SRF: Moderator attackiert Köppel wegen Taliban-Frauenrechte-Artikel
Roger Köppel war in Afghanistan. Ein Frauenrechte-Artikel sorgt für Kopfschütteln bei SRF-Lipp. In die Schweiz geflüchtete Afghaninnen erzählen von der Flucht.

Das Wichtigste in Kürze
- «Weltwoche»-Chef Roger Köppel bereiste Afghanistan.
- In einer seiner Reportagen geht es auch um Frauenrechte unter den Taliban.
- Eine Frau wird zitiert mit der Aussage: «Unter den Taliban fühle ich mich wohl.»
- SRF-Moderator Lipp kritisiert ihn: «Das kann sich nur das Hirn von Köppel ausdenken.»
- Auch in die Schweiz geflüchtete afghanische Autorinnen zeichnen ein anderes Bild.
«Achtung, dieser Artikel ist geeignet, Ihre Vorurteile zu erschüttern «Weltwoche»-Verleger Roger Köppel kehrt mit einer Reihe an mehrseitigen Reportagen von seiner Afghanistan-Reise zurück.
In einer Ausgabe geht es um Frauen-Rechte. «Die Taliban kämpfen für die Frauen», steht auf dem Cover. Dieses macht derzeit auch in den sozialen Medien die Runde und sorgt für Diskussionen.
Köppel zitiert mit dem Titel einen Kommandanten, mit dem er sich in einer Art überirdischem Bunker unterhalten habe.

In seiner Reportage trifft Köppel in Kabul zudem eine alleinerziehende Mutter zweier Töchter. Beide gehen zur Schule, schreibt der Ex-SVP-Nationalrat. In ein privates Gymnasium. Eine will «Volksvertreterin» werden, die andere «Kampfpilotin».
«Unter den Taliban fühle ich mich wohl»
Die Mutter? «Sie macht auf mich einen selbstbewussten, resoluten Eindruck», berichtet der «Weltwoche»-Verleger.
Die Mutter habe ihm erzählt, dass sich unter den Taliban vieles geändert habe, für die Frauen gebe es jetzt Sicherheit. Die Taliban seien für Frauen eine Erleichterung.
«Unter den Taliban fühle ich mich wohl», wird sie von Köppel zitiert. An den islamischen Regeln störe sie sich nicht. Aber sie könne Frauen verstehen, die ihre Haare lieber offen trügen.
Behauptungen, die Taliban würden Frauen unterdrücken, seien aber «Propaganda». Sie könne jederzeit ohne Gesichtsmaske durch Kabul laufen. Allerdings sagt sie auch, dass die Regeln in entlegenen Gebieten «traditionsgebundener» seien.
SRF-Lipp kritisiert Köppel scharf
Köppel hat ein positives Bild der Taliban. Am Artikel-Ende stellt er sich selbst die Frage: «Habe ich mich von den Taliban einlullen lassen?»

Eine klare Meinung dazu hat etwa Reto Lipp. Der «ECO»-Moderator von SRF kommentiert auf LinkedIn einen Beitrag. Und wählt harsche Worte:
«Wer hätte das gedacht, dass die Taliban Frauen-Vorkämpfer sind. Das kann sich auch nur das Hirn von Roger Köppel ausdenken...»
Afghanischer Köppel-Vermittler ist Talibanfreund
Vermittelt wurden Köppel die Kontakte zu den afghanischen Frauen vom Schweiz-Afghanen Sedick Hamed.
«Das überrascht mich nicht», sagt Demian Cornu. Er ist Autor und Co-Präsident des «DeutschSchweizer PEN Zentrums».

Bei der Taliban-Machtübernahme unterstützte das Zentrum unter der Leitung von Literaturwissenschaftlerin Sabine Haupt 33 Frauen und Mädchen. Sie flohen in die Schweiz.
Weitere 20 Frauen und Mädchen fanden im Rahmen derselben Initiative Schutz in anderen Ländern. Darunter Deutschland, Frankreich, Spanien und in den USA.
Er kenne Hamed gut aus seiner früheren beruflichen Tätigkeit im Asylverfahren.
«Schon damals fiel er durch Taliban-nahe Äusserungen sowie durch diskriminierende Kommentare gegenüber Hazara auf. Dass er heute die Situation unter der Taliban-Herrschaft beschönigt und entsprechende ‹Quellen› organisiert, ist daher wenig erstaunlich.»
Köppel-Artikel ist «realitätsfern»
Cornu fährt fort: «Auch der gespielt selbstkritische Ton des Artikels ändert nichts an der zentralen Tatsache: Hier wird auf dem Rücken vertriebener und entrechteter Menschen eine brutale Realität verharmlost und politisch instrumentalisiert.»
Der «Weltwoche»-Artikel sei «klassische Schönfärberei», findet Cornu. «Er ist realitätsfern. Und darauf ausgerichtet, die Aufenthaltsrechte afghanischer Frauen in der Schweiz infrage zu stellen.»
Cornu erklärt weiter: «Unbestritten ist einzig, dass sich seit der Machtübernahme der Taliban die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan verbessert hat. Dabei bleibt es jedoch auch.»
«Selbst Männer leben unter starken Repressionen»
Frauen-Rechte würden systematisch mit Füssen getreten, führt er weiter aus. Ausserdem sei auch die Meinungs- und Pressefreiheit massiv eingeschränkt.
«Selbst Männer leben unter starken Repressionen. Entweder sie arrangieren sich mit dem Regime. Oder sie laufen Gefahr, selbst Opfer der Machthaber zu werden.»

