Erneut debattiert die Schweiz über die Verwendung des Wortes «Mohrenkopf». Sprachprofessorin Luise Kempf erklärt, was daran problematisch ist.
Mohrenköpfe Dubler
Mohrenköpfe der Firma Dubler. Das Schoggi-Produkt wird neu Schokokuss genannt. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Im Streit um das Wort «Mohrenkopf» gehen die Wogen hoch.
  • Sprach-Professorin Luise Kempf erklärt, warum das Wort als rassistisch angesehen wird.
  • Es basiere auf einer Sichtweise des 19. Jahrhunderts und sei deshalb problematisch.

Nachdem die Migros die Dubler-Mohrenköpfe aus dem Sortiment genommen hat, ist die Diskussion neu entfacht. Warum wird das Wort als rassistisch angesehen? Luise Kempf ist Professorin für Deutsche Sprachwissenschaften an der Universität Bern. Sie hat Antworten.

Luise Kempf Professorin Sprachwissenschaft
Luise Kempf, Professorin für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Bern. - Universität Bern

Nau.ch: Luise Kempf, warum wird das Wort «Mohrenkopf» als rassistisch angesehen?

Luise Kempf: Das Wort ist mehrfach problematisch. Es wurde schon im 19. Jahrhundert gebildet und transportiert Sichtweisen dieser Zeit. Zum einen ist das Wort «Mohr» mit der Zeit des Kolonialismus und den in dieser Zeit verübten Verbrechen an Afrikaner*innen aufgeladen.

Zum anderen ist es ja eine Metapher, die auf einer empfundenen Ähnlichkeit beruht und ziemlich makaber ist. Würden wir zu einer Süssigkeit zum Beispiel «Deutschenköpfe» oder «Franzosenköpfe» sagen, wird uns das auf einmal deutlich.

Doch selbst wenn wir beide Wortbestandteile ersetzen und beispielsweise «Schwarzenküsse» sagen würden, wäre das Wort immer noch problematisch, weil der Farbvergleich immer noch darin läge und weil auch mit Begriffen wie «Schwarze» Menschen mit dunkler Hautfarbe bzw. afrikanischen Wurzeln als einheitliche Gruppe dargestellt werden.

Dubler Mohrenkopf
Die Dubler-Mohrenköpfe wurden aus dem Migros-Sortiment gestrichen. - Keystone

Wer das Wort heute noch verwendet, macht damit zugleich auch ein politisches Statement (etwa dass er oder sie nichts von der Debatte hält und das Wort nicht aus Rücksicht auf Mitmenschen ablegen möchte).

Nau.ch: Ist das Wort aus Ihrer Sicht rassistisch motiviert?

Luise Kempf: Ja. Es wurde möglicherweise nicht bewusst in böser Absicht geprägt, ist aber von einem hochproblematischen Weltbild getragen, in dem Menschen mit dunkler Hautfarbe als einheitliche Gruppe, als die «anderen» konzipiert werden.

Nau.ch: Gibt es Wörter, die eindeutig rassistisch oder nicht rassistisch sind?

Luise Kempf: Ja, natürlich. Die Wörter «Mohr» und auch das mit N beginnende Wort sind nicht neutral, sondern rassistisch. Der Begriff «Schwarze(r)» wird gegenwärtig neutral verwendet, ist aber auch nicht unproblematisch, weil darin verschiedenartigste Menschen über ihre (vermeintliche) Hautfarbe charakterisiert werden.

Der momentan noch eher seltene Begriff «Dunkelhäutige(r)» versucht, dies neutraler auszudrücken. Wer sagt «Menschen mit dunkler Hautfarbe», charakterisiert Menschen zwar immer noch über dieses Erscheinungsmerkmal, rückt aber in den Vordergrund, dass es sich um Menschen handelt.

Generell gilt zu bedenken: Bezeichnungen für Menschengruppen sind einem schnellen Wandel unterworfen. Was gegenwärtig noch neutral ist, kann in einigen Jahren oder Jahrzehnten nicht mehr akzeptabel sein, entweder weil der Begriff zu oft negativ verwendet wurde, oder weil sich die sozialen und ethischen Erkenntnisse weiterentwickelt haben. Daher ist es sinnvoll, sensibel zu bleiben für begriffliche Veränderungen.

GEGEN RASSISMUS, BLM,
Mehrere tausend Personen nahmen auch an einer Demonstration zu Black Lives Matter teil in Basel, am Samstag, 6. Juni 2020. (KEYSTONE/Georgios Kefalas) - keystone

Nau.ch: Die Bedeutung des Wortes «Mohr» wird häufig mit dem berndeutschen «Moore» (das Mutterschwein) vermischt. Können Sie die beiden Wörtervoneinander abgrenzen, aus sprachwissenschaftlicher Sicht?

Luise Kempf: Laut Pfeifers etymologischem Lexikon geht «Mohr» auf althochdeutsch «mōr» (8. Jh.) zurück, seinerseits entlehnt aus lat. Maurus ‘Bewohner der nordafrikanischen Provinz Mauretanien’. Später bezeichnete es auch allgemein ‘Mensch mit dunkler Hautfarbe’ und ab dem 16. Jh. ausschliesslich ‘Schwarzafrikaner’.

Zum berndeutschen Begriff «Moore» findet sich im Grimmschen Wörterbuch die Auskunft, dass das Wort auf mittelhochdeutsch «môre» zurückgehe und wohl tatsächlich mit «Mohr» verwandt sei, denn es sei ursprünglich für schwarze Sauen verwendet worden.

Weiter heisst es, dass das Wort «die Mor(e)» noch in verschiedenen alemannischen Mundarten lebendig sei für das 'Mutterschwein' «auch im bildlichen Gebrauch» oder für eine «unsittliche oder unflätige Weibsperson». Diese Bemerkung bezieht sich aber auf die Mitte des 19. Jahrhunderts.

*Das Interview wurde schriftlich geführt.

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