulpflichtige Kinder, hat die Schweiz eine grosse Verantwortung übernommen.

In Burgdorf BE hat man auf diese Herausforderung eine bemerkenswerte Antwort gefunden. Nicht zuletzt aus logistischen Gründen, um 140 Kindern gleichzeitig Unterricht zu bieten.

Die ukrainischen Kinder wurden in speziellen Willkommensklassen aufgenommen, die ihnen den Übergang in den Regelunterricht erleichtern sollen.

Die Besonderheit: Die ukrainische Sprache bleibt ein fester Bestandteil des Schulalltags. Nicht nur im Gespräch mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern, sondern auch im Unterricht selbst. Die Kinder erhalten sogar speziellen Ukrainisch-Unterricht.

«Mehr Möglichkeiten hier» und «Handyverbot» – das sind die grössten Unterschiede zwischen der schweizerischen und der ukrainischen Schule. - Nau.ch/Riccardo Schmidlin

Nicht nur der zweisprachige Unterricht stellt die Kinder vor Herausforderungen, wie sich bei einem Besuch von Nau.ch zeigt. Denn nicht für jedes Kind ist das Deutschlernen gleichermassen schwer.

Dazu kommt: Die Schweizer Schule erleben die Kinder ganz anders als jene in der Ukraine. Im Gespräch mit Nau.ch staunen sie: «Hier gibt es mehr Möglichkeiten, weil die Lehrpersonen einen mehr unterstützen.» Oder: «Hier herrscht Handyverbot.»

Traumatisierende Erfahrungen aus Ukraine-Krieg dämpfen Lernerfolg

Zurzeit sind noch 28 Kinder in den Willkommensklassen, 73 konnten in die Regelschule integriert werden. Die Prägungen aus dem Ukraine-Krieg stehen dem Lernerfolg und damit einer Integration oft in der Quere.

Kennen Sie persönlich ukrainische Geflüchtete?

«Die Kinder sind traumatisiert bis schwer traumatisiert», erklärt Schulleiter Heinz Begré im Nau.ch-Interview. Diesen Kindern falle es dadurch schwer, sich auf den Unterricht konzentrieren zu können. Bei einigen kämen noch Lernbehinderungen dazu.

Begré erklärt: «In Kombination damit, dass sie zurück in die Ukraine möchten, ist es schwierig, diese Kinder in die Regelschule zu integrieren.»

Schulleiter Heinz Begré über die Herausforderungen: «Viele Kinder sind traumatisiert» – und «ihre Mütter sind gedanklich noch in der Ukraine». - Nau.ch/Riccardo Schmidlin

Es gibt aber auch andere Beispiele. Einige Schülerinnen und Schüler können sich bereits nach kurzer Zeit fliessend auf Deutsch verständigen. Das ist im Video ganz oben zu sehen und zu hören.

Schulleiter Heinz Begré erklärt das Dilemma: «Hätten wir die Schülerinnen und Schüler in Regelklassen unterrichtet, wäre ihr Deutsch besser. Dafür hätten sie kein Ukrainisch gelernt.»

Das besondere Konzept hat seine Gründe: Die Schülerinnen und Schüler sollen dadurch den Anschluss an ihre Heimat nicht verlieren. Der Schutzstatus S, den der Bundesrat als Reaktion auf den Ukraine-Krieg aktiviert hat, ist nämlich rückkehrorientiert.

Schutzstatus S dämpft Motivation zum Deutschlernen

Doch dieser Schutzstatus birgt nicht nur Vorteile. Die Möglichkeit einer Rückkehr könnte die Motivation zum Deutschlernen drastisch verringern, erklärt Begré.

Angesichts der Tatsache, dass kein Ende im Ukraine-Krieg in Sicht ist, wird der Schutzstatus mehr und mehr zu einer Illusion. Deshalb bereitet man sich in Burgdorf darauf vor, dass die Kinder nicht so schnell zurückkehren werden.

Lehrerin Mariia Lukatska, selber geflohen: «Ich habe viel Verständnis für die Kinder aufgrund der gemeinsamen Fluchterfahrung.» - Nau.ch/Riccardo Schmidlin

Ab Sommer werden die Willkommensklassen durch Förderklassen ersetzt – mit weitreichenden Konsequenzen. Der Unterricht auf Ukrainisch wird abgeschafft. Einzig in Projektstunden bleibt den Kindern die Möglichkeit, sich mit ihrer Heimat zu befassen.

Lehrpersonen, die nicht über ausreichend gute Deutschkenntnisse verfügen, verlieren ihre Stelle. Neue Schülerinnen und Schüler werden in den Förderklassen nicht mehr aufgenommen.

Der Schulleiter erklärt: «Unser Ziel ist es, sie zur Selbstständigkeit zu erziehen. Das wird aber länger dauern als in der Volksschule.»

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