Hälfte der Patienten bricht Abnehmspritzen-Behandlung ab
Eine Studie in Dänemark zeigt, dass viele Menschen eine Behandlung mit Abnehmspritzen frühzeitig abbrechen. Eine Umfrage zeigt: Auch hierzulande ist es so.

Das Wichtigste in Kürze
- In Dänemark brachen laut einer Studie 52 Prozent die Behandlung mit der Abnehmspritze ab.
- Daten des Schweizer Krankenversicherers Concordia zeigen ein ähnliches Muster.
- Auch bei uns zieht fast die Hälfte die Behandlung nicht durch.
Diese Studie aus Dänemark zu Abnehmspritzen lässt aufhorchen: Von 77'310 Erwachsenen ohne Diabetes haben 52 Prozent die Behandlung innerhalb eines Jahres abgebrochen.
Betrachtet wurden Menschen, die zwischen 1. Dezember 2022 und 1. Oktober 2023 eine Semaglutide-Therapie (mit Wirkstoff zum Abnehmen) begonnen hatten. Die Patienten waren im Schnitt 50 Jahre alt, 71 Prozent davon waren weiblich.
18 Prozent stoppten die Behandlung mit Abnehmspritzen innerhalb von drei Monaten. 31 Prozent brachen innerhalb von einem halben Jahr und 42 Prozent innerhalb von neun Monaten ab.
Junge Menschen zwischen 18 und 29 Jahren stoppten dabei die Therapie häufiger als ältere zwischen 45 und 59 Jahren. Behandlungsstopps gab es zudem eher bei Männern als bei Frauen.
Ebenfalls auffällig: Menschen, die in dänischen Regionen mit geringerem Durchschnittseinkommen wohnen, brachen eher ab als jene in anderen Gebieten. Daher könnten laut der Studie auch finanzielle Gründe mitgespielt haben.
Immer mehr Schweizer nehmen Abnehmspritze
Auch in der Schweiz sind Abnehmspritzen äusserst beliebt. Seit Frühling 2024 wird die Behandlung teilweise von der Krankenkasse übernommen.
Bereits im ersten Jahr wurden laut Schätzungen über 40'000 Menschen mit der Spritze behandelt.
Und die Tendenz zeigt nach oben: Im ersten Quartal 2025 wurden über 120'000 Monatsdosen vergütet. Schätzungen sagen, dass die Kosten auf jährlich 300 Millionen Franken ansteigen könnten.

