Die Taskforce des Bundes bringt die Idee auf den Tisch, nur noch Geimpfte oder Genesene an grösseren Events zulassen. Ethiker warnen vor weiterer Polarisierung.
Coronavirus
Die Taskforce will das Covid-Zertifikat nur noch Genesenen und gegen das Coronavirus Geimpften ausstellen. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Taskforce denkt darüber nach, das Zertifikat auf Geimpfte und Genesene einzuschränken.
  • Ungeimpfte Personen wären damit künftig von vielen Veranstaltungen ausgeschlossen.
  • Aus Politik und Wissenschaft kommt nun Kritik.

Für grössere Anlässe braucht man Stand heute ein Covid-Zertifikat, um hineingelassen zu werden. Eine Bestätigung also, gegen das Coronavirus geimpft, genesen oder negativ getestet zu sein. Die Covid-Taskforce erwägt nun zumindest, Ungeimpfte von solchen Events ganz ausschliessen.

Das kommt in vielen Kreisen gar nicht gut an. Gesundheitskommissions-Chefin Ruth Humbel (Mitte) nannte die Idee gegenüber dem «Tages-Anzeiger» «epidemiologisch vernünftig», aber «politisch äusserst heikel».

Ruth Humbel tritt
Ruth Humbel tritt aus dem Nationalrat zurück. - Keystone

Auch von links und rechts kommt Kritik: SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi und SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen stellen sich dagegen – aus unterschiedlichen Gründen.

Wasserfallen gibt zu bedenken, ein solcher Entscheid könnte eine «unerwünschte Gegenreaktion auslösen». Aeschi dagegen befürchtet die Förderung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft.

Ethikerin: «Gut gemeint, wenig geeignet»

Doch auch Ethiker sehen die Idee der Corona-Taskforce kritisch. Nikola Biller-Andorno von der Universität Zürich sagt auf Anfrage von Nau.ch: «Der Vorschlag ist gut gemeint, man möchte Grossveranstaltungen ermöglichen und zugleich das Risiko minimieren. Dennoch halte ich ihn für wenig geeignet.»

Die Ethikerin ist der Ansicht, dass der Preis dieser sogenannten «2G-Lösung» zu hoch sei. «Sie würde sehr wahrscheinlich zu einer weiteren Polarisierung in Sachen Impfung führen», sagt sie. In der Fortsetzung der Informationskampagnen und der kostenlosen Impf- und Testangebote sieht Biller-Andorno den besseren Weg.

Grossevents wegen Coronavirus «nie risikofrei»

Nikola Biller-Andorno weist darauf hin, dass auch bei Geimpften und Genesenen ein kleines Restrisiko bestehe, dass sie das Coronavirus verbreiten. «Grossveranstaltungen werden in dieser Hinsicht nie risikofrei sein. Das muss denjenigen, die solche Events besuchen wollen, klar sein», so die Professorin.

Coronavirus Ethikerin
Prof. Dr. med. Dr. phil. Nikola Biller-Andorno vom Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte (IBME). - zVg

Auch für Ethiker Christof Arn ist sicher, dass man mit der Ausübung von moralischem Druck Gefahr läuft, zu polarisieren. «Für eine Demokratie ist das Gegenteil wichtig: der Respekt vor anderen Überzeugungen», sagt er gegenüber Nau.ch.

Was halten Sie von der Empfehlung der Taskforce?

«Menschen vor etwas zu schützen, vor dem sie nicht geschützt werden wollen, ist auch ein Übergriff.» Im Dreiphasenmodell des Bundesrats sieht Arn demnach Logik. «In der dritten Phase werden die Ungeimpften nicht mehr vor Ansteckungen geschützt. Sie wollen das auch gar nicht», so der Ethiker.

Es sei eine Frage des Respekts, ihnen beim Coronavirus das Thema Eigenschutz selbst zu überlassen. «In der dritten Phase geht es nur noch darum, das Gesundheitssystem vor Überlastung zu bewahren», schliesst Arn.

Virologe stützt Taskforce- Idee

Im Gegensatz zu den Ethikern stellt sich Virologe Andreas Cerny hinter den Vorschlag der Taskforce. Gegenüber Nau.ch sagt er: «Die Empfehlung dient dem Schutz von gefährdeten Menschen und ist aus meiner Sicht ethisch vertretbar.»

Die Einschränkung der Freiheit, die dabei entstehe, sei für den Einzelnen sicher störend. «Dieser Nachteil kann aber den Schutz von Leib und Leben nicht aufwiegen», so Cerny.

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