Während eines Interviews mit Schweiz-Israelis wird das Handy eines Nau.ch-Journalisten mit Anrufen bombardiert. Ein gezielter Angriff? Gut möglich, so ein Experte.
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Attackierte eine Pro-Hamas-Gruppe das Smartphone eines Journalisten? - Atia Darwish/APA Images/ZUMA Wire/dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Nau.ch-Journalist wird während eines Israel-Interviews mit Anrufen bombardiert.
  • Ein Experte vermutet einen politisch motivierten Angriff hinter dem Telefon-Terror.

Ein Nau.ch-Journalist führt ein Telefon-Interview mit zwei Schweizern, die in Israel leben. Und plötzlich wird sein Handy mit Anrufen bombardiert. Der Journalist muss das Interview unterbrechen.

Was ist passiert?

Nau.ch fragt beim Experten nach. Und da wird klar: Es ist nicht auszuschliessen, dass es sich um eine Attacke einer Pro-Hamas-Gruppe handelte...

Aber von Anfang an: Am 9. Oktober führt der Journalist ein Whatsapp-Interview mit dem in Israel lebenden Präsidenten der Swiss Israel Community, Ralph Steigrad. Auch Erich Bloch ist zugeschaltet, ehemaliger Zürcher SP-Kantonsrat sowie langjähriges Mitglied des Auslandschweizer Rats.

Beide sind Mitglied einer Sicherheitsgruppe, die verantwortlich für die Evakuierung von Schweizern aus Israel ist. Dabei arbeiten sie eng mit der Schweizer Botschaft in Tel Aviv zusammen.

Telefon-Terror stört Interview

Themen des Interviews sind unter anderem: Angriff der Hamas auf Israel, Geschichten von Opfern, Anstrengungen rund um Evakuierungen. Kurz nach Interview-Beginn klingelt das Telefon des Nau.ch-Journalisten.

Dieser lehnt den Anruf ab – und erhält sofort den nächsten Anruf. Beide Male kommt der Anruf von einer unbekannten Nummer.

«Das war sehr ärgerlich, meine Gesprächspartner hatten sich extra Zeit genommen», so der Nau.ch-Journalist.

Doch es wird noch schlimmer: Das Ganze wiederholt sich 15 Mal (!) in nur einer Minute: Der Medienschaffende unterbricht das Interview und deaktiviert seine SIM-Karte.

Ralph Steigrad Israel
Ein Nau.ch-Journalist führte ein Interview mit dem in Israel lebenden Schweizer Ralph Steigrad...
Israel
...und dem ehemaligen Zürcher Kantonsrat Erich Bloch (SP). Gesprächsthema: Evakuierung von Schweizern sowie der Angriff der Hamas.
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Plötzlich wird das Telefon des Journalisten mit Anrufen bombardiert.
Wladimir Putin
Nun vermutet er eine Pro-Hamas-motivierte Cyberattacke.
Martin Steiger Datenschutz
Martin Steiger, Sprecher der Digitalen Gesellschaft und Rechtsanwalt, hält dieses Szenario für nicht unwahrscheinlich.
Die Datenaffäre setzt Facebook stark unter Druck.
Doch nur behördliche Ermittlungen können zutage bringen, was wirklich hinter dem Angriff steckt.

Erst danach kann er es ungestört fortführen. Nach Interview-Ende aktiviert er die SIM-Karte wieder – der Telefon-Terror hat aufgehört.

Ein Spiessrutenlauf bei Behörden

Der Journalist wird misstrauisch: «So etwas habe ich noch nie erlebt – weder vor noch nach dem Interview.» Könnte eine politisch motivierte Attacke dahinterstecken?

Die für das Portal Cybercrimepolice.ch zuständige Kantonspolizei Zürich winkt zunächst ab: «Wenden Sie sich ans Fedpol.» Das Fedpol verweist ans National Cyber Security Centre (NCSC).

Dieses erklärt, dass solche Spoofing-Anrufe (also Anrufe, die unter einer vorgetäuschten Nummer durchgeführt werden) zum Zeitpunkt der vermuteten Attacke statistisch gesehen tatsächlich zugenommen hätten. Handelt es sich also um gezielte Angriffe? Für eine bessere Einschätzung verweist das NCSC an den Nachrichtendienst des Bundes (NDB).

smartphone oneplus touchscreen
Spoofing-Anrufe sind betrügerische Telefonanrufe.
Swisscom Callcenter
Anrufer verändern ihre Telefonnummer so, dass sie wie eine vertrauenswürdige Nummer aussehen.
Callcenter
Oft stecken dubiose Callcenter dahinter, die auf sensible Daten aus sind.

Der NDB erklärt: «Die Informationen reichen nicht aus, um die Hypothese eines politisch motivierten Cyberangriffs zu bestätigen. Wollen Sie den Fall genauer untersuchen, haben Sie die Möglichkeit, eine Strafanzeige einzureichen.» Selbiges sagt auch die Kantonspolizei Zürich, nachdem die Redaktion ein zweites Mal an sie gelangt.

Der betroffene Nau.ch-Journalist reicht also Anzeige ein, doch bereits beim Einreichen der Anzeige wird ihm vermittelt: Die Anzeige werde womöglich nichts zutage bringen. Grund dafür sind auch Swisscom, Salt, Sunrise und Co.

«Wir sind auf Informationen von Mobilfunkanbietern angewiesen, diese geben sie aber nur ungern heraus», so der Polizist.

Rechtsanwalt Martin Steiger: «Gezielter Angriff möglich»

Also wendet sich der Journalist an Martin Steiger, Mitglied der Digitalen Gesellschaft Schweiz und renommierter Anwalt bei digitalen Angelegenheiten. Er sagt: «Ich finde es schade, dass die Polizei bereits davon ausgeht, dass Ermittlungen zu nichts führen könnten.»

Kenntnis von ähnlichen Vorfällen habe Steiger keine. Doch auch er vermutet: «Beim Vorfall, den Sie beschreiben, könnte es sich durchaus um einen gezielten Angriff gehandelt haben.» Gleichzeitig liesse sich ein Zufall aber auch nicht ausschliessen.

«Stellt sich natürlich die Frage, wer Interesse an einer solchen Störung gehabt haben könnte. Und: Wie der Angreifer mit einem Motiv hätte herausfinden können, dass das Interview stattfindet.»

Wurden Sie bereits Opfer von Anrufen unter vorgetäuschter Nummer?

Der Rechtsanwalt gibt zu bedenken: «Man müsste von Überwachung ausgehen, die mindestens eine direkt oder indirekt am Interview beteiligte Person betraf.» Das könnte ein E-Mail-Konto betreffen, aber auch Schadsoftware auf Computer oder Smartphone.

Steiger sagt: «Alles in allem ist der Verdacht auf einen gezielten Angriff naheliegend, aber nicht die einzige Möglichkeit. Insofern bleibt es für mich bei Spekulationen.»

Was die eingereichte Anzeige angeht, teilte die Polizei dem Journalisten mit, dass die Ermittlungen Monate oder Jahre andauern könnten. Auch wurde er darum gebeten, bei seinem Mobilfunkanbieter ein Protokoll aller eingegangen Anrufe vom 9. Oktober einzuholen.

Steiger runzelt die Stirn: «Solche Ermittlungen sollten Strafverfolgungsbehörden tätigen und nicht die betroffene Person.»

Schliesslich hätten Behörden auch mehr Möglichkeiten. «Wenn man an die Polizei gelangt, kommt es leider immer wieder vor, dass man dort keine Lust hat.» Das liege daran, dass die Polizei nicht auf solche Fälle vorbereitet sei.

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