Ein todkranker Rentner im Thurgau hatte von seinem Haus aus Vögel und Katzen gefüttert. Die Vermieterin kündigte dem Mann wegen des verursachten Drecks.
Vogel Thurgau
Ein älterer Mann füttert einen Vogel (Symbolbild). - Getty

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Thurgau erhielt ein Ehepaar die Kündigung wegen Verstosses gegen die Hausordnung.
  • Die betagte Frau & der todkranke Mann hatten Vögel und Katzen vor ihrer Wohnung gefüttert.
  • Sie wehrten sich gegen die Kündigung vor Gericht - die Klage wurde aber abgewiesen.
  • Die Vermieterin und das Ehepaar einigten sich aber später auf einen Vergleich.
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Seit zwei Jahren mieten Herr und Frau M.* eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Kreuzlingen TG. Das Ehepaar setzt sich aktiv für den Tierschutz und die Artenvielfalt ein und das, obwohl beide betagt und gesundheitlich angeschlagen sind.

Doch jetzt sollen die M's die Wohnung plötzlich verlassen müssen. Die Vermieterin, eine Stiftung mit Sitz in Zürich, hat das Mietverhältnis beendet. Wie das «Tagblatt» berichtet, seien dafür wiederholte Verstösse gegen die Hausordnung verantwortlich. Mehrere Mahnungen hätten nicht die erwünschte Wirkung gebracht.

Wurde Ihnen schon einmal die Wohnung gekündigt?

Der Vorwurf: Herr und Frau M. hätten im Eingangsbereich des Mehrfamilienhauses immer wieder fremde Katzen gefüttert. Und vom Wohnungsbalkon aus sowie auf dem Areal des Mehrfamilienhauses auch Vögel – unter anderem Krähen und Möwen. Letzteres hat laut der Vermieterin zur Verschmutzung der Hausfassade und parkierten Autos geführt.

Die Tiere sollen deutliche Kotspuren hinterlassen, worüber sich andere Mieter beschwerten, heisst es. Ausserdem wurde dem Ehepaar auch Ruhestörung durch lautes Zuschlagen der Wohnungstüre und die Verwendung geräuschintensiver Haushaltsgeräte zur Last gelegt.

Herr M. ist todkrank – er hat noch zwei Jahre zu leben

Das aus den USA stammende und inzwischen eingebürgerte Ehepaar M. hatte aber die Kündigung des Mietvertrages nicht akzeptiert. Ein Schlichtungsverfahren war ausserdem ergebnislos – deshalb wehrten sich Herr und Frau M. vor dem Bezirksgericht Kreuzlingen gegen den Rauswurf.

Wie es in dem Bericht heisst, habe sich Herr M. am Verhandlungstag zitternd und sichtlich betroffen mit dem Rollator den Weg ins Sitzungszimmer gebahnt. Es wird erwähnt, dass sich der Mann ohne dieses Hilfsmittel nicht auf den Beinen halten könne. Er kam demnach alleine. Seine 68-jährige Frau sei erkrankt und konnte ihn nicht begleiten.

Ausserdem wird erwähnt, dass der zum Zeitpunkt der Verhandlung 75 Jahre alte Mann todkrank sei und laut Auskunft seiner Anwältin noch eine Lebenserwartung von rund zwei Jahren habe. Nicht zuletzt aus diesem Grund, wolle das Ehepaar die Kündigung des Mietvertrages nicht akzeptieren.

Anwältin: «Lebensweise des Ehepaares war Hauswart ein Dorn im Auge»

Die Rechtsvertreterin des Ehepaares warf der Vermieterin eine unrechtmässige, missbräuchliche Kündigung vor. Das Füttern der Vögel habe nicht vom Balkon aus stattgefunden, sagte sie, sondern in einer Entfernung von 200 bis 500 Metern. Die beanstandeten Ruhestörungen könnten ihren Mandanten auch nicht nachgewiesen werden. Die Anwältin argumentierte weiter, dass die Kündigung für das Ehepaar ein «grosser Schock» gewesen sei.

«Ein Umzug ist angesichts der gesundheitlichen Probleme und der damit verbundenen Kosten nicht zumutbar.» Sie verwies dabei laut Bericht auf den lokalen Wohnungsmarkt, auf dem kein adäquater Ersatz zu finden sei. Die Rechtsvertreterin erhob ausserdem den Vorwurf, dass dem Hauswart und einigen Bewohnern des Mehrfamilienhauses die Lebensweise und das Engagement des Ehepaars ein Dorn im Auge gewesen sei.

Katze Thurgau
Ein Ehepaar in Kreuzlingen TG hatte von ihrem Haus aus Katzen und Vögel gefüttert und so laut der Vermieterin gegen die Hausordnung verstossen. - Roland Weihrauch/dpa/dpa-tmn

Die Anwältin der beklagten Partei hatte die Ausführungen vollumfänglich und entschieden bestritten. Die Kündigung sei aus «objektiven, schutzwürdigen» Gründen erfolgt. Die Vermieterin müsse dafür sorgen, dass die Hausordnung eingehalten werde und «alle Bewohner sich wohlfühlen». Es seien auch nicht einige wenige, sondern viele Mieter gewesen, die reklamiert hätten.

Zur Verschmutzung durch Vogelkot verwies die Anwältin neben Zeugenaussagen auch auf Fotos, welche diesen Zustand belegen sollten. Sie bezweifelte ausserdem, dass sich das Ehepaar ernsthaft um eine Ersatzwohnung bemüht habe, bei einem Umzug auf Hilfe von Freunden zählen könne und auch das Sozialamt mit Rat und Tat zur seite stehen würde. Die Anwältin sagte, dass die Kündigung der Wohnung deshalb kein Härtefall darstelle und die Klage des Ehepaares abgewiesen werden sollte.

Es wurde offenbar eine Lösung gefunden

Je länger die Verhandlung dauerte, desto mehr rückte laut dem «Tagblatt» die Schlichtungsbehörden in den Fokus. Dem Verfahren vor diesem Gremium wohnte im Vorjahr nämlich nur Herr M. bei, nicht aber seine Ehefrau, die es versäumt hatte, sich rechtzeitig krankzumelden.

Sie musste deshalb durch eine autorisierte Person vertreten werden. Die Anwesenheit aller betroffenen Wohnungsnutzer ist jedoch erforderlich, um ein solches Verfahren ordnungsgemäss und rechtskräftig abwickeln zu können. Wenn man als klagende Partei, wie in diesem Fall Frau M., säumig ist, gilt eine Klage automatisch als zurückgezogen. Dem Bezirksrichter blieb deshalb nicht ansderes übrig, als die Klage abzuweisen.

Doch wie weiter? Laut dem Bericht einigten sich die klagende Partei und die Wohnungsvermieterin einige Wochen später auf einen Vergleich. Es kommt deshalb zu keiner Neuauflage des Schlichtungsverfahrens. Herr M. liess auf Anfrage der Zeitung durch seine Anwältin ausrichten, dass er über den Inhalt des geschlossenen Vergleichs keine Auskunft geben wolle.

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