Unverschämt frei
Immer mehr Frauen über 50 lieben jünger – und stellen damit alte Rollenbilder auf den Kopf.

Heidi Klum hat es getan, Madonna auch und Demi Moore sowieso. Sie haben sich deutlich jüngere Männer geangelt – und plötzlich scheint das Undenkbare gesellschaftsfähig: Frauen über 50 daten Männer um die 30.
Was bei Männern seit Jahrzehnten als völlig normal gilt, sorgt bei Frauen noch immer für hochgezogene Augenbrauen. «Verzweifelt», «will ihre Jugend zurück» oder – noch abschätziger – «Cougar». Das soll nach Raubtier klingen, meint aber meist nur: zu alt für sowas.
Milder fällt das Urteil höchstens aus, wenn die Frau mit 50 noch aussieht wie 30. Der ältere Mann dagegen darf problemlos so alt sein, wie er ist. Seine Falten gelten als Zeichen von Erfahrung, sein Bauch als charmant. Zumindest aus seiner Sicht.
Er braucht etwas «Frisches», und Frauen über 50 sind das seiner Meinung nach nicht mehr. Sie seien, so findet er, etwa so sexy wie ein Thermomix: praktisch zwar, aber langweilig. Und das Beste daran: Er ist mit dieser Meinung nicht allein.
Ein grosser Teil der Gesellschaft nickt zustimmend. Ein älterer Mann mit junger Partnerin? Gilt als Klassiker, nicht als Kuriosität. Als Erfolgsgeschichte, nicht als Grenzüberschreitung. Er hat, natürlich!, noch so einiges zu bieten. Was eine Frau in seinem Alter längst nicht mehr hat.
Zumindest nicht im kollektiven Blick. Und wenn sich dann doch mal ein jüngerer Mann für eine ältere Frau interessiert, wird sein Motiv sofort seziert: Vaterkomplex? Verlustangst? Therapiebedarf?
Dabei braucht es im Gegenteil oft mehr Reife, sich auf eine Partnerin einzulassen, die weiss, was sie will – und keinen Versorger mehr sucht, sondern ein Gegenüber. Eine Beziehung auf Augenhöhe ist nicht jederManns Sache.
Vielleicht ist es am Ende gar nicht so kompliziert. Vielleicht dürfen Frauen über 50 heute einfach selbst entscheiden, mit wem sie ihr Leben, oder auch nur einen Abschnitt davon, teilen wollen.
Ob der Mann graue Schläfen hat oder ein Babyface, spielt keine Rolle. Wer ein eigenes Leben, einen eigenen Kopf und ein eigenes Konto hat, braucht niemanden, der sie hält. Nur jemanden, der sie sieht.
Und vielleicht liegt genau darin die eigentliche Provokation. Nicht in der Liebe, nicht im Altersunterschied, sondern darin, dass eine Frau nicht mehr fragt, ob sie darf. Sondern nur noch, ob es sich für sie lohnt. Und dass die Antwort darauf nicht mehr die Gesellschaft gibt.