Die Affäre Khashoggi wirft schlechtes Licht auf Kronprinz Mohammed bin Salman. Steckt der 33-jährige Thronfolger hinter der mutmasslichen Ermordung Khashoggis?
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman in London.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman in London. - Keystone
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Fall um Jamal Khashoggi sorgt international für Entrüstung.
  • Immer mehr deutet darauf hin, dass Kronprinz Mohammed bin Salman den Mord anordnete.
  • Noch hat die US-Regierung Vertrauen in die saudische Regierung.

Die Schlinge zieht sich langsam zu um den saudischen Kronprinzen Moahmmed bin Salman (kurz MBS). Angeblich haben hochrangige türkische Beamte laut US-Nachrichtenagentur Associated Press bei der Durchsuchung des saudischen Konsulats in Istanbul «bestimmte Beweise» gefunden, dass der saudische Journalist, Blogger und Kritiker des Kronprinzen Jamal Khashoggi dort getötet wurde.

MBS selbst hatte dem US-Präsidenten Donald Trump bei einem Telefonat versichert, dass die saudische Führung nichts von den angeblichen Vorkommnissen im Konsulat gewusst habe. Doch neuste Erkennungen der «New York Times» unter Berufung auf Gesichtserkennung, Profile auf sozialen Netzwerken, Medienberichten und geleakten saudischen Regierungsdokumenten sollen zeigen, dass mehrere von der Türkei identifizierte Verdächtige aus dem direkten Umfeld des Kronprinzen stammten. Ein Verdächtiger sei etwa mit dem Kronprinzen aus Flugzeugen in Paris und Madrid gestiegen.

Die letzte Aufnahme des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi beim Betreten des saudischen Konsulats in Istanbul, Türkei.
Die letzte Aufnahme des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi beim Betreten des saudischen Konsulats in Istanbul, Türkei. - keystone

Drei weitere Verdächtige gehörten angeblich zum Sicherheits-Einsatzkommando des Kronprinzen. Eine fünfte Person sei Gerichtsmediziner und hochrangiger Beamter im saudischen Innenministerium. Die türkischen Behörden gehen davon aus, dass Khashoggi von einem aus Saudi-Arabien angereisten 15-köpfigen Spezialkommando getötet wurde. Können sie beweisen, dass dieses Spezialkommando zur gleichen Zeit wie Khashoggi vor Ort waren, gäbe es einen direkten Bezug von den Geschehnissen zum Kronprinzen.

Noch hat Trump Vertrauen in Saudis

Wenn die saudische Führung von den Vorkommnissen gewusst habe, «dann wäre das sehr schlecht», meinte Trump am Dienstagabend (Ortszeit) gegenüber den US-Sender «Fox Business». Trotzdem können die Saudi-Herrscher und MBS weiterhin auf das Vertrauen Trumps setzen. Für den US-Präsidenten ist klar: Auch für die Saudis gilt die Unschuldsvermutung. «Jetzt wird wieder gesagt, du bist schuldig, bis deine Unschuld bewiesen ist. Ich mag das nicht», so Trump gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Jetzt müsse erst mal herausgefunden werden, was passiert sei.

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (r.) empfängt Mike Pompeo (l.), Aussenminister der USA, zu einem Gespräch. Pompeo ist in Saudi-Arabien eingetroffen, um dort mit der Führung des Landes über das mysteriöse Verschwinden des Journalisten Jamal Khashoggi zu sprechen.
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (r.) empfängt Mike Pompeo (l.), Aussenminister der USA, zu einem Gespräch. Pompeo ist in Saudi-Arabien eingetroffen, um dort mit der Führung des Landes über das mysteriöse Verschwinden des Journalisten Jamal Khashoggi zu sprechen. - dpa

Für Trump ist die Theorie eines unabhängig agierenden Einzeltäters noch immer die probabelste Version. Dies mit gutem Grund: Für die US-Regierung ist Saudi-Arabien ein wichtiger Handelspartner. Wird eine Verbindung zwischen Khashoggis Mord und der saudischen Machtelite ersichtlich, stehen Milliardendeals auf dem Spiel. Ebenso würde die US-Nahostpolitik der Regierung Trump, die gänzlich auf die Hilfe des sunnitischen Königshauses setzt, einen herben Dämpfer erleiden. Die Partnerschaft mit dem jetzigen König Salman und dem eigentlichen Strippenzieher, dem Kronprinzen MBS wäre dann nicht mehr tragbar.

Wer ist MBS?

Der 33-jährige Sohn von König Salman ist Verteidigungsminister, stellvertretender Premierminister und steht seit Sommer 2017 an erster Stelle in der Thronfolge des 82-jährigen Königs. Bisher war er international vor allem durch seine wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformpläne der konservativen Monarchie aufgefallen. Etwa als Mann hinter der Vision 2030, die den Rentenstaat gänzlich von Fossilen Brennstoffen unabhängig machen will. Und er ist es, der die Macht der Kleriker im Land eingeschränkt, Kinos eingeführt und Frauen das Autofahren erlaubt hat.

