Der vom Bundesrat vorgeschlagene leichtere Abbau der Reserven der Krankenversicherer auf freiwilliger Basis ist umstritten. Die Gesundheitsdirektorenkonferenz und der Westschweizer Konsumentenschutz fordern eine Verpflichtung zum Abbau der Reserven, der Krankenkassenverband Santésuisse und die SVP weisen die Anpassung gänzlich zurück.
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Versicherten-Karten verschiedener Krankenkassen. (Symbolbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Krankenversicherer sitzen auf einem Polster von über elf Milliarden Franken.
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Der Bundesrat möchte mit einer Anpassung der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV) Anreize schaffen, dass die Kassen diese Reserven leichter auflösen können. Die Versicherer sollen einen Anreiz erhalten, die Prämien möglichst kostengerecht zu berechnen und so übermässige Reserven zu vermeiden oder abzubauen. Der Abbau beruht gemäss Vorschlag auf Freiwilligkeit.

Die Vernehmlassungsfrist ist am Freitag abgelaufen. Bei der Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) kommt die Vorlage zwar grundsätzlich gut an. Die hohen Reserven entsprächen nicht dem Sinn und Zweck der sozialen Krankenversicherung. Allein auf Anreize und Freiwilligkeit zu setzen, reiche aber nicht, lässt sich Präsident Lukas Engelberger in einer Mitteilung zitieren.

Zudem müsse der Begriff «übermässige Reserven» geklärt werden und spätestens vier Jahre nach der Inkraftsetzung eine Analyse der Auswirkungen gemacht werden. Nur so liessen sich die Versicherer zum konsequenten Abbau von übermässigen Reserven bewegen.

Der Krankenkassenverband Curafutura wehrt sich gegen eine verpflichtende Formulierung. Der Zusammenschluss von CSS, Helsana, Sanitas und KPT ist der Ansicht, eine freiwillige Reduktion der Überschüsse genüge, um die Konkurrenz unter den Kassen spielen zu lassen. Im Übrigen unterstütze man aber die Stossrichtung der Vorlage. Die Rückstellungen müssten stärker in die Berechnung der Prämien der Folgejahre einfliessen. So würden auch die Versicherten von tieferen Prämien profitieren können.

Santésuisse wiederum, der andere grosse Krankenkassenverband, lehnt eine Änderung ab. Er will nichts wissen von einem Abbau der Reserven, insbesondere in einer Gesundheitskrise, wie sie derzeit vorliege. Dank der verfügbaren Reserven hätten die Versicherer angesichts der Corona-Pandemie bereits früh ankündigen können, auf Prämienerhöhungen zu verzichten, schreibt Santésuisse. Es sei nicht ausser Acht zu lassen, das die aktuellen Reserven den Prämieneinnahmen von lediglich drei oder vier Monaten entsprächen.

Auch die SVP lehnt die Änderung ab. Dass bei der Berechnung der Prämien erhebliche Unsicherheit bestehe, sei normal und kein Grund, die KVAV zu revidieren, schreibt die Partei. Der Abbau von Reserven soll weiterhin nach der bewährten Praxis - also nach einer Ausschüttung ab 150 Prozent Solvenzquote - erfolgen. Die Vorlage sieht eine Solvenzquote von 100 Prozent vor.

Daran äusserte auch die CVP Kritik, die Quote sei zu tief. Das würde bedeuten, dass nach nur einem schlechten Jahr die Verpflichtungen nicht mehr gesichert seien. Das stelle die Stabilität der Krankenversicherungen infrage. Die Massnahme führe höchstens zu einem einmaligen und kurzfristigen Effekt beim Kostenwachstum und den Prämien, schreibt die CVP.

Den Grünen wiederum geht die Vorlage nicht weit genug - aber immerhin in die richtige Richtung, heisst es in der Antwort. Man unterstütze die Revision der KVAV, fordere aber eine verbindliche Rückzahlung übermässiger Reserven.

Das Problem der zu hohen Reserven stellt sich vor allem in der Westschweiz, wie Sarah Stalder vom Schweizer Konsumentenschutz gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Dieser hat daher auf eine Stellungnahme verzichtet. Die Westschweizer Vereinigung für Konsumentenschutz wiederum ist der Vorlage denn auch abgeneigt, weil diese den Versicherern zu viel Spielraum lasse, wie sie schreibt. Die Rückgabe solle ab einem Schwellenwert von 105 bis 110 Prozent des Überschusses obligatorisch sein.

Die revidierte KVAV soll im Juni 2021 in Kraft treten und im Hinblick auf die Prämien für das Jahr 2022 erstmals zur Anwendung kommen. Wenn die Krankenkassen den zusätzlichen Spielraum nutzen würden, könnten die Prämien 2022 weniger stark steigen oder sogar sinken, so die Hoffnung des Bundesrates.

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