Zudem sorgt die Nachfrage nach Abnehmspritzen bei den Krankenkassen für enormen Aufwand. Die Zahl der Gesuche um Kostenübernahme hat sich in kurzer Zeit stark erhöht.
Bei der CSS machte 2024 jedes vierte der insgesamt 45'000 Gesuche eine Abnehmtherapie mit Medikamenten aus. 2025 ist es bereits jedes dritte. Ähnliche Werte melden Helsana und Swica.
Bei der Groupe Mutuel betrifft rund ein Viertel aller Anträge die Abnehmspritzen, bei der Visana jeder Siebte. Andere Versicherer wollten keine genauen Zahlen nennen.
Concordia: «Fast die Hälfte» bricht ab
Doch wie sehen die Zahlen zu den Behandlungsabbrüchen in der Schweiz aus? Nau.ch hat bei den grössten Schweizer Krankenkassen nachgefragt.
«Rund 1 Prozent unserer Versicherten nimmt aktuell solche Produkte», erklärt Astrid Brändlin von der Concordia auf Anfrage. Die Krankenkasse zählt derzeit 740'000 Grundversicherte. Heisst: 7400 bei der Concordia versicherte Menschen nehmen derzeit eine Abnehmspritze.
Und auch hier brechen viele schnell ab.
Die Daten der Medikamentenbezüge würden zeigen, dass ein relevanter Teil die Behandlung mit Abnehmspritzen innert Jahresfrist abbreche. Das sind «fast die Hälfte der Betroffenen», sagt Brändlin.
«Es handelt sich also um ein paar Tausend.» GLP-1-Agonisten – vereinfacht gesagt Abnehmspritzen – müssten kontinuierlich verabreicht werden, um eine Wirkung zu erzeugen.
«Wir stellen weder beim Geschlecht noch beim Alter der Versicherten, die die Therapie beenden, Auffälligkeiten fest.»
Swica: Abbruch-Zahlen dürften ähnlich wie in Dänemark sein
Der CSS (1,47 Millionen Grundversicherte) und der Groupe Mutuel (gut 1 Million Grundversicherte) liegen keine Zahlen zu Behandlungsabbrüchen vor.
Auch bei der Swica (851'000 Grundversicherte) sind solche Angaben nicht in den Datenbanken enthalten, erklärt Mediensprecher Oliver Steinmann.
Aber: «Aus unserer Sicht sind die Zahlen aus Dänemark aber vermutlich auch für die Schweiz eine hilfreiche Diskussionsgrundlage», sagt Steinmann.
Ein grosser Unterschied wäre demnach nur zu erwarten, wenn sich die Versorgungssituationen in den beiden Ländern massiv unterscheiden würden.
Auch grösste Krankenkasse beobachtet Therapieabbrüche
Auch bei der grössten Krankenkasse Helsana mit über 1,5 Millionen Grundversicherten kommt es zu Behandlungsabbrüchen.
Mediensprecher Nico Nabholz sagt dazu: «Helsana liegt dazu keine Statistik vor. Interne Beobachtungen zeigen jedoch, dass Therapieunterbrüche vorkommen.»
Ein Grund für die Abbrüche ist unter anderem: Wenn «die geforderten Gewichtsreduktionen – mindestens fünf Prozent nach 16 Wochen – nicht erreicht werden.»
Allfällige Auffälligkeiten wie in Dänemark bei jenen, die die Behandlung mit Abnehmspritzen abbrechen, seien mangels Daten nicht belegbar.
Weniger Abbrüche scheint es bei Spezialzentren wie der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung des Unispitals Zürich zu geben.
Der leitende Arzt Philipp Gerber sagt in Bezug auf die dänischen Zahlen: «Die Abbruchrate ist bei unseren Patienten, die wir gut informieren und seriös behandeln, sicher kleiner.»
Konkrete Zahlen hat auch die Klinik nicht.
Aber Gerber betont: «Höher sind die Zahlen bei Patienten, die ‹auf eigene Faust› ohne spezialisiertes Zentrum die Therapie beginnen.» Sie müssten die Therapie auch selbst bezahlen, da die Kasse nur bei Behandlung durch spezialisierte Zentren übernimmt.
Das sind die Risiken bei Behandlungsabbrüchen
Doch was sind die Gefahren bei einem Behandlungsabbruch? Nau.ch hat bei der Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie, Ernährungsmedizin & Metabolismus des Inselspitals in Bern nachgefragt.
Der stellvertretende Klinikdirektor und Chefarzt Markus Laimer sagt dazu: «Ein ungeplantes oder nicht ärztlich begleitetes Absetzen der Semaglutid-Therapie kann dazu führen, dass die positiven Wirkungen der Behandlung nachlassen. Insbesondere in Bezug auf Blutzuckerkontrolle, Gewicht und Herz-Kreislauf-Risiko.»

Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes könne sich die Stoffwechsellage verschlechtern. Und bei Patientinnen und Patienten mit Adipositas komme es häufig zu einer erneuten Gewichtszunahme.
«Entzugssymptome oder akute Nebenwirkungen beim Absetzen sind nicht bekannt. Die negativen Folgen ergeben sich in erster Linie aus dem Wegfall der therapeutischen Wirkung.»
«Unwirksame Behandlungen verursachen unnötige Kosten»
Laut Brändlin von der Krankenkasse Concordia bedingt eine Behandlung mit Abnehmspritzen zudem eine langfristige Umstellung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten. Dies sei für die Betroffenen nicht einfach.
Und sie ergänzt: «Unwirksame Behandlungen verursachen unnötige Kosten und können gleichzeitig für die behandelten Menschen gefährlich sein.» Dies, weil auch die Behandlungen mit Abnehmspritzen unerwünschte Nebenwirkungen haben können.
Brändlin sagt darum: «Aus Sicht der Prämienzahlenden ist es wichtig, dass Behandlungen, deren Ziel nicht erreicht wird, nicht zulasten der Grundversicherung fortgeführt werden.»