Für Cornu ist klar: «Wer sich ernsthaft ein Bild der Lage machen will, muss genauer hinschauen.»
Dazu müsse man beispielsweise mit geschiedenen Frauen oder Witwen sprechen. Diese könnten sich und ihre Kinder ohne externe Hilfe kaum versorgen. Grund dafür sei die massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit.
Artikel ignoriert «Kontext der Unterdrückung und Angst»
Nau.ch ist es gelungen, auch mit in die Schweiz geflüchteten Afghaninnen zu sprechen. Auch sie zeichnen ein anderes Bild des Lebens als Frau in Afghanistan als Köppel.
Frauenrechtsaktivistin und Anwältin Benafsha Efaf schildert: «Das Bild, das im Artikel gezeichnet wird, entspricht weder meiner eigenen Erfahrung noch der Realität.»
Efaf empfindet den Artikel als «selektiv und irreführend». Er ignoriere «den grösseren Kontext der Unterdrückung und Angst», in welchem afghanische Frauen leben müssten.
Sie frage sich, vor welchem Hintergrund Aussagen wie «ich fühle mich unter den Taliban wohl» getroffen worden seien. Denn: «Oft sind die öffentlichen Äusserungen von Frauen von Angst, Druck oder dem Überlebenswillen geprägt.»
«Inhaftiert oder zum Schweigen gebracht»
Die geflüchtete Frauenrechtsaktivistin stellt weiter klar: «Die Behauptung, die Taliban würden die Rechte der Frauen schützen, entspricht einfach nicht der Realität.»
«Wenn das wahr wäre, würden Mädchen nicht aus Schulen und Universitäten ausgeschlossen», so Efaf. «Frauen würden nicht aus dem öffentlichen Leben verdrängt. Und Aktivistinnen würden nicht bedroht, inhaftiert oder zum Schweigen gebracht.»
Sie persönlich habe Afghanistan aufgrund ihrer Arbeit verlassen müssen. Diese habe sie in Gefahr gebracht.
«Das Verlassen des Landes war keine Entscheidung», berichtet Efaf. «Sondern der einzige Weg, um in Sicherheit zu bleiben.»
Frauen-Rechte wurden auf «das Niveau eines Haustiers reduziert»
Auch Aktivistin Qudsia Shujazada hat zum «Weltwoche»-Artikel eine dezidierte und vernichtende Meinung. «Es ist zutiefst ärgerlich, dass ein Schweizer Magazin schreibt, die Situation der Frauen in Afghanistan habe sich ‹verbessert›.»
Sie fragt dazu rhetorisch: «Gilt es als Verbesserung, dass Frauen am Leben gehalten werden, um sich fortzupflanzen und das Überleben der Gesellschaft zu sichern?»

Und gelte das Recht auf Leben nur, wenn eine Frau zu Hause bleibe? Und Zwangsehen akzeptiere, sowie Kinder gebäre? Sei das als «Sicherheit» zu bezeichnen?
Shujazada verweist zudem auf einen Artikel, den sie verfasst hat. In diesem steht: «Die Rechte afghanischer Frauen wurden auf das Niveau eines Haustiers reduziert.»
«Die Taliban gewähren den Frauen nur das Recht zu existieren»
Sie wolle klarstellen, was damit gemeint sei. So wie man einem Haustier das Überleben erlaube, so erlauben es die Taliban auch den Frauen.
Dies aber nur, solange die Taliban entscheiden würden, wohin eine Frau gehe. Oder was eine Frau esse und was eine Frau tun oder nicht tun dürfe.
«Die Taliban gewähren den Frauen nur das Recht zu existieren», erklärt Shujazada. «Und selbst das ist an strenge Regeln geknüpft.»
«Ein Leben ohne Selbstbestimmung ist kein Menschenrecht»
Die Aktivistin führt an: «Wenn sie mich fragen, welche Frauen gefährdet sind, bleibt meine Antwort dieselbe wie zu Beginn. Alle Frauen.»

Jede Frau, die heute in Afghanistan lebt und jedes Mädchen, welches dort geboren wird, sei gefährdet.
Shujazada stellt klar: «Ein Leben ohne das Recht auf Selbstbestimmung, Freiheit und Menschenwürde ist kein Menschenrecht.»

















