Der Kanton Bern veröffentlicht als einziger Kanton die Wohngemeinde der mit dem Coronavirus infizierten Personen. Ein Experte für IT-Recht begrüsst das.
Coronavirus
Medizinisches Personal macht bei einem Patienten ein Abstrich für einen Test auf das Coronavirus im Coronavirus-Testzentrum in Mendrisio. - Keystone
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Auf der Webseite des Kantons Bern sind die Wohngemeinden der Corona-Infizierten angegeben.
  • In anderen Kantonen und beim BAG werden diese nicht genau angegeben.
  • Ein Experte für IT-Recht fordert das BAG auf, hier nachzuziehen.

Täglich geben die Kantone die Anzahl der neuen Infektionen mit dem Coronavirus bekannt. Auf der Webseite des Kantons Bern ist aber neuerdings nicht nur die Zahl der Infektionen zu sehen. Sondern seit Ende Juni veröffentlicht der Kanton auch die Gemeinden, in denen Infizierte leben.

Darunter sind auch Gemeinden mit lediglich wenigen hundert Einwohnern. Das ist bisher einzigartig in der Schweiz. Weder das Bundesamt für Gesundheit (BAG) noch die anderen Kantone veröffentlichen die Namen der Wohngemeinden.

Kanton Bern Coronavirus
Auf der Webseite des Kantons Bern wird angezeigt, in welchen Wohngemeinden die mit dem Coronavirus infizierten Personen im Kanton leben, - Screenshot www.be.ch/corona

Der Kanton Bern habe damit auf die Nachlässigkeit der Leute reagiert, wie Gundekar Giebel, Kommunikationsbeauftragter der Gesundheitsdirektion, dem SRF erklärt: «Wir dachten, wir müssen ein Zeichen setzen und das Coronavirus wieder sichtbar machen. Das haben wir durch die Bekanntgabe der Gemeinden, glaube ich, gut erreicht.»

«Mangel an öffentlich zugänglichen Daten von Behörden»

Olivia Keiser, Epidemiologin der Universität Genf und Mitglied der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes, begrüsst das. «Transparente und offene Kommunikation ist sehr wichtig, insbesondere in Krisensituationen. Es handelt sich ja nicht um Wohnorte, sondern um Gemeinden. Da genügend Personen in einer Gemeinde leben, wird so der Persönlichkeitsschutz gewährleistet», erklärt Keiser auf Anfrage.

Sie glaubt, dass gerade Grafiken helfen, einen schnellen Überblick zu geben, wo es aktuell ein Problem gibt. Und wo vielleicht Massnahmen verschärft werden müssen. «Eine solche Info kann auch dazu beitragen, dass die Leute von sich aus vorsichtiger werden. Wenn sie zum Beispiel in einer stärker betroffenen Region leben», so Keiser.

Coronavirus - Schweiz
Wer trotz Coronavirus zu spät zum Arzt geht, riskiert eine Behandlung auf der Intensivstation. - dpa

Auch Martin Steiger, auf IT-Recht spezialisierter Anwalt und Sprecher der Digitalen Gesellschaft, begrüsst die Publikation der Wohngemeinden Corona-Infizierter. «Bei der Pandemie-Bekämpfung in der Schweiz besteht ein Mangel an öffentlich zugänglichen Daten von Behörden sowie an entsprechenden Auswertungen.»

BAG-Angaben zum Coronavirus für Steiger ungenügend

Das BAG veröffentliche zum Beispiel bereits die Lokalitäten von Fällen mit dem Coronavirus. Dies geschehe aber lediglich in Form einer animierten Schweizer Karte. «Das widerspricht den Grundsätzen von Open Government Data und Behörden-Transparenz», sagt Steiger.

Die Veröffentlichung solcher Daten für nicht personenbezogene Zwecke sei im Datenschutzrecht ausdrücklich vorgesehen, insbesondere für Forschung, Planung und Statistik. Wichtig sei, dass die betroffenen Personen so nicht bestimmbar sind. Bei den Angaben des Kantons Bern hält er die Wahrscheinlichkeit für gering, dass Betroffene bestimmbar sind.

martin steiger
Martin Steiger ist Anwalt für Recht im digitalen Raum. - zVg/Daniela Grünenwald

«Unser Föderalismus sowie die Verfügbarkeit von staatlichen Daten hat den Vorteil, dass einzelne Kantone und Private zeigen können, was für ein Nutzen geschaffen werden kann», erläutert Steiger. So würden etwa andere Kantone veröffentlichen, wo Ansteckungen stattfinden. Oder Private würden zeigen, wie das Ganze visualisiert werden könne.

«Solche Vorbilder motivieren hoffentlich das BAG und andere Kantone zur Nachahmung. Anstatt sich mit einem pauschalen Verweis auf den Datenschutz einmal mehr aus der Verantwortung zu stehlen», so Steiger. Aber: Wichtig sei, dass es nicht um Daten der Erkrankten gehe, sondern um Daten über den Pandemieverlauf in der Schweiz. «Daten der Erkrankten dürfen ohne deren Einwilligung nicht veröffentlicht werden, was aber auch nicht geschieht.»

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

SRFUniversität GenfFöderalismusCoronavirusDaten