Die «Mohren»-Inschriften in Zürich durften bisher nicht entfernt werden, weil sie als historisch galten. Doch nun beweist eine neue Studie etwas anderes.
Mohren Inschriften
Inschriften wie «Mohrentanz» in Zürich scheinen nicht historisch zu sein. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Inschriften wie «Mohrenkopf» sollten laut richterlichen Bescheid nicht abgedeckt werden.
  • Eine Studie ergab jedoch, dass diese nicht, wie angenommen, aus dem Mittelalter stammen.
  • Tatsächlich sind die Inschriften nicht mehr als hundert Jahre alt.

Am Mittwoch der vergangenen Woche wurde es publik: Die «Mohren»-Inschriften auf zwei Züricher Gebäude müssen laut Gericht nicht abgedeckt werden. Diese Entscheidung wurde getroffen, weil man davon ausging, dass die Beschriftung aus dem Mittelalter stammte.

Doch für diese Annahme gibt es nun einen Gegenbeweis: Die Wissenschaftler Askira Barman und Bernhard Schär fanden in ihrer Studie heraus, dass die Inschriften erst im 20. Jahrhundert entstanden.

Inschriften sind nicht Teil des historischen Erbes

Das Haus «Zum Mohrenkopf» wird laut der Studie erstmals 1443 erwähnt, «Zum Mohrentanz» 1682. Die heutigen Inschriften sind allerdings bedeutend jünger.

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Mittelalter-Markt in Zürich: Erste Erwähnungen zu den Gebäudenamen finden sich ab 1443 («Zum Mohrenkopf») und 1682 («Zum Mohrentanz»). (Symbolbild)
Zürich Inschriften
Einige Inschriften auf den Fassaden Zürichs sorgen für Streit.
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Gebäude an der Badenerstrasse um 1950: Die heutigen Inschriften stammen allerdings nicht aus dieser Zeit. Sie sind im Laufe des 20. Jahrhunderts entstanden. (Symbolbild)
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Die Inschriften entstanden im Zuge der «Erfindung der Altstadt» im 20. Jahrhundert. Damit wollte man damals das Mittelalter und die frühe Neuzeit wiederbeleben. (Symbolbild)
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Daher sind die Inschriften laut der Studie kein Teil eines mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Erbes oder einer ungebrochenen historischen Tradition.

Sie wurden gemäss den Forschenden erst im Laufe des 20. Jahrhunderts angebracht. Am «Mohrentanz»-Gebäude prangte spätestens im 18. Jahrhundert gar eine gänzlich andere Inschrift: «Zum Berentantz».

«Die Beschriftungen sind nicht Teil eines mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Erbes oder einer ungebrochenen historischen Tradition», halten die Studienautoren fest. Die Entstehung der Inschriften schreiben sie der «Erfindung der Altstadt» im 20. Jahrhundert zu.

Damals seien die «unpopulär gewordenen Innenstädte baulich aufgewertet und kulturell mit einer neuen Bedeutung versehen» worden. Damit habe man versucht, das Mittelalter und die frühe Neuzeit wiederauferstehen zu lassen. «In diesem Kontext wurden die heute noch sichtbaren Fassadenbeschriftungen angebracht.»

«Mohr» war schon immer abwertend

Die Forschenden haben in ihrer Studie die Bedeutung des Begriffs «Mohr» in der Geschichte nachgezeichnet. Das Ergebnis: «Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass der Begriff und die Symbolik rund um die ‹M*****› in Zürich und darüber hinaus immer eine abwertende Funktion hatten.»

Schwarze Menschen hätten im christlichen Weltbild seit der Spätantike die Sünde und das Böse verkörpert, heisst es in der Studie. In Zeiten der Rassentheorien wandten sich Rassenforscher dem N-Wort zu, die Bevölkerung hielt aber am «Mohr» fest. Sie verwendete ihn laut der Studie «bis in die jüngere Vergangenheit synonym mit dem N-Begriff.»

Sollten die rassistischen «Mohrenkopf»-Inschriften in Zürich abgedeckt werden?

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts distanzierten sich demokratische Staaten schliesslich vom Rassismus. Die institutionell-strukturelle Diskriminierung, etwa in den Bereichen Arbeit, Wohnen oder Kultur, sei aber geblieben.

Die Autoren schreiben von einer Art des Vergessens der rassistischen Geschichte des Begriffs und der «kolonialrassistischen Herrschaftsverhältnisse». «In diesem Kontext wurden die Inschriften angebracht. Und vor diesem Hintergrund sind auch die heutigen Debatten über die weitere Verwendung des M-Begriffs zu verstehen

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