Schweiz-Flucht: Drei von vier Ukrainern kommen aus Kriegs-Gebiet
Die meisten Ukrainer in der Schweiz kommen aus besetzten oder schwer umkämpften Gebieten. Einschränkungen beim Schutzstatus S würden sie kaum betreffen.

Das Wichtigste in Kürze
- Das Schweizer Parlament will den Schutzstatus S für Ukrainer einschränken.
- Die Mehrheit der Geflüchteten stammt allerdings aus Kriegsgebieten.
- Nur 27 % der Ukrainer in der Schweiz kommen aus als sicher eingestuften Regionen.
Das Parlament will den Schutzstatus S für Ukrainerinnen und Ukrainer einschränken. Künftig sollen nur noch Personen aus besetzten oder von intensiven Kämpfen betroffenen Regionen diesen besonderen Schutz erhalten.
Der Bundesrat entscheidet im Herbst über die genaue Umsetzung. Norwegen könnte dabei als Vorbild dienen: Das Land hat die Ukraine in sichere und unsichere Regionen eingeteilt und seine Asylpraxis angepasst.
Mehrheit der Ukrainer in der Schweiz aus umkämpften Gebieten
Doch für die Schweiz hätte ein solcher Schritt kaum grosse Auswirkungen. Denn die überwältigende Mehrheit der Geflüchteten hierzulande kommt ohnehin aus den gefährlichsten Teilen des Landes.
Laut Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) stammen 73 Prozent aus besetzten oder umkämpften Regionen. Nur 27 Prozent flohen aus Gegenden, die international als vergleichsweise sicher gelten, schreibt der «Tages-Anzeiger».
Doch: Die Definition von sicheren Gebieten in der Ukraine ist grundsätzlich umstritten. Denn die russischen Angriffe haben inzwischen weite Teile des Landes erfasst.
«Es ist in der Ukraine nirgendwo sicher»
Diese Einschätzung teilen humanitäre Helfer vor Ort. «Es ist in der Ukraine nirgendwo sicher. Dort leben, ist russisches Roulette», sagt Bänz Margot, Gründer der Organisation Human Front Aid, die in Odessa ein Nothilfezentrum betreibt.
Die russische Strategie verändere sich ständig, Angriffe träfen mittlerweile auch Dörfer im Westen des Landes. «Neuerdings greifen die Russen auch Autos an. Die Strategie dahinter ist klar: Mobilität soll eingeschränkt werden», so Margot im «Tages-Anzeiger».
Auch Daniel Koch, früherer BAG-Kadermann und Mitglied des Patronatskomitees von Human Front Aid, bestätigt die dramatische Entwicklung. Seine Frau, die aus der Ukraine stammt, habe kürzlich einen Todesfall in der Familie gehabt.
Rückkehr auf absehbare Zeit wohl eine Illusion
Man suchte ein Auto für den Sarg-Transport zum Friedhof. «Weil derzeit so viele Autos von Drohnen oder Raketen getroffen werden, stellte sich niemand zur Verfügung», erzählt Koch. Der Sarg sei schliesslich mit einer Pferdekutsche transportiert worden.
Der Genfer Sicherheitsexperte Thomas Greminger warnt zudem, dass viele Menschen aus den besetzten Gebieten wohl nie zurückkehren können. In den von Russland beherrschten Gegenden herrschten Unterdrückung und Gewalt.
«Wer aus einem westlichen Land dorthin zurückkehrt, ist einem hohen Verfolgungsrisiko ausgesetzt», sagt er.
Ob der Krieg andauert oder die Gebiete definitiv Russland zufallen: Zurückkehren werden die Ukrainerinnen und Ukrainer aus diesen Gebieten auf lange Zeit nicht.