Influencer werben für Pillen & Pulver – Experten alarmiert

Karin Aebischer
Karin Aebischer

Bern,

Wer keine Pillen und Pülverchen einnimmt, hat das Gefühl, etwas falsch zu machen. Nahrungsergänzungsmittel boomen. Doch sie können schnell Schaden zufügen.

Supplemente Nahrungsergänzungsmittel
Werbung für Nahrungsergänzungsmittel boomt bei Influencern –doch die wenigsten Leute sind auf solche Produkte angewiesen. - Instagram/pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel ist riesig. Influencer werben fleissig dafür.
  • Doch weil deren Aussagen auf Meinung statt auf Fakten basieren, ist dies problematisch.
  • Experten erklären zudem, dass nur die wenigsten Leute die Produkte wirklich brauchen.

Proteinmix-Pulver, Omega-3-Kapseln, Haarwurzelboost, Vitamintropen, Keratin und Kollagen: Das Angebot an Nahrungsergänzungsmitteln ist unendlich. Immer mehr Marken mit ausgeklügeltem Design und Werbekonzept schiessen auf den Markt.

Und nicht weniger Influencer werben auf Instagram und Co. für die Produkte. Ein Kollagen-Pulver am Morgen für eine «straffere und jüngere Haut», Protein-Shakes für «dein Wohlbefinden» und Omega-3-Kapseln als «echter Gamechanger».

Wer nichts davon einnimmt, macht etwas falsch. Denn schliesslich soll man sich ja Sorge tragen. So zumindest die Botschaft, die vermittelt wird.

Und so geraten viele unter Druck, mindestens ein solches Präparat regelmässig einzunehmen – besser noch mehrere davon.

Das geht einerseits ziemlich ins Geld, andererseits kann es der Gesundheit Schaden zufügen.

«Wenn kein Mangel vorhanden ist, bringt es in der Regel nichts, wenn einfach nach dem Giesskannenprinzip Nährstoffe eingenommen werden», sagt Melanie Loessner, Fachexpertin Kommunikation und Ernährung bei der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE zu Nau.ch.

Denn die SGE geht davon aus, «dass eine ausgewogene und bedarfsgerechte Ernährungsweise grundsätzlich geeignet ist, um alle Menschen in der Schweiz mit den notwendigen Nährstoffen zu versorgen.»

Loessner warnt, dass «sogar eine Überdosierung mit negativen Konsequenzen denkbar ist», wenn ohne Mangel Nahrungsergänzungs-Präparate eingenommen werden.

Gefährlich für Leber und andere Organe

Das unterstreicht auch die ernährungspsychologische Beraterin Alexandra Weber aus Glarus. «Generell gilt: Eine ausgewogene Ernährung sollte die Hauptquelle für Nährstoffe sein. Produkte, die nur dazu dienen, schnelle Gewinne zu erzielen, ohne wissenschaftliche Grundlage, sind oft unnötig oder sogar schädlich.»

Zum Beispiel könnten bestimmte Vitamine und Mineralstoffe in hohen Dosen miteinander in Konflikt geraten. «Ein bekanntes Beispiel ist, dass hohe Mengen an Eisen die Aufnahme von Zink beeinträchtigen können», erklärt Alexandra Weber.

Nimmst du Nahrungsergänzungsmittel ein?

Ebenso könnten einige Ergänzungsmittel, wenn sie zusammen eingenommen werden, die Leber oder andere Organe belasten. «Daher empfiehlt es sich, die Supplementierung mit einer Fachperson vorgängig zu besprechen, um mögliche negative Auswirkungen zu vermeiden.»

Auch die gleichzeitige Einnahme von Medikamenten könne Interaktionen hervorrufen. «Es ist nicht alles für alle.»

Viele Grauzonen und keine Belege

Wichtig sei zu wissen, betont Weber, dass Supplemente dem Lebensmittelgesetz unterstehen – und nicht dem pharmakologischen Gesetz. «Dort gibt es viele Grauzonen, welche manche Hersteller nutzen.»

Da die Produkte infolgedessen oft ohne ausreichende wissenschaftliche Belege auf den Markt kommen, sei auch die Qualität und Wirksamkeit vieler Produkte fraglich.

Smollich Nahrungsergänzungsmittel
Der deutsche Arzt Martin Smollich erforscht seit 20 Jahren Nahrungsergänzungsmittel und hat auch ein Buch dazu herausgegeben. - Instagram

Dass Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln mit hohen Margen arbeiten und fast ihr ganzes Geld ins Marketing stecken können, bekräftigt auch der deutsche Arzt Martin Smollich. «Das sollte man nicht vergessen, wenn man überall Supplement-Empfehlungen liest, die wie Nächstenliebe daherkommen», sagt Smollich, der sich auf Instragram unter @ernmedblog für faktenbasierte Ernährungs-Infos starkmacht.

Im Vergleich zur Pharmaindustrie hätten es die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln sogar noch einfacher. «Sie müssen anders als bei Medikamenten keine Milliarden in Entwicklung, klinische Prüfung und Zulassung investieren», so Smollich.

Meinung statt Fakten

Dass diese Produkte obendrauf statt von Fachpersonen von Influencern angepriesen werden, beurteilt Alexandra Weber als «problematisch»: «Influencer haben oft keine medizinische oder ernährungswissenschaftliche Ausbildung, und ihre Empfehlungen basieren häufig auf persönlichen Meinungen oder Marketingstrategien.»

Es bestehe die Gefahr, dass falsche Erwartungen geweckt werden und sich Menschen auf Nahrungsergänzungsmittel verlassen, anstatt auf eine ausgewogene Ernährung.

Smoothie
Wie wäre es noch mit einem Proteinshake oder einem Kollagen-Pulver im Drink? - depositphotos

Nicht zu vergessen der Druck, der entsteht, irgendetwas einnehmen zu müssen, um dem Körper Gutes zu tun. «Die ständige Werbung, soziale Medien und der Eindruck, dass man etwas verpassen könnte, erzeugen bei vielen Menschen das Gefühl, unbedingt etwas tun zu müssen, um gesund zu bleiben oder jung auszusehen», so Weber.

Dieser Druck könne zu Unsicherheit, Ängsten und unnötigem Konsum führen. «Was wiederum finanziell belastend sein kann.»

Auch die deutsche Konsumentenorganisation Foodwatch schlägt Alarm: Posts und Stories auf Instagram verstiessen häufig gegen Schutzvorgaben der EU, weil sie irreführend seien und falsche Versprechen enthielten.

«Was sich in sozialen Medien abspielt, ist der Wilde Westen der Gesundheitswerbung. Ohne Kontrolle, ohne Regeln, ohne Rücksicht auf Risiken», so Foodwatch-Geschäftsführer Chris Methmann.

Die Organisation fordert eine strengere Überwachung dieses Online-Marktes.

Kommentare

User #1365 (nicht angemeldet)

👏 53% 👏 der 👏 Geowissenschaftler 👏 sind 👏 Klimaskeptiker 👏 (Quelle: 10.1029/2009EO030002).

User #4783 (nicht angemeldet)

NAU Ihr seid die beste Werbung für Telegram:)))

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