Nach der Woke-Debatte um die Dreadlocks der weissen Band «Lauwarm» wird einer der Musiker brutal attackiert. Und es bleibt nicht bei einem Angriff.
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«Lauwarm»-Bassist Julian wurde verprügelt – weil er rechts sein soll. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Bassist der Berner Reggae-Band «Lauwarm» wird brutal attackiert.
  • Dabei bleibt es nicht – in einer Bar wird er mit Pfefferspray verjagt.
  • Es sei linker Rassismus, sagt der Musiker zu Nau.ch.
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Weil sie weiss sind und Dreadlocks tragen, wurde ihr Konzert abgebrochen. Die Berner Reggae-Band «Lauwarm» sorgte vergangenen Sommer für eine Woke-Debatte. Jetzt gipfelt diese in brutaler Gewalt.

«Ich bin ein Opfer von linkem Rassismus», sagt Band-Bassist Julian (27) zu Nau.ch. Was ist passiert?

Der Musiker, der selbst Dreadlocks trägt, sitzt Ende Oktober mit zwei Kollegen in der Berner Reitschule. Dreht eine Zigarette. Plötzlich steht ein Mann, den Julian als «Mitarbeiter» bezeichnet, vor ihm und brüllt ihn an. «Du hast hier nichts zu suchen!»

An die anderen Gäste gerichtet schreit er: «Der spielt bei Lauwarm. Der ist rechts!» Der Musiker solle sich «gefälligst verpi**en».

«Ich konnte nicht mehr atmen»

Noch bevor Julian, der seine Zigarette fertigdrehen will, beim Ausgang ankommt, knallt es. «Er schlug mich zu Boden und kickte mich in den Bauch. Ich konnte nicht mehr atmen», erinnert er sich.

Nur weil sich seine zwei Freunde vor das Opfer stellen, lässt der Schläger von ihm ab. Die Kantonspolizei Bern bestätigt eine entsprechende Anzeige gegen unbekannt.

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Dieser Auftritt wurde dem Musiker Julian (r. mit Dreadlocks) zum Verhängnis: «Lauwarm» am «Weltwoche»-Sommerfest 2022. - Twitter

Grund für die Attacke soll der Auftritt der Band beim «Weltwoche»-Sommerfest vergangenes Jahr sein. «Seither behaupten einige, ich sei rechts», so Julian. «Dabei bin ich offensichtlich links.»

Dass der Musiker erst jetzt über den Vorfall spricht, hat seinen Grund: Es ist nicht bei einer Attacke geblieben.

Pfefferspray-Attacke in Berner Club

Am 26. Dezember wird Julian im Berner Club «Kapitel Bollwerk» mit Pfefferspray verjagt. Man wirft ihm vor, zwei Mitarbeiter angegriffen zu haben. Als er zwei Tage später seine immer noch dort hängende Winterjacke abholen will, attackiert ihn der Chef. «Er schrie mir nach: ‹Du schei** Weisser mit Dreads!›», so Julian. «Er hat mir sogar eine Anzeige angehängt wegen der angeblichen Attacken auf die Mitarbeiter.»

Beim Kapitel will man von einer Attacke auf den Bassisten nichts wissen. Im Gegenteil: Die Geschichte klingt ganz anders: «Der Mann hat sich Zugang zum Bürobereich verschafft (dieser Bereich ist für Besucher*innen gesperrt), wo ihn eine Mitarbeiterin bemerkte», schreibt Kapitel-Mitgründer Diego Dahinden auf Anfrage von Nau.ch. «Auf die Frage, was er hier suche, wurde der Mann gegenüber unserer Mitarbeiterin direkt verbal und physisch gewalttätig.»

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Musiker Julian (27) trägt selbst Dreadlocks. - zVg

Auch vier Sicherheitspersonen hätten ihn nicht beruhigen können. «Aufgrund des Gewaltausbruchs wurde die Person aus dem Kapitel verwiesen.» Weil er sich gewehrt habe und gewalttätig geworden sei, «mussten unsere Mitarbeitenden Pfefferspray einsetzen». Die Frage nach seiner Jacke habe er nicht beantwortet.

«Lauwarm»-Musiker: «Die dichten mir jetzt was an»

Man habe gar nicht gewusst, so der Club weiter, dass «die Person Mitglied der Band Lauwarm ist». Eine verschwundene Jacke verneint man ebenfalls. Und: An dem Abend sei keiner der drei Inhabenden da gewesen.

Für Julian ein Hohn. «Die dichten mir jetzt was an.» Er habe mittlerweile selbst Anzeige gegen vier Personen des Kapitels erstattet. «Wegen Verleumdung und Körperverletzung.»

Weisse stören sich daran, wenn andere Weisse Dreadlocks tragen. Was halten Sie davon?

Nau.ch weiss: Im Club kennt man die Band «Lauwarm» tatsächlich. Während der Woke-Debatte vergangenen Sommer wendet sich einer der Mitbegründer auf Facebook an die Macher der Berner Lorraine-Chilbi. Und schreibt: «Ihr bucht ernsthaft Lauwarm? Schämt Euch!» Er hoffe, die Lorraine-Bewohner «boykottieren dieses traurige Fest».

So oder so: Was Julian am meisten stört, ist das Verhalten der Behörden. Die Staatsanwaltschaft hat den Fall der Reitschule mittlerweile sistiert- weil der Täter unbekannt ist. «Meine Zeugen hat man nicht einmal angehört», sagt der Musiker.

Die Attacken haben beim deutsch-schweizerischen Doppelbürger Narben hinterlassen. «Ich habe Angstzustände, fürchte, erneut verprügelt zu werden. In Bern gehe ich seither nicht mehr in den Ausgang.»

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