Kinderkrebs: Trauer beginnt für Eltern nicht erst mit Tod des Kindes
Kinderkrebs Schweiz lanciert zum Thema «Abschied nehmen» eine neue Sensibilisierungskampagne.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Tod eines Kindes ist nach wie vor ein Tabuthema.
- Viele Familien fühlen sich in ihrer Trauer alleingelassen.
- Der Dachverband Kinderkrebs Schweiz ruft zu mehr Offenheit und Solidarität auf.
In der Schweiz erkranken jedes Jahr rund 350 Kinder und Jugendliche an Krebs. Während die meisten von ihnen geheilt werden können, überlebt jedes fünfte Kind die Krankheit nicht.
Familien sind dadurch nicht nur mit dem Verlust konfrontiert, sondern oft auch mit der Erfahrung sozialer Isolation.
Menschen aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis oder am Arbeitsplatz schweigen oder ziehen sich zurück, weil sie nicht wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen.

Betroffene Eltern erzählen: «Wir haben Angst, dass unsere Tochter in Vergessenheit gerät, wenn niemand mehr über sie spricht. Darum schätzen wir es, von ihr erzählen zu können, auch wenn es manchmal sehr schmerzhaft ist.»
Diese Worte zeigen, wie wichtig ein offenes Umfeld ist, das Trauer nicht aus-klammert, sondern Raum für Begegnungen und Gespräche schafft.
Wenn Heilung nicht mehr möglich ist – pädiatrische Palliativversorgung
Viele Eltern fürchten verständlicherweise das Wort «palliativ», weil es unmittelbar mit Sterben verbunden wird.
In vielen Fällen beginnt pädiatrische Palliative Care nicht erst in der letzten Lebensphase, sondern kann bereits frühzeitig in den Behandlungsverlauf integriert werden.
Sie schenkt Sicherheit, lindert Ängste und eröffnet Möglichkeiten, die verbleibende Zeit bewusst zu gestalten.
Im Zentrum stehen dabei stets die Lebensqualität und Begleitung der ganzen Familie. Für Kinder kann das bedeuten: spielen, lachen, Nähe erleben, ein Stück Alltag zurückgewinnen. Für Eltern beinhaltet es, nicht alles alleine tragen zu müssen.
Im Unterschied zur Erwachsenenmedizin betrifft die pädiatrische Palliativbegleitung Kinder und Jugendliche, Menschen also, die am Anfang ihres Lebens stehen. Sie haben Freundschaften, gehen zur Schule, planen ihre Zukunft.
Wird dieses Leben durch eine Krankheit wie Kinderkrebs verkürzt, gerät das gesamte Familiensystem ins Wanken.
Pädiatrische Palliative Care begleitet die betroffenen Familien deshalb nicht nur medizinisch, sondern auch psychosozial und ethisch. Sie nimmt das Kind mit seinen Wünschen und Bedürfnissen ernst und begleitet Eltern sowie Geschwister – bis zum Tod des Kindes und darüber hinaus.
Kinderkrebs Schweiz
Kinderkrebs Schweiz setzt sich seit 2015 gemeinsam mit seinen Mitgliedsorganisationen dafür ein, die Situation krebskranker Kinder, Jugendlicher und ihrer Familien nachhaltig zu verbessern. Mehr Informationen gibt es unter kinderkrebs-schweiz.ch. Sie können dort auch spenden.
Die Trauer ins Leben integrieren
Trauer beginnt für viele Eltern nicht erst mit dem Tod des Kindes – sie ist oft schon während der Krankheit spürbar, wenn Hoffnungen schwinden und die Endlichkeit greifbarer wird.
In dieser Zeit müssen die Eltern gleichzeitig Abschied nehmen und für ihr krankes Kind präsent sein. Sie müssen ihm und den Geschwistern das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit vermitteln. Dies in einer Phase, die für sie selbst von grosser Unsicherheit, Angst und emotionaler Überforderung geprägt ist.
