Neun Schweizer Gaza-Aktivisten sind zurück in der Schweiz
Neun Schweizer Teilnehmende der Gaza-Flottille sind zurück in der Schweiz. Nach der Ankunft in Genf berichten sie von ihrer Festnahme – und kritisieren das EDA.
Das Wichtigste in Kürze
- Neun Schweizer Teilnehmende der Gaza-Flottille sind zurück in der Schweiz.
- In Genf berichteten acht dieser Zurückgekehrten bei ihrer Ankunft von «Folter».
- Ausserdem kritisierten sie das EDA wegen angeblicher «völliger Untätigkeit».
Am Sonntag versammelten sich in Genf rund 200 Menschen, um acht Schweizer Mitglieder der Gaza-Flottille in Empfang zu nehmen. Eine neunte Person war schon am Samstag in Zürich gelandet. Nach ihrer Ankunft am Flughafen am frühen Nachmittag, sagte einer der Aktivisten, der im Namen seiner Kameraden sprach: «Wir sind schockiert über das, was wir gesehen und erlebt haben».
Der Aktivist führte aus, dass die Flottille einem «regelrechten militärischen Angriff» der israelischen Marine ausgesetzt gewesen sei. Ausserdem erwähnten die Aktivisten in der gemeinsamen Erklärung, sie seien während ihrer Haft in Israel Opfer von «Folter und Misshandlung». Auch war die Rede von «unmenschlichen Haftbedingungen.
Weiter wollten die Aktivisten nicht darauf eingehen, solange noch weitere Mitglieder der Schweizer Delegation inhaftiert seien. «Wir werden nach ihrer Rückkehr eine umfassende Erklärung abgeben», hiess es lediglich. Noch immer seien mehr als 300 Mitglieder der Flottille in Haft, darunter zehn Schweizer.
Noch zehn Schweizer in Haft – auch ehemaliger Genfer Stadtpräsi
Nach jüngsten Informationen befinden sich, die noch inhaftierten zehn Schweizer Staatsangehörigen weiterhin im Internierungszentrum Ktzi'ot in der Negev-Wüste. Am Sonntagmorgen besuchte sie dort erneut ein Team der Schweizer Botschaft.
«Unter den gegebenen Umständen sind alle bei relativ guter Gesundheit», teilte das EDA mit. Unter den Gefangenen befindet sich auch der ehemalige Genfer Stadtpräsident Rémy Pagani (Union Populaire).

Das EDA gewährleistet den konsularischen Schutz und hält den Kontakt mit Anwälten der Inhaftierten und den israelischen Behörden. Nach eigenen Angaben will man sich mit allen Mitteln dafür einsetzen, dass die Schweizer Staatsangehörigen so rasch wie möglich in die Schweiz zurückkehren können.
Annie Serrati, Sprecherin der Organisation Waves of Freedom (WOFA) bestätigte in Genf den relativ guten Gesundheitszustand der noch Inhaftierten. Sie zeigte sich jedoch besorgt über die Haftbedingungen, insbesondere über die Hygiene und den Zugang zu Nahrung und Trinkwasser.
«Untätigkeit» von Schweiz und EDA kritisiert
Die in Genf gelandeten Aktivisten erklärten, sie seien «aufgrund der völligen Untätigkeit der Schweiz umso mehr besorgt» über das Schicksal ihrer Kameraden. Insbesondere das EDA kam in dem Statement nicht gut weg. Aussenminister Ignazio Cassis wurde als «pro-israelisch» betitelt.
Die einzige Hilfe, die man von der Schweiz erhalten habe, sei die Anwesenheit des Vizekonsuls am Flughafen Istanbul gewesen. «Der hat uns jeweils 40 Franken geliehen. Ein Betrag, der demnächst zusammen mit 150 Franken an Gebühren zurückgezahlt werden muss.» Im Gegensatz dazu lobten die Aktivisten die Unterstützung der Türkei, die eine Rückführung über Istanbul ermöglicht habe.

Den Vorwurf der Untätigkeit wies Marianne Jenni seitens des EDA zurück. «Wir haben nicht das Minimum getan – wir waren sehr aktiv», sagte die Chefin der konsularischen Direktion in der «RTS-Tagesschau».
Das Aussendepartement habe gegenüber den israelischen Behörden immer auf die Achtung der Grundrechte gedrängt. Sie betonte ausserdem noch einmal die individuelle Verantwortung jedes Einzelnen: «Wir haben diese Gruppe gewarnt, dass dies eine gefährliche Aktion ist.»
«Die Schweizer wurden sich selbst überlassen»
Mit Kritik am EDA doppelte Vanni Bianconi am frühen Sonntagabend in der Sendung «RTS Forum» nach. Der Chef des Schweizer Schiffs «Wahoo» betonte, dass er und die anderen Aktivisten zwar gewusst hätten, dass sie sich selbst überlassen sein würden. Das heisse aber nicht, dass es «akzeptabel» sei.
«Obwohl es sich um eine zivile Initiative handelt, ist sie durch das Völkerrecht geschützt.» Der Tessiner Schriftsteller und Dichter sagte, er finde es «erbärmlich», wie feige sich die Schweiz verhalten habe.

«Sogar Italien hat trotz seiner Beziehungen zu Israel Stellung bezogen. Und die Italiener wurden in den Gefängnissen immer zusammengesteckt, die Worte hatten also Gewicht. Die Schweizer wurden sich selbst überlassen.»
In dem Interview wiederholte er die Vorwürfe gegen Israel, die bereits zuvor von den Aktivisten der Gaza-Flottille zu hören waren. Er sagte etwa, sie seien bei ihrer Ankunft im Internierungszentrum Ktzi'ot «wie Tiere» behandelt worden. «Sie sagten uns, wir müssten das Toilettenwasser trinken.» Es sei fast unmöglich gewesen, Medikamente zu bekommen – oder zu telefonieren, so Bianconi.