Asylzentrum-Security belästigt Geflüchtete auf Whatsapp

Ein Sicherheitsangestellter eines Bundesasylzentrums hat einer Geflüchteten private Nachrichten auf Whatsapp geschickt. Die Securitas AG untersucht den Fall.

00:00 / 00:00

Ein Security des Bundesasylzentrums belästigt die geflüchtete Ukrainerin Julia. Jetzt läuft eine Untersuchung. - Nau.ch/Nico Leuthold

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Security eines Bundesasylzentrums will eine Geflüchtete zu einem Drink einladen.
  • «Die Nachrichten schockierten und erstaunten mich», sagt die Ukrainerin.
  • Die zuständige Securitas AG hat Einsätze des Mitarbeiters gestoppt.

Kaum im Bundesasylzentrum (BAZ) angekommen, verschwindet Julia Arslanovas Kater. Mit viel Glück taucht der treue Begleiter der geflüchteten Ukrainerin einen Monat später wieder auf, wie Nau.ch berichtet hat.

Die Tage, die sie Mitte Juli im BAZ Urtenen-Schönbühl BE verbrachte, bleiben ihr aber nicht nur deshalb in schlechter Erinnerung.

Kurz nach ihrer Ankunft bekommt die 40-Jährige Whatsapp-Nachrichten. Sie stammen von einem Sicherheitsmitarbeiter des Asylzentrums.

«Hast du gut geschlafen?»

Es ist Freitagabend um 17.30 Uhr.

«Hallo», schreibt der Security Julia Arslanova im Chatverlauf von Whatsapp, welcher der Redaktion vorliegt. Rund eine Stunde später antwortet sie mit «Hallo». Darauf fragt er: «Hast du gut geschlafen?» Noch sei sie nicht zum Schlafen gekommen, antwortet sie dankend.

«Wenn du willst, hole ich dich ab, wir trinken etwas zusammen und ich zeige dir die Natur.» Sie könne auch ihre Katze mitnehmen, bietet er Arslanova an.

Wurdest du auf Whatsapp schon mal belästigt?

Die Ukrainerin lehnt freundlich ab.

«Vielen Dank, wirklich! Du bist sehr nett. Aber ich bin leider zu müde heute», antwortet sie auf Whatsapp. Zudem sei ihr «armer Kater zu gestresst».

«Ich bin kein Bad Boy»

Der Security lässt nicht locker.

Sie brauche vor nichts Angst zu haben, schreibt er. «Ich arbeite für die Sicherheit hier. Ich kann dich glücklich machen.»

Erneut will er sie zu einem Drink einladen. Er schlägt ein Treffen bei sich zu Hause vor. «Ich mag dich wirklich», betont er. Dazu schickt er ein Emoji mit herzförmigen Augen.

Ukrainerin lehnt auf Whatsapp ab

Kurz nach 19.30 Uhr schreibt er, dass er in zehn Minuten bei ihr sein könne. Danach könnten sie sich etwas zu trinken kaufen und er zeige ihr sein Zuhause.

Er empfinde nicht für jede Frau etwas, schreibt er auch. «Du bist eine intelligente Frau. Ich sehe das.»

In einer Sprachnachricht wiederholt der Angestellte, wie sicher sie sich mit ihm fühlen könne. «Mach dir keine Sorgen. Ich bin kein Bad Boy, ich arbeite für die Sicherheit dort und ich bin brav.»

Arslanova geht nicht mehr darauf ein. Sie beendet den Chat mit einem unverbindlichen: «Ok, kein Problem, ein anderes Mal.»

«Kam in die Schweiz, um Schutz zu suchen»

Als die Ukrainerin dem Security ihre Handynummer angab, ahnte sie nichts Böses.

Sie habe nichts über die dortigen Bedingungen und Vorschriften gewusst, sagt Arslanova. Ihre Handynummer habe sie angegeben, weil sie gedacht habe, dass dies Teil des Verfahrens sei.