Häufig beginnt das eigentliche Trauern erst nach dem Tod und der Beerdigung, wenn dafür mehr Raum entsteht. Der Trauerprozess verläuft nicht geradlinig, er verändert sich, ist manchmal überwältigend stark, dann wieder leiser und zurückhaltender. Doch die Trauer bleibt ein ständiger Begleiter und prägt das Leben der betroffenen Familien auf unterschiedliche Weise. Es geht nicht darum «loszulassen», sondern vielmehr darum, dem verstorbenen Kind einen neuen Platz in der Familie zu ermöglichen.
Verlust als Teil eines neuen Lebens
Um diesen schwierigen Weg zu bewältigen, brauchen Familien vor allem Begleitung, die entlastet, annimmt und nicht bewertet. Viele Betroffene beschreiben, dass es hilfreich ist, Menschen an ihrer Seite zu haben, die zuhören, aushalten und in der Not da sind.
Manche finden Halt in Ritualen oder bewusst gestalteten Erinnerungen, andere im Austausch mit Menschen, die Ähnliches erlebt haben. Wichtig ist, dass es keine «richtige» oder «falsche» Art der Trauer gibt, sondern dass jede Familie ihren eigenen Weg finden muss.
Dafür braucht es Unterstützung, die sie darin bestärkt, ihrer Trauer Raum zu geben, Erinnerungen bewusst zu gestalten und den Verlust langsam in ihr Leben zu integrieren.
Unterstützung durch das Umfeld – was Familien wirklich hilft
Das soziale Umfeld spielt eine entscheidende Rolle, wenn ein Kind an Krebs erkrankt oder daran stirbt. Oft sind es vermeintlich kleine Gesten und konkrete Hilfsangebote, die im Alltag entlasten: Einkaufen, Kochen, Fahrdienste oder die Betreuung von Geschwistern.
Angehörige, Freunde und Nachbarn leisten zudem einen unschätzbaren Dienst, indem sie zuhören, aushalten, emotional begleiten und den Kontakt zu den Familien halten – ohne vorschnelle Ratschläge zu erteilen.
Viele Eltern empfinden es als wertvoll, wenn das Kind nicht verschwiegen wird, sondern im Gespräch präsent bleibt. Auch Schule und Arbeitgebende können unterstützen, indem sie verständnisvoll und flexibel reagieren.
Wenn es dem Umfeld gelingt, mit den Familien im Gespräch zu bleiben, sensibel nachzufragen, was sie brauchen und wie es ihnen geht, kann es entscheidend dazu beitragen, dass sie nicht das Gefühl bekommen, in ihrer Trauer alleingelassen zu werden und das ver-lorene Kind in Vergessenheit gerät. Hier bietet die neue digitale Infoplattform von Kinderkrebs Schweiz, die Unterstützung und Orientierung rund um das Leben mit und nach Kinderkrebs gibt, auch wertvolle Hinweise und Anregungen genau zu diesem Thema.
Über Trauer sprechen – das Tabu brechen
Der Tod eines Kindes ist eine der schmerzhaftesten Erfahrungen – und darüber zu sprechen in un-serer Gesellschaft noch immer stark tabuisiert. Viele Menschen fühlen sich unsicher im Umgang mit betroffenen Familien, meiden das Thema, schauen weg oder ziehen sich zurück, aus Angst, etwas Falsches zu sagen.
Für die Eltern bedeutet dieses Schweigen jedoch oft eine zusätzliche Last, weil sie mit ihrer Trauer alleingelassen werden.
Eine offenere Kultur im Umgang mit Krankheit, Sterben und Trauer könnte die häufig empfundene soziale Isolation verhindern und würde helfen, die Betroffenen zu stützen sowie Berührungsängste abzubauen. Viele verwaiste Eltern wünschen sich daher mehr Offenheit und Interesse, denn nur so können diese existenziell wichtigen Themen in unserem Leben und in unserer Gesellschaft auch ihren Platz finden.
Über die Kampagne «Kinderkrebs – Abschied nehmen»
Mit einer neuen Sensibilisierungskampagne ruft der Dachverband Kinderkrebs Schweiz ab dem 1. September 2025 zu mehr Offenheit, Solidarität und Unterstützung auf. Der Start fällt bewusst in den «Goldenen September», den weltweiten Aktionsmonat zu Kinderkrebs.