Das Bundesgericht hat am Mittwoch einen Freispruch nach einer Vergewaltigung bestätigt. Die betroffene Frau forderte eine Anwendung von «Nur-Ja-heisst-Ja».
Das Bundesgericht hat entschieden, dass ein «Nur-Ja-heisst-Ja»-Grundsatz bei der aktuellen Rechtslage nicht angewendet werden kann.
Das Bundesgericht hat entschieden, dass ein «Nur-Ja-heisst-Ja»-Grundsatz bei der aktuellen Rechtslage nicht angewendet werden kann. - sda - KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Beschuldigter wird vom Vorwurf der Vergewaltigung vom Bundesgericht freigesprochen.
  • Die betroffene Frau hatte die Anwendung eines «Nur-Ja-heisst-Ja»-Grundsatzes gefordert.
  • Dies reiche gemäss dem geltenden Sexualstrafrecht nicht aus.

Das Bundesgericht hat den Freispruch eines der Vergewaltigung beschuldigten Mannes bestätigt. Für eine Anwendung eines «Nur-Ja-heisst-Ja»-Grundsatzes, wie von der betroffenen Frau gefordert, fehle die gesetzliche Grundlage.

Das geltende Sexualstrafrecht könne nicht so ausgelegt werden, dass die fehlende Einverständniserklärung für eine sexuelle Handlung ausreichen würde, um jemanden wegen sexueller Nötigung oder Vergewaltigung zu verurteilen, schrieb das Bundesgericht in einer Mitteilung von Mittwoch.

Erforderlich für eine Verurteilung sei eine Nötigungshandlung. Also, dass das Opfer mit der sexuellen Handlung nicht einverstanden sei, der Täter dies wisse oder in Kauf nehme und sich darüber hinwegsetze. Letzteres indem er etwa psychischen Druck ausübt oder bestimmte Mittel wie etwa eine Gewaltdrohung einsetzt, wie das Bundesgericht weiter ausführte.

Bundesgericht verweist auf Fall aus Genf

Das Bundesgerichts-Urteil bezieht sich auf einen Fall aus dem Kanton Genf. Im September 2020 verurteilte das kantonale Strafgericht einen Beschuldigten wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung. Das Kantonsgericht entsprach indes der Berufung des Beschuldigten und sprach ihn von diesen Anklagepunkten frei. Daraufhin erhob die betroffene Frau Beschwerde.

Laut dem Bundesgericht ist der Tathergang umstritten, insbesondere, ob die sexuellen Handlungen mit dem Einverständnis der Beschwerdeführerin erfolgten.

Beschwerde mit Verweis auf Europäischen Gerichtshof

In der Beschwerde habe die Frau auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verwiesen. Demnach sind die Staaten zum Erlass von Bestimmungen verpflichtet, die jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung unter Strafe stellen, wie das Bundesgericht weiter ausführte.

Das Bundesgericht verwies in seiner Mitteilung aber auch auf den «grossen Ermessensspielraum», über den die einzelnen Staaten verfügten. Zudem habe sich der EGMR noch mit keinem Fall zu befassen gehabt, bei dem es einzig um die fehlende Zustimmung in einem Land ohne Zustimmungslösung ging.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty Schweiz reagierte bereits auf dem Kurznachrichtendienst Twitter auf das Urteil des Bundesgerichts. Sie forderte mit dem Verweis auf das Urteil eine Zustimmungslösung im Sexualstrafrecht.

Gegenwärtig läuft eine Revision des Gesetzes. Allerdings hat sich die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats gegen eine Zustimmungslösung ausgesprochen. Die Kommission zieht eine «Nein-heisst-Nein»-Lösung vor. (Urteil 6B_894/2021 vom 28. März 2022)

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