Whatsapp
«Ich hätte dieses Verhalten niemals erwartet», sagt Julia Arslanova über die Nachrichten, die sie auf Whatsapp erhielt. - Nau.ch / Nico Leuthold

«Die Nachrichten schockierten und erstaunten mich», sagt die Ukrainerin. «Ich kam in die Schweiz, um Schutz zu suchen und hätte dieses Verhalten niemals erwartet.» Den Vorfall hat sie kürzlich dem Staatssekretariat für Migration (SEM) gemeldet.

Professionelle Distanz werde verlangt

«Private Kontakte sind untersagt», sagt SEM-Mediensprecher Samuel Wyss zu Nau.ch. Die Leistungsvereinbarung des SEM mit Betreuungs- und Sicherheitsdienstleistern verlange eine professionelle Distanz zu den Schutzsuchenden.

Das SEM weise alle Asyl- und Schutzsuchenden darauf hin, dass sie jede Art von Fehlverhalten anzeigen könnten, sagt Wyss. «Ein Fehlverhalten der Mitarbeitenden von Leistungserbringern kann zu einem sofortigen Ausschluss aus dem SEM-Dienst führen.»

Für arbeitsrechtliche Konsequenzen ist die Securitas AG zuständig. Diese hat das SEM für die Sicherheitsdienstleistung in den Berner Asylzentren beauftragt.

Anpassung bei Diensten

Im beschriebenen Fall führten sie das Mitarbeitenden-Gespräch so rasch wie möglich, sagt Urs Stadler, Mediensprecher der Securitas Gruppe. «Und die angeschuldigte Person wird bis zu diesem Termin nicht mehr in Diensten eingesetzt, wo es zu Beanstandungen gekommen ist.»

Aufgrund der Erkenntnisse aus dem Gespräch wird laut Stadler unmittelbar über personelle Massnahmen entschieden.

Whatsapp
Wegen der Nachrichten auf Whatsapp wird der Security vorläufig nicht mehr in Diensten eingesetzt, wo es zu Beanstandungen gekommen ist. - keystone

«Ein tatsächliches Fehlverhalten kann Auswirkungen auf Einsätze im jeweiligen Auftrag oder sogar auf das Arbeitsverhältnis haben», sagt Urs Stadler.

Weitere Belästigungsvorwürfe

Das SEM betreibt derzeit schweizweit über 30 Bundesasylzentren. Aktuell ist es für rund 7000 Asylsuchende zuständig.

Julia Arslanova ist nicht die einzige Geflüchtete, die dem SEM Belästigungsvorwürfe gemeldet hat. Das SEM erfasse diese Anzahl Meldungen nicht statistisch, sagt Samuel Wyss. «Aber eine Umfrage in den Asylregionen zeigt, dass es sich um wenige Einzelfälle handeln dürfte.»

Die Meldungen würden in jedem Fall sehr ernst genommen und überprüft, sagt Wyss.

Meldestelle gefordert

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe sieht dennoch Handlungsbedarf. Sie fordert eine zentrale, schweizweit zuständige und unabhängig betriebene Meldestelle für Asylsuchende und Mitarbeitende in Asylzentren. Auf diese Weise sollten sie Gewaltvorfälle und mutmassliche Grundrechtsverletzungen melden können.

Julia Arslanova hofft, dass der Security für sein Verhalten eine gerechte Strafe bekommt. Ansonsten erwarte sie nichts.

«Ich bin nicht in der Schweiz, um zu profitieren», sagt Arslanova. Sie wünsche sich nur, dass sie hier arbeiten und ein unabhängiges Leben führen könne, so die interkulturelle Kommunikationsspezialistin.

Weiterlesen

Katze
108 Interaktionen
«Flippte aus»
Whatsapp
128 Interaktionen
Social-Frust
Ukraine Genf
114 Interaktionen
Schweiz-Flucht

MEHR AUS AGGLO BERN

Münchenbuchsee
Münchenbuchsee
Zollikofen
Münsingen