Wir trinken weniger Wein – und der Bund findets schlimm
Schweizerinnen und Schweizer trinken immer weniger Wein. Den Trend nennt der Bund «besorgniserregend» – und sorgt damit für Empörung.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Weinkonsum ist 2024 gegenüber dem Vorjahr um beinahe acht Prozent zurückgegangen.
- Die Schweizer Weine sind besonders betroffen.
- Der Bund spricht von einem «besorgniserregenden» Trend. Das sorgt für Kritik.
Gesundheitsexperten dürften die Zahlen freuen, Weinbauern weniger: In der Schweiz wird deutlich weniger Wein getrunken. Der Konsum ist 2024 gegenüber dem Vorjahr um beinahe acht Prozent zurückgegangen.
Und der Bund? Der nennt die Entwicklung einen «besorgniserregenden Trend» – auch, weil Schweizer Weine besonders betroffen sind.

Genau dieser wertende Begriff aus einer Medienmitteilung des Bundesamts für Landwirtschaft BLW sorgt nun für Ärger.
Bund-Wortlaut «nicht hinnehmbar»
Martin Bienlein vom Blauen Kreuz hält gar nichts vom «besorgten» Tonfall des Bunds.
Er kritisiert bei Nau.ch: «Die Bewertung des BLW ist aus sozial- und gesundheitspolitischer Sicht nicht verständlich und nicht hinnehmbar.»
Andere Bundesämter – etwa das Bundesamt für Gesundheit BAG – würden schliesslich die Schäden bekämpfen, die Alkohol verursacht. Die Mitteilung des BLW würde diese Anstrengungen untergraben.
Er stellt klar: «Alkoholkonsum an sich ist nicht positiv und sein Rückgang kein ‹besorgniserregender Trend›.»
Das BLW verpasse es, diese Bewertung in seiner Mitteilung zu begründen und zu fundieren. «Es sollte sich auf seine Kernkompetenzen besinnen – Weinanbau.»
BLW gibt zu: «Etwas missverständlich»
Das BLW gibt auf Anfrage von Nau.ch zu, dass die deutsche Übersetzung der Mitteilung «tatsächlich etwas missverständlich ist», wie Sprecher Hugo Wyler sagt.
«Sie kann den Eindruck erwecken, dass das BLW den Rückgang des Alkoholkonsums bedauern würde. Unsere Absicht war es keineswegs, den Alkoholkonsum zu propagieren.»
Wyler betont: «Wir haben die Entwicklung des Weinkonsums aus Sicht des Weinanbaus dargestellt.»
Man sei froh um die Rückmeldung des Blauen Kreuzes und bedauere es, wenn «wir ihre Gefühle verletzt haben».
Blaues Kreuz: Weinbauern sollten auf alkoholfrei umstellen
Auch für die Schweizer Weinbauern hat das Blaue Kreuz eine Botschaft: Sie sollten die Entwicklung zum Anlass nehmen, ihr alkoholfreies Sortiment auszubauen.
«Wer noch nicht auf Alkoholfrei umgestellt hat, verpasst gerade einen Wachstumsmarkt», sagt Bienlein.
Hinter dem Alkoholfrei-Trend steckt laut Bienlein der «Mega-Trend Gesundheit».
Trotzdem gibt es aus gesundheitlicher Sicht punkto Alkoholkonsum noch Luft nach oben, wie er erklärt. «Studien zeigen, dass die Gen Z (1995–2015) weniger oft Alkohol trinkt. Wenn, dann aber zu viel.»
Das sei wahrscheinlich die Konkretisierung des Gesundheits-Trends.
«Ältere vertragen weniger Alkohol und trinken deshalb weniger, auch eine Konkretisierung des Mega-Trends Gesundheit. Hingegen nimmt der Alkoholkonsum bei den Rentnerinnen und Rentnern wieder zu.»
Darum ist für das Blaue Kreuz klar: Alkoholfrei ist angesagt.
Alkoholfreie Weine sind geschmacklich «noch nicht optimal»
Bienlein gibt aber auch zu bedenken, dass die jetzigen alkoholfreien Weine «geschmacklich noch nicht optimal» seien. Das führt er darauf zurück, dass der Alkoholfrei-Trend noch in den Kinderschuhen steckt.
Denn: «Wein muss mehrere Jahre bearbeitet werden und wird nur einmal im Jahr geerntet. Darum muss mit einer Vorlaufzeit von fünf bis zehn Jahren gerechnet werden.»
Inzwischen würden sogar schon die Alternativen zum alkoholfreien Wein boomen.
So wollen Bauern Jungen Wein schmackhaft machen
Und was sagen die Weinbauern selbst – wie wollen sie gerade den Jungen ihren Wein wieder schmackhaft machen?
Oliver Gianettoni vom Branchenverband Swisswine betont gegenüber Nau.ch zunächst, dass die Entwicklung eine «echte Herausforderung» sei.
«Sie gibt Anlass zur Sorge über die Zukunft der Branche in der Schweiz.»

Es gebe jedoch zwei wesentliche Werte, die den Schweizer Wein auszeichnen: Hohe Qualität und Nachhaltigkeit. Deshalb würden die Weinbauern auch mit «Entschlossenheit in die Zukunft blicken».
Die Branche setzt derzeit auch mehrere Initiativen um, um für ihren Wein zu werben. Darunter unter anderem «gezielte Aktionen» bei den Grossverteilern. Weitere Massnahmen sind in Planung.
Dass gerade die Jungen sich vom Wein abwenden, stellen auch die Weinbauern fest. «Studien zeigen, dass junge Menschen weniger Wein trinken, aber nicht unbedingt weniger alkoholische Getränke konsumieren», sagt Gianettoni.
Darum wollen die Weinbauern «gerade bei dieser Zielgruppe» die Vorteile ihres Weins hervorheben. Neben Nachhaltigkeit sei das auch die Tatsache, dass ein Schweizer Erbe unterstützt werde.
Gianettoni stellt klar: «Ein übermässiger Konsum ist bekanntermassen nicht wünschenswert, doch gleichzeitig wird Wein mitunter übermässig verteufelt.»
Schliesslich enthielten viele alkoholfreie Alternativen viel Zucker, seien also auch nicht gesund.