Ein einziger Bus hilft SBB bei Megachaos aus der Patsche
Sämtliche Züge der SBB fielen am Mittwochmorgen auf einer Strecke nach Zürich aus. Ein Bahnersatzbus der VZO musste das Pendlerchaos abfangen.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Bahnersatzbus in Küsnacht ZH war sofort überfüllt.
- Die SBB konnte nur einen Gelenkbus organisieren.
- «Wir haben alles getan, was in unserer Macht stand», sagt der VZO-Direktor.
Hunderte Pendlerinnen und Pendler strandeten in Küsnacht ZH. Am Mittwochmorgen war dort Endstation wegen eines ausserplanmässigen Unterbruchs des Bahnverkehrs auf der Strecke Zürich HB.
Auch nicht vom Fleck kam der ehemalige Sprecher der Zürcher Stadtpolizei.
«Ich hätte schon erwartet, dass die SBB ein paar Bahnersatzbusse zur Verfügung stellt», sagte Marco Cortesi zu Nau.ch. Bis jetzt sei aber nur ein Bus vorbeigekommen.
«Wahrscheinlich wurde SBB selber überrascht»
Tugce Nur hätte auch mehr Busse erwartet. «Ich bin schon überrascht, dass pro Zug nur ein Bahnersatzbus angeboten wird», sagte sie. «Wahrscheinlich wurde die SBB selber überrascht.»
Tatsächlich holte am Bahnhof Küsnacht nur ein einziger Bahnersatzbus die gestrandeten Pendlerinnen und Pendler ab.
Zwischen den Fahrten kam es zu Wartezeiten von über 20 Minuten.
SBB habe sofort reagiert
Zudem waren die Busse innert Kürze überfüllt. Der eingesetzte Gelenkbus fasst 120 Personen. Am Bahnhof warteten jedoch mehrere Hundert Passagiere.
Manche der Gestrandeten wichen deshalb auf ein Taxi aus. Andere stellten sich sogar an die Strasse, um Autostopp zu machen.

Bei der Organisation der Bahnersatzbusse kam es zu einer Panne. Die SBB habe sofort mit Busunternehmen Kontakt aufgenommen, sagt SBB-Mediensprecher Reto Schärli zu Nau.ch.
«Leider konnten diese für die morgendliche Hauptverkehrszeit nur einen Ersatzbus zur Verfügung stellen.» Die SBB bitte die Reisenden für die Unannehmlichkeiten um Entschuldigung.
Anruf frühmorgens
Der SBB aus der Patsche half ein Bus der Verkehrsbetriebe Zürichsee und Oberland AG (VZO). «Am Mittwoch um 4.30 Uhr erhielten wir von der SBB-Betriebsleitzentrale einen dringenden Anruf», sagt VZO-Direktor Joe Schmid.
Diese habe gefragt, ob sie umgehend Bahnersatzbusse zwischen Küsnacht und Tiefenbrunnen bereitstellen könnten.
Dieser Streckenabschnitt liegt laut Schmid ausserhalb des Zuständigkeitsbereichs der VZO für Bahnersatz-Einsätze. «Trotzdem wurden die VZO umgehend aktiv.»
Die SBB konnte laut Schmid zu diesem Zeitpunkt keine anderen Busse von anderen Busbetrieben organisieren. «Darum haben die VZO sofort alle Möglichkeiten geprüft.» Ihre Disponenten in Grüningen ZH hätten umgehend gehandelt. «Und sie setzten alles daran, der SBB in dieser schwierigen Lage zu helfen.»
Keine Chauffeure auf Vorrat
Der VZO-Direktor bezeichnet die Ausgangslage als äusserst anspruchsvoll. «Wir haben alles getan, was in unserer Macht stand.»
Grund dafür sei, dass die VZO während der morgendlichen Rushhour keine überzähligen Fahrzeuge und Chauffeure zur Verfügung hätten.
Alle Ressourcen würden für den Betrieb der 54 VZO-Buslinien benötigt. «Dank der Flexibilität unserer Disposition konnten jedoch ein VZO-Chauffeur und ein Gelenkbus mobilisiert werden.»
Immer mehr Pendler
Auch in den S-Bahnen war die Situation am Mittwochmorgen angespannt. Diese waren bis in den Eingangsbereich mit Passagieren gefüllt.
Solche Zustände könnten sich bei ausserordentlichen Ereignissen noch verschärfen.
Über 22 Milliarden Personenkilometer legten die Schweizerinnen und Schweizer 2023 auf dem Schienennetz hierzulande zurück. Laut Bundesamt für Statistik handelte es sich um den höchsten je erreichten Wert. Der Bund rechnet damit, dass 2040 fast zwei Millionen Menschen pro Tag mit dem Zug fahren. Das sind 30 Prozent mehr als heute.
«Schwarzer-Schwan-Effekt»
Das Pendlerchaos soll aber nicht darauf hindeuten, dass der ÖV bald am Limit ist.
«Es handelt sich hierbei um einen ‹Schwarzen-Schwan-Effekt›», sagt Timo Ohnmacht zu Nau.ch. Er ist Verkehrssoziologe an der Hochschule Luzern. Damit ist ein unerwartetes und unvorhersehbares Ereignis gemeint.

«Die Frequenzen und Raumrelationen des Pendelns sind Bund und SBB sehr gut bekannt», sagt er. Diese stammten direkt aus der Volkszählung. «Kein Verkehrssystem kann so dimensioniert sein, dass solche Ereignisse abgefangen werden können.»
Ohnmacht lobt die SBB. «Dass ein Bahnersatzbus überhaupt so kurzfristig organisiert werden konnte, zeigt ein gutes Krisenmanagement.»
Velo als Ausweg
Mobilitätsexperte Thomas Hug-Di Lena weist darauf hin, dass die Kapazität eines Zuges kaum mit Bussen zu ersetzen sei. Dies sei gerade in Spitzenzeiten der Fall. «Deshalb werden diese Verbindungen ja auch nicht mit Bussen betrieben, sondern mit den Zügen.»
Leuten mit einem Arbeitsweg von maximal zehn Kilometern empfiehlt er, in Ausnahmesituationen auf das Velo zurückzugreifen. «Mit den zunehmenden Investitionen in die Veloinfrastruktur wird diese Option auch immer attraktiver, um die S-Bahn-Strecken zu entlasten.»