Trotz Pflicht in Kitas nur geringer Anstieg gemeldeter Kinder
Seit einem Jahr müssen Kitas melden, wenn sie befürchten, dass ein Kind zu Hause misshandelt wird. Die Anzahl der registrierten Fälle stieg nur gering an.

Das Wichtigste in Kürze
- Seit einem Jahr gilt die Meldepflicht in Schweizer Kitas.
- MitarbeiterInnen müssen melden, wenn ein Kind vernachlässigt wird.
- Eine Kita-Mitarbeiterin erzählt von den Hürden, die eine solche Pflicht mit sich bringt.
Schon seit einem Jahr gilt die Meldepflicht in Schweizer Kindertagesstätten. Diese besagt, dass die Betreuungspersonen der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB melden müssen, wenn Kinder ihrem Anschein nach misshandelt oder vernachlässigt werden.
Doch wann weiss man mit Sicherheit, dass ein Kind zu Hause schlecht behandelt wird? Die Hemmschwelle ist noch immer gross, wie die Nachfrage zeigt.
Meldepflicht führte zu Sensibilisierung
Die KESB Bern blickt positiv auf das erste Jahr der Meldepflicht zurück. «Die Einführung der Meldepflicht für Kita-Mitarbeitende und andere Fachpersonen, die beruflich regelmässig Kontakt mit Kindern haben, hat aus Sicht der KESB des Kantons Bern auf jeden Fall zu einer wichtigen Sensibilisierung in Bezug auf die Kindesschutzthematik geführt», so Daniel Janett, Leiter des Sekretariats der Geschäftsleitung bei der KESB Bern.

Jedoch könne die KESB Bern keine signifikante Zunahme der Meldungen erkennen: «Dem Fallzahlenreporting der kantonal bernischen KESB kann entnommen werden, dass die Zahl der eröffneten Kindesschutzverfahren im 2019 im Vergleich zum Vorjahr grundsätzlich stabil geblieben, beziehungsweise nur eine leichte, nicht signifikante Zunahme zu verzeichnen ist», so Janett.
Kitas müssen sich an allgemeine Regelung halten
Eine Mitarbeiterin einer Kindertagesstätte im Kanton Aargau, die aus beruflichen Gründen anonym bleiben möchte, erzählt gegenüber Nau.ch von den internen Regelungen, die bei ihr im Betrieb gelten. «Wenn wir bemerken, dass ein Kind im Elternhaus schlecht behandelt wird, gibt es einen sogenannten Dienstweg, den wir gehen müssen», erklärt die junge Frau*.

«Zuerst muss man es der Gruppenleiterin melden, die das Anliegen dann an die Chefin des Betriebs weitergibt. Diese meldet das Problem dann einer der kantonalen Stellen.» Die kantonale Fachstelle, wie beispielsweise die KESB, würde dann den Vorfall übernehmen und mit den Eltern Kontakt aufnehmen.
Meldepflicht lindert Angst vor Konsequenzen nicht
Dass die Anzahl gemeldeter Fälle im letzten Jahr trotz Meldepflicht nur gering angestiegen ist, sieht eine weitere Kita-Mitarbeiterin* in der Angst vor allfälligen Konsequenzen: «Eine falsche Beschuldigung kann ja für Mitarbeiter und Eltern zu einem grossen Problem werden.»
Auch sei es sehr schwierig, ohne handfeste Beweise von einer Misshandlung sprechen zu können. Auch die Kinder selbst seien oftmals nicht zuverlässige Quellen. «Wenn es nicht direkte, physische Beweise für Misshandlungen gibt, kann man es sehr schwer einschätzen. Kinder erzählen manchmal auch Dinge, die gar nicht stimmen.»

Trotzdem seien die beiden Mitarbeiterinnen froh um die Meldepflicht und unterstützen diese: «Ich finde es menschenunwürdig, wenn man klare Beweise hat und es trotzdem nicht meldet. Daher bin ich froh, dass es diese Meldepflicht gibt.»
* Namen der Redaktion bekannt