Geflüchtete Ukrainerin zittert wochenlang um ihren Kater
Julia Arslanova flüchtet mit ihrem Kater Zephyr in die Schweiz. Im Bundesasylzentrum Urtenen-Schönbühl BE erlebt sie eine Horrorstory.
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Das Wichtigste in Kürze
- Kater Zephyr verschwindet im Juli plötzlich aus dem Bundesasylzentrum Urtenen-Schönbühl.
- Frauchen Julia Arslanova macht das Personal dafür verantwortlich.
- Inzwischen sind Frauchen und Kater aber wieder vereint.
Die Katze oder den Hund in der Heimat dem Schicksal überlassen – für viele Ukrainerinnen und Ukrainer ist das unvorstellbar. Knapp 3500 Haustiere kamen darum laut Schätzungen des Bundes zwischen Frühling 2022 und Juli 2023 aus der Ukraine in die Schweiz.
In den letzten vier Wochen verzeichnete das Staatssekretariat für Migration (SEM) wöchentlich rund zwei Dutzend Haustiere in den Bundesasylzentren.
Auch Julia Arslanova flüchtete mit ihrem Kater in die Schweiz. Zuvor hielt sie sich drei Jahre in Polen auf. Im Juli trifft sie im Bundesasylzentrum (BAZ) Urtenen-Schönbühl BE ein. Die Tage danach verbringt sie weinend im Bett.
Denn: Ihr treuer Begleiter, Kater Zephyr, verschwindet in der ersten Nacht aus der Kollektivunterkunft. «Ich flippte aus und wusste nicht, was ich machen sollte», sagt die 42-Jährige.
Transfer ohne Katze
Sie habe ihn in der Unterkunft aus der Transportbox gelassen, damit er etwas herumspazieren könne, sagt die Ukrainerin. In der Nacht habe er die Umgebung erkundet und sei am nächsten Morgen nicht wieder aufgetaucht.
«Ich wusste nicht, wie schön die Natur rund um die Unterbringung ist.» Daher habe sie nicht damit gerechnet, dass ihr Kater die Unterkunft verlassen könnte.

Neben dem Eingang zum BAZ befindet sich ein Zelt für Haustiere. «Wenn ich ihn in einer dieser Boxen platziert hätte, wäre Zephyr nicht verschwunden», sagt Arslanova. Doch über dieses Angebot habe sie niemand informiert, behauptet sie.
In Urtenen-Schönbühl kann sie nicht mehr lange nach ihrem Haustier suchen. Vier Tage nach der Ankunft wird Arslanova in ein Bundesasylzentrum in Schaffhausen SH und danach in Kreuzlingen TG verlegt. «Meine verzweifelten Proteste, dass ich ohne meinen Kater nicht gehen kann, wurden ignoriert», erzählt die Ukrainerin.
«Wir schnurren beide vor Glück»
Später bekommt Arslanova die Möglichkeit, bei einer Tierschützerin in Urtenen-Schönbühl unterzukommen. Sie meldet den vermissten Kater bei der Kantonspolizei Bern und schaltet bei der Schweizerischen Tiermeldezentrale STMZ eine Vermisstenanzeige.

Die Tierschutzorganisation Network for Animal Protection (Netap) unterstützt sie bei der Suche. Netap postet einen Aufruf auf Social Media und verteilt Flyer.
«Zephyr ist ihr Ein und Alles. Ihre Familie. Julias Schmerz ist unermesslich. Ihre Situation gleicht einem Albtraum», schreibt Netap.
Lebenszeichen nach einem Monat
Gechippt ist Zephyr nicht. «Als der Krieg ausbrach, durften Menschen mit ihren Tieren auch ohne Papiere nach Polen einreisen», so Netap. Ein Tierarzttermin, um dies alles nachzuholen, sei bereits geplant gewesen.
Doch nach knapp einem Monat bekommt Arslanova ein Lebenszeichen von ihrer Katze. «Ein Einwohner von Urtenen-Schönbühl sah, dass sich meine Katze in seinem Garten versteckte», sagt die Ukrainerin.

Damit Zephyr wieder kam, lockte der Einwohner ihn mit Futter an. Drei Tage später konnte Arslanova ihren Kater abholen. «Ich habe meinen Baby-Boy zurück! Wir schnurren beide vor Glück», meldet sie der Redaktion.
Zelt für Haustiere sei gut ersichtlich
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) bestätigt, dass die geflüchtete Ukrainerin ihren Kater vermisste. Die Katze sei vom BAZ-Personal mittlerweile gefunden worden, teilte das SEM der Redaktion am 20. August mit. «Sie ist gesund und munter, die Besitzerin hat sie bereits abgeholt.»
Zum Vorwurf, nicht über das Haustierzelt informiert worden zu sein, weist Mediensprecher Samuel Wyss auf die Organisation vor Ort hin.
Das Zelt für Haustiere sei – gut ersichtlich – neben dem Eingang zum Bundesasylzentrum (BAZ), schreibt Samuel Wyss. «Alle Schutzsuchenden erhalten beim Eintritt in ein BAZ sämtliche wichtigen Informationen, auch zu Haustieren.»
Das SEM finanziere das Futter und stelle allen Tieren einen Schlafplatz zur Verfügung. Wer ein Haustier mitbringe, sei für die Pflege oder den Auslauf der Tiere selber verantwortlich.
Personal habe Gebäude abgesucht
Den Transfer nach Schaffhausen trotz vermisster Katze begründet das SEM mit den Kapazitäten.
Das BAZ in Urtenen-Schönbühl sei das Anlaufzentrum für alle aus der Ukraine geflüchteten Personen, die in der Schweiz Schutz suchen.
In der Regel erfolge nach wenigen Tagen ein Transfer in eine andere Unterkunft des Bundes oder eines Kantons. Grund dafür seien die eingeschränkten Kapazitäten.
Laut Wyss suchte das BAZ-Personal das gesamte Gebäude und die nähere Umgebung nach dem verschwundenen Kater ab. «Auch hat das SEM beziehungsweise haben die Mitarbeitenden Vermisstenplakate mit Kontaktadresse und Bild des Katers angebracht.»