«Trigger-Effekt»: Deshalb hat auch alkoholfreies Bier seine Tücken
Die Schweiz trinkt immer weniger Alkohol – besonders dank der Gen Z. Alkoholfreie Alternativen boomen und sorgen zugleich für neue Diskussionen.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz trinkt immer weniger Alkohol; besonders junge Menschen setzen auf Gesundheit.
- Alkoholfreie Biere und Weine erleben einen Boom, sind jedoch nicht unproblematisch.
- Kritik richtet sich an Branding und Marketing, die den Schritt zum Alkohol erleichtern.
Das Thema Alkohol ist in der Schweiz derzeit omnipräsent.
Das Schweizer Fernsehen SRF widmete dem Thema in der «Rundschau» vom Mittwoch einen langen Beitrag. Titel: «Tschüss Alkohol – Ist die Volksdroge out?»
Vor wenigen Monaten teilte das Bundesamt für Landwirtschaft mit, der Weinkonsum sei deutlich eingebrochen. Und in der Ostschweiz beklagen sich Brauereien über den gesunkenen Alkoholkonsum.
In der Schweiz wird immer weniger getrunken
Denn Fakt ist: In der Schweiz wird immer weniger getrunken. In den 1990er-Jahren trank noch jeder Fünfte täglich. Heute ist es noch etwa jede zwölfte Person.
Der Grund? Die Generation Z. Bei den 16-30-Jährigen ist der Konsum von Alkohol nicht mehr angesagt.
«Der sinkende Konsum ist Ausdruck des Megatrends Gesundheit», sagt Martin Bienlein vom Blauen Kreuz Schweiz auf Anfrage von Nau.ch.
Gesundheit und Sportlichkeit sind gerade bei der Gen Z zentrale Elemente im täglichen Leben.
Auch moderater Konsum ist gesundheitsschädlich
Klar: Dass Alkohol eben nicht gesund ist, wissen alle. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat jüngst in einer Studie erklärt, dass schon moderater Alkoholkonsum gesundheitsschädlich ist.
«Wer gesund leben will, verzichtet auf Alkohol», sagt auch Bienlein.

Was sind denn die Alternativen?
Für viele Menschen offenbar alkoholfreies Bier. Die Brauerei Schützengarten publizierte erst kürzlich ihre Zahlen, die repräsentativ sein dürften für die gesamte Branche.
Während das klassische Bier weniger verkauft wird, verzeichnete alkoholfreies Bier im letzten Jahr einen gewaltigen Zuwachs von 17 Prozent.
Grosser Zuwachs beim alkoholfreien Bier
Auch andere alkoholfreie Getränke verkaufen sich prächtig: Kaum ein Weihnachtsmarkt, bei dem man nicht an praktisch jedem Stand alkoholfreien Glühwein kaufen kann.
Doch: Sind die alkoholfreien Biere, Weine und Glühweine tatsächlich so viel gesünder und besser?
Die Fachleute sind sich da nicht so sicher. «Alkoholfreie Biere oder Weine sind ein zweischneidiges Schwert», sagt Bienlein.
«Der Schritt zurück zum Alkohol ist klein»
Und erklärt: «Natürlich sind sie besser als alkoholhaltige Getränke. Und wer alkoholfreie Alternativen geniesst, der kann nachher beispielsweise unbekümmert Autofahren.»
Aber: «Leider sind die alkoholfreien Biere in Design, Marketing und Geschmack ein Spiegel der alkoholhaltigen Getränke.»
Das sei problematisch für junge Menschen und solche, die keine Kontrolle über ihren Alkoholkonsum haben. Denn: «Der Schritt zurück zum Alkohol ist klein.»
Das bestätigt auch die Fachstelle Sucht Schweiz gegenüber Nau.ch. «Für einige Menschen, die früher eine Abhängigkeit von Alkohol hatten, können solche Getränke potenziell einen Trigger-Effekt haben.»
Sucht Schweiz erwähnt noch einen anderen Aspekt: «Weitere geäusserte Bedenken gehen dahingehend, dass mit der Vermarktung alkoholfreier/armer Varianten Beschränkungen für die Alkoholwerbung ausgewichen werden soll.»
Schleichwerbung für Alkohol?
Der Erfolg dieser Getränke könne überdies auch dafür genützt werden, einen grösseren Einfluss auf die Alkoholpolitik zu erlangen.
Auch Sucht Schweiz wünscht sich daher ein anderes Branding von alkoholfreien Getränken wie Bier und Wein.
Denn: «Die kommerziellen Akteure vermarkten alkoholfreie/alkoholarme Getränke als Ergänzung zum bestehenden alkoholhaltigen Sortiment.»
Dabei wird versucht, «das Branding von Alkoholmarken in anderen Settings zu normalisieren.»

Bezüglich Jugendschutz sagt Sucht Schweiz: «Jugendliche können sich potenziell an den Geschmack gewöhnen. Das kann später die Hemmschwelle senken, die alkoholische Variante auszuprobieren.»
Das heisse nicht, dass jede/r Jugendliche dadurch automatisch Alkohol trinken wird. «Aber es ist ein begünstigender Faktor.»
Alkoholfreies Bier, Wein oder Glühwein ohne Alkohol haben also durchaus ihre Schattenseiten.
Vorteile im Strassenverkehr
Trotzdem betont Sucht Schweiz auch die Vorteile: «Alkoholfreie Varianten bieten immerhin eine Alternative.»
Wenn die Menschen bei gewissen Gelegenheiten bewusster entscheiden würden, ob sie Alkohol trinken wollen oder nicht, sei das natürlich begrüssenswert.
Namentlich in Fällen, in denen der Verzicht auf Alkohol erste Priorität habe: «Zum Beispiel im Strassenverkehr oder bei Schwangerschaften.»