MBS steht aber auch für verschärfte Repressionen im Land. Vor allem gegen Kritiker, Menschenrechtsaktivisten und Oppositionelle geht der vermeintliche Reformer mit harter Hand vor. So etwa bei der Verhaftung von bekannten Frauenrechtlerinnen im Mai 2018. Wenige Monate zuvor liess er rund 200 wohlhabende saudische Wirtschaftsleute im Ritz Carlton Hotel in Riad festhalten und erst wieder gegen Milliardenzahlungen frei. MBS ist es auch, der für den saudischen Militäreinsatz im benachbarten Bürgerkriegsland Jemen verantwortlich ist.

US-Präsident Donald Trump empfängt 2017 den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman im Weissen Haus.
US-Präsident Donald Trump empfängt 2017 den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman im Weissen Haus. - Keystone

Obwohl Khashoggi kein Oppositioneller war – er selbst zählte einst zur Elite des Landes – ist er mit der Kritik an MBS bei der saudischen Regierung in Ungnade gefallen. Etwa mit der Kritik an dessen Militäreinsatz im Jemen oder der Blockade gegen das Golfemirat Katar. In einem Kommentar vom März in der «Washington Post» schrieb Khashoggi, MBS gebühre zwar einerseits Lob für die tiefgreifenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformen, die er initiiert habe, doch erlaube er keinerlei öffentliche Beteiligung und keine Debatte über seine Politik. Wer ihn kritisiere, lasse er festnehmen oder verschwinden. Nun scheint eben dies eingetroffen zu sein.

Noch im letzten Jahr befand sich MBS auf einer Scharmtour durch die USA – traf sich nebst Donald Trump mit Wirtschaftsvertretern und Unternehmern wie Apple-Chef Tim Cook, Amazon-Chef Jeff Bezos und Microsoft-Gründer Bill Gates. Die ganze Affäre Khashoggi wirft nun aber einen äusserst dunklen Schatten auf den saudischen Kronprinzen. Nun gehen viele Wirtschaftsvertreter und Unternehmen auf Distanz mit den Saudis. Damit sich MBS weiterhin als saudischer Thronfolger halten kann, müssen nun in der Untersuchung zum Fall Khashoggi schnell Ergebnisse her.

Der saudische Journalist Jamal Khashoggi telefoniert in Davos.
Der saudische Journalist Jamal Khashoggi telefoniert in Davos. - Keystone

-------------------------------------------
Was bisher geschah:
Am 2. Oktober betrat der saudische Journalist Jamal Khashoggi das saudische Konsulat in Istanbul. Seither fehlt von ihm jede Spur. Am 7. Oktober berichteten Medien, dass die türkische Polizei davon ausgehe, dass der Journalist im Konsulat ermordet oder gekidnappt wurde. Wenig später erklärte ein Berater des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, dass die türkische Regierung davon ausgehe, dass Khashoggi sich nicht mehr auf dem Konsulat befinde. Aus Saudi-Arabien seien zudem 15 Männer eingeflogen worden, um die Entführung oder Ermordung auszuführen. Am 11. Oktober erklärten türkische Behördenvertreter, sie hätten Ton- und Videoaufnahmen im Besitz, die belegten, dass Khashoggi im Konsulat ermordet wurde. Darauf sei zu hören, wie der Journalist verhört, gefoltert und getötet wurde. Daraufhin sei die Leiche zerstückelt worden. Unklar ist, wie die Behörden an die Video- und Tonaufnahmen aus der saudischen Vertretung gelangt sind.

Am 12. Oktober traf eine Delegation aus Saudi-Arabien ein, um den Fall zu untersuchen. Am 15. Oktober durften türkische Ermittler das saudische Konsulat untersuchen. Spürhunde kamen zum Einsatz und auch Bodenproben wurden genommen. Gleichtags berichtete «CNN», dass laut zwei Quellen Saudi-Arabien eingestehen wolle, dass Khashoggi bei einem schief gelaufenen Verhör ums Leben gekommen sei. Ein Bericht würde verfasst, welcher erklärt, dass der Einsatz ohne Genehmigung erfolgt sei und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden. Eine offizielle Erklärung haben die Saudis bisher noch nicht abgegeben – bisher wurde jegliche Verwicklungen der saudischen Regierung in den Fall abgestritten.

Am 16. Oktober war US-Aussenminister Mike Pompeo in Saudi-Arabien eingetroffen, um mit König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman die Angelegenheit zu bereden. Einzelheiten über die Gespräche sind nicht bekannt. Nun ist Pompeo in der Türkei und bespricht die Lage mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Donald TrumpBill GatesJeff BezosTim CookRecep Tayyip ErdoganMike PompeoSalman