Künftig sollen Geflüchtete vor der Ausschaffung zum Covid-Test gezwungen werden können. Die Flüchtlingshilfe kritisiert das Bestreben des Bundesrats.
Bundesrat Coronavirus
Bundesratspräsident Guy Parmelin, rechts, spricht mit Bundesrat Ignazio Cassis, links, und Bundesrat Alain Berset, Mitte, kurz vor Beginn der Von-Wattenwyl-Gespräche, am Freitag, 7. Mai 2021, in Bern. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Bundesrat will, dass Menschen vor der Ausschaffung zum Covid-Test zwingen kann.
  • Dies, weil Dublin- und Herkunftsstaaten einen negativen Testnachweis verlangen.
  • Die Schweizerische Flüchtlingshilfe meint, das Vorhaben sei unverhältnismässig.

Für die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) sind die vom Bundesrat vorgeschlagenen Covid-19-Zwangstests bei Ausschaffungen von abgewiesenen Asylbewerbern unverhältnismässig. Und verletzen das Grundrecht auf körperliche Integrität.

Ausserdem würde ein Testzwang zu einer Ungleichbehandlung mit dem Rest der Bevölkerung führen, schreibt die SFH in ihrer Vernehmlassungsantwort.

Der Bundesrat will das Gesetz so ändern, dass Betroffene bei Ausschaffungen künftig zu einem Covid-19-Test verpflichtet werden können. Laut dem Bund hatten jüngst vermehrt Betroffene einen Test verweigert, um eine Ausschaffung zu verhindern.

«Rechtlich und medizinisch unverantwortbar»

Die SFH erachtet einen Testzwang als «rechtlich und medizinisch unverantwortbar». Sollte sich eine betroffene Person körperlich zur Wehr setzen, bestehe eine erhebliche Verletzungsgefahr. Dies, wenn der Test dann unter Zwang durchgeführt werde. Zudem sei ein beträchtliches Mass an Gewaltanwendung nötig, um eine Person genügend zu fixieren.

Corona-Tests
Mit 2G fallen immer mehr Aktivitäten für Ungeimpfte auch mit einem Testnachweis weg. - dpa

Eine Einschränkung des Grundrechts auf körperliche Integrität sei ausserdem nur zulässig, wenn strenge Bedingungen erfüllt seien, so die SFH weiter. So müssten solche Einschränkungen insbesondere zwingend notwendig und verhältnismässig sowie durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sein. Zudem brauche es dafür eine ausreichend klare gesetzliche Grundlage.

Der bundesrätliche Entwurf erfülle diese Voraussetzung nicht. Es bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse, das solche Zwangstests rechtfertigen könne. Die Zwangsmassnahme sei zudem nicht geeignet, den beabsichtigten Zweck zu erfüllen. Laut Gesetzesentwurf dürfe im konkreten Fall kein Zwang ausgeübt werden, der für die betroffene Person gesundheitsgefährdend sei.

Neue Regel soll bis Ende 2022 in Kraft treten

Der Entwurf lässt nach Ansicht der Flüchtlingshilfe aber zahlreiche relevante Fragen mit Blick auf die praktische Umsetzung offen: So sei insbesondere unklar, wer die Covid-Tests zwangsweise durchführen soll. Und welches Mass an Gewalt dabei von wem und wann ausgeübt werden dürfe.

Flüchtlinge
Flüchtlinge an der griechisch-türkischen Grenze (Symbolbild). - dpa

Der Bundesrat möchte die neue Regelung rasch in Kraft setzen. Sie soll bis Ende 2022 gelten. Die Massnahme solle helfen, Kosten zu vermeiden. Dies insbesondere in den Kantonen, die für den Vollzug von Wegweisungen zuständig sind.

Die Vernehmlassungsfrist läuft am Mittwoch ab. Zudem soll das Parlament die Änderung für dringlich erklären.

Viele Fluggesellschaften sowie Herkunfts- und Dublin-Staaten verlangen einen negativen Covid-19-Test für Ausschaffungsflüge respektive die Rückübernahme von Personen. Nach Angaben des Bundes verweigern Betroffene zunehmend solche Tests, um vorerst nicht ausgeschafft zu werden. In Bundeszentren waren es heuer bis Ende April 22 Fälle, Ende Mai bereits 50. Hinzu kamen weitere Personen, die in den Kantonen untergebracht waren.

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